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Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Ein gutes Handfernrohr.

Das Fernrohr ist im Laufe der Zeit zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden. Der Soldat, der Tourist, der Sportsmann, der Jäger, der Theaterbesucher, sie alle brauchen Feldstecher und Operngläser. Kein Wunder, daß bei einem so großen Bedarf die Industrie sich nicht begnügte, nur Massenware zu erzeugen, sondern auch bestrebt war, das Handfernrohr immer vollendeter zu gestalten. Die Anforderungen, die an sie gestellt wurden, waren mannigfaltig. Ein gutes Handfernrohr muß kleine handliche Form besitzen, es soll gleichmäßig scharfe und klare Bilder zeigen und bei angemessener Vergrößerung und ausreichender Lichtstärke dem Beobachter ein möglichst großes Gesichtsfeld bieten.

Lange Zeit konnten alle diese Eigenschaften in einem Fernrohr nicht vereint werden. Die ersten Fernrohre, welche zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Holland erfunden wurden, waren aus einer konvexen Objektivlinse und einer konkaven Okularlinse zusammengesetzt. Für den Handgebrauch erwiesen sie sich durchaus geeignet und sind noch heute als Operngläser und Feldstecher ungemein verbreitet. Man sieht durch sie die Gegenstände in aufrechter Stellung, ihr Rohr ist kurz und das Instrument darum handlich; sie haben jedoch einen schwerwiegenden Mangel: das Gesichtsfeld ist bei ihnen außerordentlich klein, bei einigermaßen stärkerer Vergrößerung kann man nur sehr kleine Flächenstücke übersehen.

Mit einem den Holländern nachgemachten Fernrohr hat Galilei seine staunenerregenden Entdeckungen in der Sternenwelt gemacht. Er sah, daß der Mond mit Bergen bedeckt ist, daß die Milchstraße aus zahllosen kleinen Sternen besteht und daß der Jupiter von Trabanten begleitet wird. Für astronomische Beobachtungen wurde indessen das holländische oder galileische Fernrohr bald durch ein anderes ersetzt, das der große deutsche Astronom Kepler gleichfalls zu Anfang des 17. Jahrhunderts erfand. Dasselbe ist aus zwei konvexen Linsen zusammengesetzt; es hat ein großes Gesichtsfeld und bedeutende Lichtstärke und läßt sehr starke Vergrößerung zu. Seine höchste Vollendung zeigt es in den Riesenrefraktoren der Sternwarten, aber zu Beobachtungen auf der Erde ist es ganz und gar nicht geeignet, denn es zeigt Bilder, die umgekehrt sind oder auf dem Kopfe stehen, und besitzt eine beträchtliche Länge. Der erste Uebelstand wurde bereits im Jahre 1665 durch den Kapuziner A. M. de Rheita beseitigt. An Stelle der einfachen Okularlinse im Keplerschen Fernrohr setzte dieser ein System von vier Kinsen, welche das umgekehrte Bild noch einmal umkehren, es also dem Beobachter in aufrechter Stellung erscheinen lassen. So entstand das terrestrische oder Erdfernrohr, das in vielfacher Hinsicht dem galileischen überlegen ist, aber eine solche Länge besitzt, daß es bei stärkeren Vergrößerungen beim Gebrauch als Handfernrohr unbequem wird.

Triëder-Binocle.

Erst in unserem Jahrhundert fand die Wissenschaft ein Mittel, das beide Mängel des vorzüglichen Keplerschen Fernrohres zugleich beseitigt. Gegen Ende der vierziger Jahre zeigte der Optiker Porro, daß die umgekehrten Bilder des astronomischen Fernrohrs durch Zwischenschaltung von Spiegelprismen[1], deren brechende Kanten zu einander senkrecht stehen, in aufrechte Bilder verwandelt werden. Bei dieser Anordnung wird aber die Länge des Fernrohrs zugleich auf den dritten Teil verkürzt, da die Lichtstrahlen zwischen den Spiegelprismen im Zickzack geführt werden.

Nach diesem Prinzip wurden von Porro terrestrische Fernrohre gebaut, aber die optische Technik um die Mitte des Jahrhunderts war noch nicht so weit fortgeschritten, um auch die Konstruktion brauchbarer tadelloser Doppelfernrohre nach den neuen Grundsätzen möglich zu machen. Erst in der neuesten Zeit ist die Lösung der Aufgabe gelungen, und so besitzen wir heute Handfernrohre, welche die älteren weit übertreffen. Namentlich Carl Zeiß in Jena gebührt das Verdienst, auf diesem Gebiet bahnbrechend vorgegangen zu sein.

Als ein Beispiel eines modernen Feldstechers führen wir unseren Lesern das „Triëder-Binocle“ vor, das von der optischen Anstalt C. P. Goerz, Berlin-Friedenau, hergestellt wird.

Die innere Einrichtung zeigt uns Fig. 1. Der Gang der Lichtstrahlen wird durch die Pfeillinie bezeichnet. Sie treten durch die Objektivlinse ein und treffen zuerst das obere Spiegelprisma; in diesem erfahren sie eine rechtwinklige Ablenkung und gelangen zu dem unteren Prisma, hier erleiden sie nochmals eine rechtwinklige Richtungsänderung und gelangen am oberen Prisma vorbei direkt zum Okular.

Das Prismendoppelfernrohr ist das kleinste aller Fernrohre, denn bei gleicher Vergrößerung ist es dreimal kürzer als das terrestrische Fernrohr und etwa um die Hälfte kürzer als das holländische Theaterglas. Abgesehen von der großen Schärfe und Klarheit, zeichnet es sich vor allem durch ein großes Gesichtsfeld aus. Wie weit es den alten Operngläsern in dieser Hinsicht überlegen ist, beweisen am besten die untenstehenden Abbildungen. Sie veranschaulichen den Unterschied der überblickbaren Flächen mit einem alten Opernglase und einem Triëder-Binocle von gleich starker Vergrößerung.

Gesichtsfeld mit altem Opernglas.

Gesichtsfeld mit Goerz’ Triëder-Binocle No. 10.

Um das Sehen möglichst genau zu gestalten und die Ermüdung der Augen zu verhüten, ist das neue Handfernrohr noch mit zwei Einrichtungen versehen. Der Pupillenabstand ist bei einzelnen Menschen verschieden, er wechselt von 59 bis etwa 70 mm; in diesen Grenzen lassen sich nun die beiden Rohre des Binocle gegeneinander verschieben. Bei vielen Menschen ist die Sehkraft beider Augen ungleich, dies erschwert die Beobachtung durch ein Fernrohr. Um diesen Uebelstand zu beheben, ist das Triëder-Binocle mit einer besonderen Einstellung des rechten Okulars versehen. Die Gläser werden in vier Größen hergestellt. Das schwächste bietet eine dreifache, das stärkste eine zwölffache lineare Vergrößerung. Die eignen sich wegen ihres großen Gesichtsfeldes für Theater, Jagd, Rennen etc., die stärkeren für die Reise, Regatten und alle Fälle, wo es darauf ankommt, auf sehr große Entfernungen deutlich zu sehen.

Leider ist der Preis der modernen Handfernrohre, in denen die optische Technik einen neuen Triumph feiert, noch hoch und nicht für jeden erschwingbar. Hoffen wir, daß mit der Zeit Mittel und Wege gefunden werden, auch diese Errungenschaft der Neuzeit zu verbilligen und weiteren Kreisen zugängig zu machen. M. H.     


  1. Dreikantige durchsichtige Glaskörper, die den Lichtstrahl spiegeln und ohne Farbenzerstreuung austreten lassen.


Zwei neue Lampen von Edison und von Auer von Welsbach.

Mehr als je vordem tobt im Augenblick der Kampf um das schönste, billigste und gesundeste Licht. Soeben erst hat Professor Nernst mit seiner auf S. 499 dieses Jahrganges geschilderten Lampe den Preis davongetragen, und schon wird ihm der Erfolg bestritten. Keine Geringeren als Edison und Auer von Welsbach, also die Großmeister auf dem Gebiete der Beleuchtungstechnik selbst, suchen die Nernst-Lampe zu übertrumpfen und aus dem Felde zu schlagen.

Seit einigen Jahren sind die Elektriker mit heißem Bemühen bestrebt gewesen, die sogenannten Seltenen Erden – also das Zircon, Thor, Cer etc. – die sich beim Glühstrumpf des Auerschen Gasglühlichtes so außerordentlich bewährt haben, auch zur Herstellung der Glühfäden in den elektrischen Glühlampen zu verwenden. Das schwierige Problem wurde fast zu gleicher Zeit von Edison und von Auer gelöst.

In einer Beziehung ähneln die neuen Lampen der Nernst-Lampe. Sie verwenden wie diese elektrische Nichtleiter und zwingen sie in ganz originaler Weise zur Führung des Stromes.

Betrachten wir zunächst die neue Edison-Lampe. Ihr Glühfaden, der ja das Wesentlichste der Erfindung ausmacht, besteht aus einer Sauerstoffverbindung der Seltenen Erden Zircon und Thor. Um diese leitend zu machen, sind in den Faden Kohlenteilchen eingestreut. Der Strom, der in den Faden eintritt, springt nun in Form von kleinen Funken von Kohlenteilchen zu Kohlenteilchen; und die dabei erweckte Energie erhöht die Fadentemperatur zur Weißglut. Um eine gleichmäßig strahlende Oberfläche zu erzielen, taucht Edison den Faden noch auf kurze Zeit in ein Salz der Seltenen Erden. Ganz entsprechend den Forderungen der neuen Elektrotechnik, wird auch diese Lampe, um ihren Gebrauch wohlfeil zu gestalten, mit Strömen von verhältnismäßig hoher Spannung beschickt.

Die neue Lampe von Auer von Welsbach ähnelt sehr der soeben geschilderten Edison-Lampe. Auch hier baut sich der Glühfaden aus den Sauerstoffverbindungen Seltener Erden auf. Er enthält aber, neben den Kohlenteilchen, noch Zusätze von Osmium, einem Metall, das sich zumeist mit Platin zusammen findet. –

Die Glühfäden der Edison- und der Auer-Lampe sind in luftentleerte Glasbirnen eingeschlossen: just wie es jetzt bei den elektrischen Glühlampen gebräuchlich ist. Das Licht der neuen Lampen soll schön und weiß sein. Franz Bendt.     

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 670. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0670.jpg&oldid=- (Version vom 7.2.2023)