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verschönerte sie, namentlich auch dadurch, daß er die zahlreichen Büsten der berühmtesten Italiener in den Alleen aufstellte.

Die Klänge von Wagners „Walkürenritt“ wecken uns. Es ist vier Uhr geworden, und das römische Stadtorchester in seinen grünen Umformen und den grünbebuschten Bonapartehüten hat unter Meister Vessellas trefflicher Leitung das Konzert begannen.

Ein wackerer Mann, dieser Herr Vessella, auch in Deutschland nicht unbekannt, da er schon eine Tournee durch die größten deutschen Städte gemacht hat. Was schier unmöglich schien, erreichte er. Es giebt kein konservativeres Volk als das römische, und darum wehrte es sich verzweifelt gegen die „Invasion der Wagnerschen Disharmonien“. Vessella jedoch, taub gegen alle akustischen Zeichen des Mißvergnügens, blieb fest und spielte in jedem Konzerte so lange Wagner, bis „Lohengrin“, „Walküre“ und „Götterdämmerung“ dem Publikum vertraut wurden.

Das Publikum! Wir sehen es auf unserem Bilde S. 520 und S. 521. Kosmopolitisch ist’s; denn es ist Spätherbst, und die Reise- und Pilgersaison hat wieder begonnen. Hier die in roter und blauer Seide funkelnde Amme aus dem Sabinerlande, dort gleißen die purpurroten Talare der Priesterkadetten aus dem Collegium Germanicum. Vor dem deutschen Fremden im Lodenmantel drängt das Blumenmädchen, ein Hirtenkind aus dem Volskergebirge, dem römischen Stutzer ein Sträußchen auf. Im Vordergrunde aber disputieren vor dem befrackten Carabiniere aus den Schneebergen Piemonts zwei französische Geistliche … Dem Völkergemisch entspricht das Sprachengewirr. Im Hintergrunde erblicken wir auf der breiten Straße – die Wagenburg.

Der Pincio ist die Krone der täglichen Korsofahrt, und dieser tägliche Korso bildet ja den Lebenszweck aller römischen Damen, die zur Gesellschaft gehören. Den halben Tag bleibt die feine Römerin im Negligé daheim, bis es Zeit ist, Korsotoilette zu machen; dann besteigt sie mit dem Gatten die Carozza, und nachdem sie in mehrfacher Hin- und Herfahrt auf der Via del Corso den täglichen Appell über die übrigen Mitglieder der „Gesellschaft“ abgehalten hat, geht es nach einem kurzen Abstecher nach der Villa Borghese zur Rast auf den Pincio, der so zum Stelldichein alles dessen geworden ist, was sonst die Politik grausam trennt. Neben der „schwarzen“ ist auch die „weiße“ Aristokratie vertreten, ja auch die Königin kommt oft in ihrem mit den Lakaien in roter Livree besetzten Hofwagen, ebenso die Prinzen, falls sie in Rom sind, während der König, der lieber vors Thor fährt, seltener erscheint. Die glänzendsten Namen der römischen Geschichte des Mittelalters sieht man vertreten, in reichen Toiletten erscheinen die Damen der Häuser Aldobrandini, Colonna, Borghese, Odescalchi, Doria, Chigi etc. Zu ihnen gesellen sich die Damen des diplomatischen Korps. Kaum halten die Wagen, so eilen die Herren, um im Zickzackgang Besuche abzustatten, von Equipage zu Equipage. Recht formgewandt huldigt man in Rom den Damen, denn die Römerin, die sehr auf guten Anzug, auch bei den Herren, hält, sieht auch sehr auf feine Sprache. Plötzlich stockt die Unterhaltung. Ein Galawagen zieht auf, besetzt von Lakaien in Kniehosen und rotem Frack. Würdevoll, ernst thut Principe di Massimi seine tägliche Pflichtfahrt. Da er von Fabius Maximus Cunctator abstammt, rangiert er unter den souveränen Familien, folglich fährt er auch mit souveränem Pomp.

Wir retten uns aus dem Gedränge in die hinteren Alleen, welche schöne Ausblicke auf den borghesischen Park und die nördlichen Hügel bieten. Viele glückliche Menschen wandeln still zu Zweien, einsame Damen schmachten auf umschatteten Bänken à la Duse – „duseggiare“ nennt der Römer ihr kokettes Thun, nach der berühmten Schauspielerin – vom Kindertummelplatz mischt sich Jubelgeschrei in die Klänge des Orchesters.

Der Abend sinkt. Wir treten zur Terrasse zurück. Der westliche Himmel flammt auf. Die Peterskirche ist auf Goldgrund gemalt. Die Konturen der Stadt verschwinden, die Hunderte von Türmen und Kuppeln versinken im violetten Duftmeer und gespenstisch wächst Michelangelos Riesenschöpfung, die Kuppel des Petersdoms, in die Höhe. Der Pincio leert sich, nur manch ein empfindsamer deutscher Rompilger, der an die Abfahrt denken muß, weilt noch seufzend an der Balustrade, festgebannt von dem Goldmeer, in dem der Vatikan schwimmt. Wie gerne möchte er dem davoneilenden Sonnenwagen in die Speichen fallen. Doch die Nacht bricht ein – und nachts wird der Pincio geschlossen.




Der Dortmund-Ems-Kanal.

Von E. Meinhard.


Vor einigen Jahrzehnten, als die westfälische Eisen- und Kohlenindustrie sich immer mehr entwickelte, trat in den Kreisen der Großindustriellen der „roten Erde“ das Bedürfnis nach künstlichen Wasserstraßen lebhaft hervor. Lange Zeit trug man sich mit dem Gedanken, die Hauptorte des niederrheinisch-westfälischen Industriebezirks mit den bedeutenderen Hafenplätzen der Nordsee Papenburg, Leer, Emden zu verbinden. Damit bezweckte man, durch billigere Frachtsätze einen besseren Wettbewerb mit den Erzeugnissen des Auslandes aufnehmen zu können und zugleich der heimischen Industrie, namentlich der Westfälischen Kohle, neue Absatzgebiete zu erringen. Dieser Gedanke fand seine Verwirklichung durch den Bau des Dortmund-Ems-Kanals, der am 17. April d. J. dem vorläufigen Betriebe übergeben werden konnte und in diesen Tagen feierlichst eröffnet werden soll.

Die Ueberführung des Kanals über die Lippe bei Olfen.
Nach einer photographischcn Aufnahme von E. Overhoff in Dortmund.

Wie schon der Name – Dortmund-Ems-Kanal – besagt, beginnt der Kanal bei der alten „Freien Reichsstadt“ Dortmund. Das Hafengebiet dieser Stadt, welches eine Größe von 157 ha hat, liegt im Norden derselben. Von diesem großen Gelände ist für den Ausbau des Hafens kaum die Hälfte gebraucht worden, so daß für spätere Erweiterungen, wie sie der gesteigerte Verkehr und der etwaige Bau des geplanten Mittellandkanals mit sich bringen dürfte, noch ungefähr 80 ha zur Verfügung stehen. Etwa 11/2 km von der Stadt entfernt geht der Dortmund-Ems-Kanal allmählich in den Hafen über. Von diesem sogenannten Kanalhafen breiten sich, wie unser Uebersichtsplan S. 531 zeigt, verschiedene Stichhäfen nach Osten und Westen aus. Der erste derselben ist der Petroleumhafen (in der linken unteren Ecke des Plans), der ganz im äußersten Norden liegt, und an dem die feuergefährlichen Güter ein- und ausgeladen werden sollen. Die beiden westlichen Hafenbecken (rechter Hand auf dem Plane) führen die Namen „Kohlen-“ und „Südhafen“. An dem Kohlenhafen ist ein mächtiger hydraulischer Kohlenkipper, der von der Firma Friedr. Krupp (Gruson-Magdeburg) erbaut wurde. Der südliche,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0530.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2021)