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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Ein deutsch-amerikanischer Nationalfeiertag.

Von Rudolf Cronau.0 Mit Abbildungen.

Seit etwa zwei Decennien versammeln sich alljährlich am 6. Oktober in vielen amerikanischen Städten die Mitglieder der um die Aufrechterhaltung des Deutschtums in der Fremde bemühten Vereine, um durch Veranstaltung von Freudenmahlen und durch festliche Reden den sogenannten „Deutschen Tag“ gemeinsam zu begehen. Die Feier desselben findet von Jahr zu Jahr mehr Boden und es ist begründete Hoffnung dafür vorhanden, daß der „Deutsche Tag“ mit der Zeit zu einem echten, vom gesamten Deutschtum in Amerika begangenen Nationalfesttag werde. Und das mit Recht! Soll er doch die Erinnerung lebendig halten an die mehr als zwei Jahrhunderte hinter uns liegende Zeit, wo deutsche Auswanderer zuerst dazu schritten, in der Neuen Welt eine rein deutsche Ortschaft zu gründen.

Die Geschichte dieser Gründung ist interessant und wichtig genug, um die Aufmerksamkeit aller über den ganzen Erdball verstreuten Landsleute zu fesseln, vornehmlich der Leser der „Gartenlaube“, die ja von jeher den Deutschen in der Fremde ihre Teilnahme in so hohem Grade zugewendet hat.

Ein Auswandererschiff
am Ende des 17. Jahrhunderts.

Seit Mitte des 16. Jahrhunderts bestand in Norddeutschland die Sekte der Mennoniten, Anhänger des 1492 in Friesland geborenen Menno Simon, der, ursprünglich ein Priester der katholischen Kirche, sich von derselben losgesagt hatte und in reformatorischem Sinne predigte. Er empfahl seinen Anhängern Reinheit, Sittlichkeit und Herzensmilde, ermahnte sie, sich alles unnötigen Aufwandes in Kleidung und Lebensweise, ferner des Gebrauchs der Waffen, des Schwörens von Eiden und der Teilnahme an weltlicher Regierung zu enthalten, um desto inniger den wahren Glauben erfassen zu können. Die Mennoniten waren demnach in der ausgesprochensten Weise gottesfürchtige Menschenkinder, denen es um die Wiederherstellung des schlichten, aber innigen altchristlichen Gemeindelebens zu thun war. Gleiche Bestrebungen zeichneten auch die hauptsächlich über Holland und England verbreiteten Quäker aus, mit denen sie unausgesetzt Beziehungen unterhielten. Beide Sekten waren den härtesten Verfolgungen seitens der Andersgläubigen unterworfen. Die Regierungen gewährten ihnen um so weniger Schutz, als sie in der Weigerung der Sektierer, Kriegsdienste zu verrichten und Kriegssteuern zu bezahlen, verdächtige Neuerungen witterten, die dem auf militärischer Gewalt beruhenden Staatswesen große Gefahr bringen könnten und darum im Keim erstickt werden müßten. Vornehmlich solange die Niederlande noch unter der Herrschaft der Spanier standen, hatten die Quäker und Mennoniten entsetzliche Leiden zu erdulden. Ihrer 6000 wurden verbrannt oder mit dem Schwert hingerichtet. In Süddeutschland und der Schweiz verfielen über 3000 dem gleichen Schicksal. Erst nach 1597 ließen diese furchtbaren Hetzen nach; aber bis ins vorige Jahrhundert hinein wurden Quäker und Mennoniten mit Beschlagnahme ihres Vermögens, mit Gefängnis und körperlicher Züchtigung bedroht.

Trotzdem erhielten sich in Deutschland mehrere Mennonitengemeinden, und zwar in Hamburg, Altona, Lübeck, Danzig, Emden, Krefeld, Frankfurt a. M. und Griesheim bei Worms. Sie standen nicht nur in geheimem Verkehr miteinander, sondern erfreuten sich bisweilen auch des Besuchs holländischer und englischer Qnäkermissionare. Einer der letzteren war William Penn, der berühmte Begründer des heutigen Staates Pennsylvanien. Er erschien zweimal in Deutschland, 1671 und 1677, predigte vor den Mennonitengemeinden im Rheingebiet und hinterließ bei denselben einen tiefen, nachhaltigen Eindruck. Als Penn sich später entschloß, an Stelle einer von seinem Vater, einem berühmten englischen Admiral, ihm hinterlassenen, 16 000 Pfund Sterling betragenden Forderung an die englische Regierung eine bedeutende, in Nordamerika gelegene Strecke Landes anzunehmen und dieses Besitztum zu einer Zuflucht für alle zu machen, die in Europa ihres Glaubens wegen verfolgt wurden, ließ er auch an die Mennoniten in Frankfurt, Griesheim und Krefeld Sendschreiben ergehen, durch welche sie eingeladen wurden, nach der jenseit des Oceans gelegenen Freistätte zu kommen. Dieser Einladung entsprachen die Mennoniten um so lieber, als Penn ihnen das zur Anlage von Ansiedlungen benötigte Land zu äußerst günstigen Bedingungen anbot. Je 100 Acker verkaufte er für nur 40 Schillinge. Wer nicht kaufen wollte, konnte den Acker für einen Jahreszins von nur 1 Penny pachten. Dies vorteilhafte Angebot, sowie die Aussicht, in Pennsylvanien ungehindert ihren religiösen Anschauungen leben zu können, bestimmte die in Frankfurt wohnenden Mennoniten zur Erwerbung von 25 000 Acker. Die Krefelder sicherten sich das Anrecht auf 18 000 Acker. Um den Kaufpakt abzuschließen, das Land auszusuchen und die nötigen Vorbereitungen für die Ankunft der Auswanderer zu treffen, entsandten die beiden Gemeinden einen jungen Rechtsgelehrten, der nach Absolvierung seiner Studien auf den Universitäten Straßburg, Basel und Jena mancherlei Reisen durch das westliche Europa vollführt und später in Frankfurt sich der dortigen Mennonitengemeinde angeschlossen hatte. Sein Name war Franz Daniel Pastorius. Er landete am 20. August des Jahres 1683 in Philadelphia.

Das Siegel von Germantown.

Jene kurz zuvor von William Penn gegründete „Stadt der Bruderliebe“, die sich heute mit ihrem Häusermeer über viele Quadratmeilen Landes ausbreitet, war damals in ihren allerersten Anfängen begriffen. Ihre ^ . Bewohner hatten einen förmlichen Kampf gegen den schier

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0629.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)