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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Photographie im Verlag von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. Els.
Neckerei.
Nach dem Gemälde von Ch. Landelle.


Ist denn das noch eine Ehe? dachte er und schloß die Augen. Jetzt fiel ihm aber ein, daß er nicht allein war; er hatte wohl auch eine Bewegung, ein Geräusch gehört. Indem er die Depesche auf den Schreibtisch legte, sah er über den Neffen hin. „Du hast dich ja so fein gemacht. Willst du noch nach Dresden?“

Hans nickte vergnügt. „Ich hab’ ein paar Besorgungen in der Stadt; bei der Gelegenheit möcht’ ich bei den Tanten vorsprechen, – natürlich wenn du’s erlaubst. Nun ist ja auch Cousine Luise da. Muß sie doch begrüßen.“

„Natürlich.“

„Und dann überhaupt – in der Villa Viola soll es jetzt sehr lustig sein. Interessanter Besuch aus Berlin; dazu die fidelste Dresdener Gesellschaft. Immer was los!“

Hochfeld blickte den jungen Nachwuchs mit etwas spöttischem Lächeln an. „Dir blitzt ja die Lebenslust förmlich aus den Augen,“ sagte er dann, durchs Zimmer gehend. „O ja, da ist ‚immer was los‘. Das richtige moderne Deutschland; seit wir ein reiches Volk werden, mehrt sich auch der Uebermut. Immer Geld ausgeben, immer uns amüsieren, uns amüsieren – und Sozialdemokraten züchten! Das verstehn sie in der Villa Viola. Die Villa Viola immer mit voran!“

Hans verzog aus Respekt keine Miene; auf seinem offenherzigen Gesicht stand aber doch leserlich genug geschrieben: du kannst lange reden, eh mir was gefällt! – Nein, dachte er und wunderte sich: wie dieser Onkel Julius sich verändert hat. Vor zwei, drei Jahren, wie famos konnt’ er lachen; ein ganz entschieden fideles Haus. Und jetzt – entweder sinnt er vor sich hin und spricht lang’ kein Wort – oder es kommt alles so gallig heraus. Der lebt eben viel zu einsam. Der sollt’ in die Welt!

Onkel Julius war an die große Glasthür getreten, die in den Garten führte; er kam wieder zurück. „Früher,“ murmelte er, „da war’s anders! – In Dresden, mein’ ich. Aus meiner Knabenzeit erinner’ ich mich: neben der Villa Viola stand eine andre, auch sehr schöne, da wurden auch wir Jungens manchmal eingeladen, spielten im Garten, an der Elbe, oder in den Zimmern. Manchmal wohl an hundert Menschen beisammen; vortreffliche, reichliche Bewirtung, große Fröhlichkeit; aber gar kein Prunk. Vornehm und urgemütlich! Am frühen Nachmittag fing’s an; Punkt zehn Uhr war’s aus. Dann erschien der Hausherr, der alte Großvater, den man bis dahin gar nicht gesehen hatte; der kleine Mann mit dem großen, klugen, sonderbaren Kopf ging durch alle Zimmer, grüßte alle Leute – so mit der Hand, ich seh’ es noch – und verschwand dann wieder, Gott weiß wo. Das war das Zeichen zum Aufbruch: alle Mann hinaus!“

Hans stieß ein kleines Lachen hervor. „Das ist komisch, Onkel!“

„Meinetwegen war’s komisch. Aber wenn man nun an die Hausthür kam, so hielten da so viele Wagen, alle vom alten Großvater gestellt, daß jeder nach Hause fahren konnte; kein Mensch brauchte zu Fuß zu gehn. Das war gar nicht übel, Hans! Hat mir sehr gefallen. Eine gute, drollige Gastfreiheit; – sonst aber keine Spur von Prunk. Dagegen jetzt bei unsern Morlands, in der Villa Viola – na, und überhaupt. Ein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0533.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2022)