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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

und 1895 und fand, daß die Wasser derselben an der Oberfläche im erstgenannten Jahre von der norwegischen Küste bis zum englischen Kanal mehr als 6° warm waren, im Februar 1895 war dagegen das wärmere Wasser nirgendwo über 6° und die ganze südliche Nordsee sogar von ungewöhnlich kaltem Wasser überflutet. In den Wintermonaten 1894 blieb aber das Wetter in allen skandinavischen Ländern sehr mild, während die entsprechenden Monate des Jahres 1895 sehr kalt waren.

Es giebt also auf dem Nordseegebiet bezüglich der Meerestemperatur warme, kalte und normale Winter, und wie Pettersson ferner fand, tritt der Charakter dieser Winter schon am Beginne der kalten Jahreszeit in der Wassertemperatur deutlich hervor. Wenn man daher genaue und umfassende Beobachtungen dieser Wassertemperatur nicht nur in der Nordsee, sondern auch im norwegischen Meere und im nordatlantischen Ocean anstellt, so wird man daraus schon im Dezember wichtige Schlüsse über den Charakter des kommenden Winters ziehen können. Diese Schlüsse werden um so sicherer sein, wenn der bevorstehende Winter ein extremer, also entweder ungewöhnlich kalt oder ungewöhnlich warm sein wird, also gerade in den Fällen, die vorauszuerkennen am wünschenswertesten ist.

Ein deutscher Meteorologe, Dr. Meinardus, hat die Untersuchungen des schwedischen Forschers noch ein Stück weiter geführt. Er fand u. a., daß die Durchschnittstemperatur des Januar und Februar in Berlin während des Zeitraums 1874–1896 mit Ausnahme von zwei Fällen dieselben Schwankungen zeigte wie die Wassertemperaturen an der norwegischen Küste. Ja noch mehr. Er fand auch, daß man mit großer Sicherheit die Temperaturverhältnisse der Monate Februar, März, April in Mitteleuropa, speciell im deutschen Küstengebiet, vorherbestimmen kann, wenn man die täglich in den Zeitungswetterberichten veröffentlichten Temperaturen der Station Christiansund (in Norwegen) in dem Vierteljahr November bis Januar zu Rate zieht.

Ist es dort wärmer als der gleiche Zeitraum des vorhergehenden Jahres, so wird in Mitteleuropa höchst wahrscheinlich der Zeitraum Februar–März und März–April auch wärmer sein als im Vorjahre. Das Gleiche gilt umgekehrt, wenn es in Christiansund kälter ist. Da aber die Lufttemperatur in Christiansund mit der Temperatur des dortigen Küstenwassers, also auch mit der des Golfstromes, in gleichem Sinne sich ändert, so kann man nach Meinardus allgemein sagen: „Einer hohen (resp. niedrigen) Temperatur des Golfstromes an der norwegischen Küste im Vorwinter (November bis Januar) folgt gewöhnlich eine hohe (resp. niedrige) Temperatur in Mitteleuropa im Nachwinter (Februar bis März) und Vorfrühling (März bis April).“

Das ist ein praktisch interessantes und wertvolles Ergebnis, und auf Grund desselben werden wir in den nächsten Jahren in der Lage sein, wenigstens im allgemeinen vorausbestimmen zu können, ob der Winter und der Vorfrühling besonders streng oder sehr mild ausfallen werden. Einzelheiten können natürlich auf diesem Wege nicht vorausgesagt werden, aber dies ist überhaupt auf längere Zeit hinaus bezüglich des Wetters unmöglich. Der mächtige Einfluß des Golfstromes auf das Klima Europas tritt gerade auch in diesen Aenderungen deutlich zu Tage und es wird nun Aufgabe der ferneren wissenschaftlichen Forschung sein, zu ermitteln, wodurch die Schwankungen in der Lage und Mächtigkeit dieser warmen Meeresströmung veranlaßt werden. Höchstwahrscheinlich haben wir die Ursache davon in der heißen Zone zu suchen, denn die Sonnenstrahlung ist es zuletzt allein, welche die Bewegungen auf der Erdoberfläche verursacht.


Zugesel, nicht Zughunde!

Ein Wort zum Tierschutz.

Friedrich Theodor Vischer hat in seinem trefflichen Buche „Auch Einer“ einem Manne ein schönes Denkmal gesetzt, der mit dem polternden Zorn eines alten Griesgrams und dem weichen Gemüt eines Kindes sein ganzes Leben hindurch gegen die „Tücke des Objekts“ einen aussichtslosen Kampf führt, den aber sein goldenes Herz über alle großen und kleinen Uebel dieser Welt hinwegbringt. Es ist kein Zufall, daß der Dichter den prächtigen Menschen als einen warmen Freund der Hunde hinstellt und diesen Zug seines Wesens immer wieder betont. Als „Auch Einer“ über den Gotthard geht und einen Hund keuchend den schweren Wagen den Berg hinaufschleppen sieht, da schenkt er dem Besitzer das Geld, sich einen Esel anzuschaffen, und ist glücklich, als er nach Jahren den Mann im Besitze eines Grautiers äußerst zufrieden wiederfindet.

Der Gedanke, den Zughund durch den Zugesel zu ersetzen, ist neuerdings vom Deutschen Tierschutzverein aufgenommen worden, und wie es scheint, dürfte es gelingen, ihn erfolgreich in die That umzusetzen.

Man geht dabei von der Ansicht aus, daß es eine Tierquälerei ist, den Hund zum Ziehen zu benutzen, da seine Körperbeschaffenheit und sein Temperament in keiner Weise zu einer solchen Arbeit geeignet sind. Das Zugtier muß einen festen, harten Fuß haben, der starken Druck ohne Schaden aushalten und außerdem noch gegen Reibung und Abnutzung durch einen Beschlag geschützt werden kann, wie das bei Pferd, Esel und Rind der Fall ist. Die Pfote des Hundes dagegen ist weich, vielteilig, zwischen den Zehen nur durch eine feine Haut gedeckt und äußerst empfindlich. Einen Beschlag verträgt sie nicht; bei starkem Druck werden die Zehen auseinandergepreßt, Scherben und Nägel können leicht eingetreten werden. Der hartgefrorene Boden im Winter reibt den Fuß schnell wund, das Salzwasser, das in den Straßen der Großstadt zur Beseitigung des Schnees dient, frißt sich in das Fleisch ein und verursacht quälende Schmerzen. Die Beinknochen des Hundes sind verhältnismäßig schwach. Er kann laufen und springen, ziehen ist ihm nicht natürlich. So kommt es, daß die meisten Zughunde bald fußkrank werden oder sich wider Willen und Begabung zu einer Art von Sohlengängern entwickeln, wie der Bär es ist. Das Rückgrat des Hundes ist schwach und beweglich, das der eigentlichen Zugtiere starr und stark. Sein Gang geht nicht geradeaus, sondern schräg seitwärts, „eigentümlich schief“, wie Brehm sagt; er ist also nicht in der Lage, sich mit voller Wucht ins Geschirr zu legen. Dazu kommt, daß er ursprünglich ein Raubtier ist, unstät, beweglich, flüchtig. Sein Temperament ist lebhaft, es ist gegen seine innerste Natur, im gleichmäßigen Zugschritt zu gehen. So zieht er denn auch gewöhnlich mit großem Ungestüm an und ermüdet sich schnell. Die kurze, fliegende Atmung wird durch den Druck des Geschirrs, durch die unpassende Arbeit oft bei großer Hitze ins Ungemessene zur Qual des Tieres gesteigert. „Jede unvernünftige, der Natur eines Tieres zuwiderlaufende Verwendung desselben,“ sagte Dr. A. Sondermann, kgl. bayr. Hofstabsveterinär, auf dem IX. internationalen Tierschutzkongreß zu Wien, „ist Mißbrauch, Tierquälerei. Der Mensch hat die Begabung, die Tiere nach ihren Eigenschaften und Kräften, nach ihrer Bauart für gewisse Zwecke abzurichten, gebrauchsfähig zu machen: er wird den Ochsen nicht zur Jagd gebrauchen wollen, das Pferd nicht als Wächter aufstellen und den Hund nicht als Zugtier verwenden.“

Nichtsdestoweniger ist in Deutschland und besonders im Norden der Hund noch immer das Zugtier des kleinen Mannes. Aber das soll und wird anders werden. Was in England möglich war, wo schon seit dem Jahre 1839 die Benutzung des Hundes als Zug- und Lasttier bei Strafen von 40 bis 100 Mark verboten ist, das muß auch in Deutschland möglich sein! Daß ein Ersatz für den Zughund sehr wohl zu beschaffen ist, lehrt wieder ein Blick auf England mit seinen little donkey-carts (kleinen Eselkarren), die man überall auf der Straße trifft, zeigt nicht minder ein Blick auf Italien. „Die Züchtung von Eseln,“ schreibt Mr. Colam, der Sekretär des Londoner Tierschutzvereins, „geschieht in allen Teilen Englands, vornehmlich an der Ostküste, in Schottland, Irland und Süd-Wales. Kräftige, gesunde Tiere kosten je 2 bis 5 Lstrl. (40 bis 100 Mark), ein gutes Geschirr etwa 2 Lstrl. (40 Mark) und ein guter Karren der landesüblichen Art 3 bis 4 Lstrl. (60 bis 80 Mark). Die Haltung der Tiere kostet da so gut wie nichts, wo sie auf die Weide gebracht werden und sich mit Nahrungsstoffen begnügen, die das Pferd verschmäht.“ Die Anschaffungskosten für Wagen und Geschirr sind also bei Esel- und Hundefuhrwerk ungefähr die gleichen. Dagegen scheint der Hund zunächst billiger zu sein, da er schon für 15 bis 50 Mark zu haben ist. Diese Wohlfeilheit ist aber in der That nur scheinbar, denn während der Hund durchschnittlich sechs Jahre arbeitsfähig bleibt, erreicht der Esel bei vernünftiger Behandlung bequem eine Dienstzeit von zwanzig Jahren. Dabei ist seine Leistungsfähigkeit mindestens dreimal so groß wie die des Hundes. Auch versagt er weder bei Kälte noch bei Hitze, wie dies beim Hunde öfters der Fall ist. Krankheiten und Hufschäden kommen bei ihm fast nie vor. Allerdings muß er beschlagen werden, dafür ist er aber auch nicht dienstuntauglich wie der oft fußkranke Hund. Ferner ist bei der Preisfrage auch zu bedenken, daß ein arbeitsunfähig gewordener Hund völlig wertlos ist, während der Verkauf des Esels beim Roßschlächter immer noch 15 bis 30 Mark einbringt.

Einige Schwierigkeiten macht, besonders in großen Städten, naturgemäß die Stallungsfrage. Der Hund teilt zur Not das Zimmer seines Herrn. Der Esel braucht einen besonderen Raum. Aber auch diese Schwierigkeit dürfte sich mit der Zeit verringern, zumal der genügsame Esel schon mit einem Kellergelaß, wenn es nur trocken ist, befriedigt wird. Auf dem Lande dürfte von einer Schwierigkeit so wie so keine Rede sein. Die Fütterung des Esels ist nicht kostspieliger als die eines gut gehaltenen Hundes, da der Esel, wie gesagt, außerordentlich genügsam ist. Im Berliner Tierschutzverein stellten sich die Kosten pro Tier und Tag für 10 Pfund Heu und 2 Pfund Häcksel mit Hafer auf 35 bis 40 Pfennig. Dabei

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0596.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2022)