Seite:Die Gartenlaube (1899) 0612.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

ist der malerische Vorwurf unseres Bildes. Der Künstler läßt auf dem zweiten Bildchen oben rechts die Strahlen des Monds auch in das Kämmerlein der Witwe fallen, für welche die Wackeren auf dem Kornfeld die Arbeit verrichten und in deren mütterlicher Hut das des Vaters beraubte Kindlein schlummert.

Das Schulze-Delitzsch-Denkmal in Berlin. (Mit Abbildung.) Der Begründer der deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Hermann Schulze, dem bereits in seiner Vaterstadt Delitzsch ein Denkmal errichtet wurde, hat nun auch in der Reichshauptstadt ein solches erhalten. Dasselbe erhebt sich auf dem Inselplatz inmitten eines der größten Industriebezirke Berlins; am 4. August hat die feierliche Enthüllung stattgefunden, wobei Rudolf Virchow die Verdienste des Mannes pries, dem die deutsche Industrie und Arbeiterwelt so große praktische Förderung zu danken gehabt hat. Die Uebernahme des Denkmals in den Schutz der Stadt erfolgte durch Bürgermeister Kirschner, und auch dieser feierte den tapferen und weitschauenden Volksmann, der vor fünfzig Jahren die erste Berufsgenossenschaft ins Leben rief und 1859 den Allgemeinen Verband der deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften gründete. – Das Denkmal, dessen Schöpfer der Bildhauer Hans Arnoldt in Charlottenburg ist, trägt auf einem kräftigen Granitpostament das Standbild aus weißem carrarischen Marmor. Der Charakter Schulze-Delitzschs ist in Haltung und Gebärden ausgezeichnet wiedergegeben. Auf den Stufen des Postaments finden sich zur Rechten und Linken Gruppen aus Bronzeguß. Die eine zeigt einen sitzenden Landmann, der von einem ihm freundlich die Hand reichenden Handwerksmann über das Genossenschaftswesen aufgeklärt wird. An der anderen Seite sitzt auf den Stufen eine Frau aus dem Volke, die ein geöffnetes Buch auf dem Schoß hält und einen Knaben im Rechnen unterweist.

Das Schulze-Delitzsch-Denkmal in Berlin.
Nach einer Aufnahme von Carl Marisal in Berlin.

Bambusallee im Versuchsgarten zu Algier. (Zu dem Bilde S. 609.) Bald nach der Eroberung Algeriens durch Frankreich, bereits 1832, wurde in Algier auf Anregung der französischen Regierung der „Versuchsgarten“ angelegt mit dem Zwecke, die Kultur von allerhand Nutzpflanzen in dem Klima des nordafrikanischen Küstenlands zu erproben. Besonders die Versuche mit der südafrikanischen Flora erwiesen sich sehr fruchtbar und kamen der Kultivierung des algerischen Bodens zu gute. Aus kleinen Anfängen haben sich die Anlagen zu einem herrlichen Park entwickelt, welcher besonders von den Fremden gern aufgesucht wird als eine schattenreiche Zuflucht auch an den heißesten Tagen. Von der üppigen Vegetation, welche im Jardin d’Essay herrscht, zeigt unser Bild einer Bambusallee eine überzeugende Probe. Der Versuchsgarten liegt auf der Südseite der Stadt, zwischen dem Vorort Mustapha und dem Exerzierplatz. An dieser Stelle landete im Jahre 1541 das Invasionsheer, welches Karl V gegen den Korsarensultan Dschereddin Barbarossa führte.

Der Fünfmastklipper „Potosi“ bei Kap Horn. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die Annahme, daß die Dampfer das Segelschiff vollständig verdrängen, ist eine irrige. Seit die Technik im Schiffsbau es ermöglicht, äußerst schnelle Segler mit hohem Raumgehalt zu schaffen, hat die Zahl der Segelschiffe eher zu- als abgenommen. Ein Dampfer von 3- bis 4000 Tonnen verursacht außer den hohen Anschaffungskosten unvergleichlich höhere Betriebsausgaben als ein Segler. Die Maschine und die Kohlen nehmen viel Raum in Anspruch, während der Segler den ganzen Raum für die Ladung verwenden kann. An Personal verlangt der Dampfer die dreifache Anzahl bedienender Mannschaften wie der Segler. Dazu kommt vor allen Dingen, daß, günstige Umstände vorausgesetzt, die heutigen Schnellsegler ihre Reisen in nicht viel weniger Zeit ausführen als die Frachtdampfer.

Bis Mitte des Jahrhunderts waren fast alle Schiffe von der mehr oder weniger plumpen Bauart, die wir noch heute bei alten Seglern in unseren Häfen finden. Die Amerikaner bauten zuerst schnellsegelnde Fahrzeuge für den Dienst zwischen New York und San Francisco, „Clipper“ genannt, nach dem Umstande, daß sie bei vollständig leerem Raume umkippten (to clip). Die fortschreitende Technik vervollkommnete diese Fahrzeuge, und neuerdings sehen wir den Segelschiffsbau gerade in Deutschland zu hoher Blüte sich entfalten. Das moderne Segelschiff ist ein vollständig anderer Bau als das ehemalige. Rumpf, Masten, Rahen und Bugspriete von gehärtetem Stahl sind von äußerster Zähigkeit und dabei im Verhältnis zu den riesigen Dimensionen leicht. Die modernen Klipper halten etwa 2- bis 5000 Tonnen und sind je nach ihrer Größe Drei- bis Fünfmaster. Jeder Mast trägt 5 bis 7 Rahen, so daß die größten Schiffe, wenn alles beigesetzt ist, etwa 45 bis 50 Segel zu stehen haben.

Das größte, schnellste und prächtigste Segelschiff der Welt „Potosi“, der Reederei von F. Laeisz in Hamburg gehörig, trägt die deutsche Flagge und ist auf der deutschen Werft von Joh. C. Tecklenborg zu Geestemünde erbaut worden. Ein langer, schmaler, zierlich aussehender Rumpf trägt fünf hohe, schlanke Masten, an denen mächtige Rahen teils fest sind, teils auf und nieder fahren. Geführt wird die „Potosi“ von Kapitän Hilgendorf. Das Fahrzeug hat die schnellsten Reisen, die je ein Segler gemacht hat, ausgeführt; seine Hauptleistung bestand in der Fahrt von England nach Valparaiso in 57 Tagen. Es gewährt einen großartigen Anblick, das herrliche Fahrzeug mit 16 bis 17 Meilen Geschwindigkeit durch das Wasser rasen zu sehen. Bei Kap Horn warten der Schiffe schwere Tage der Prüfung. Was kümmert sich jedoch die „Potosi“ und ihr Führer um Sturm und Wogendrang! Fest ist das Schiff, und fest sind die Männer an Bord. Schlank und leicht gleitet die „Potosi“ über die hohen Wellenberge hinweg. H. B.     



[Es folgt hier nicht wiedergegebene Werbung des Verlags Ernst Keil’s Nachfolger für die Werke „Goethes Jugend“ (J. Scherr) und „Brausejahre“ (A. von der Elbe).]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0612.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)