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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Die Einsamkeit, meine angeborene Phantasie, das ewige Grübeln und der Schmerz mögen mich wohl zum Dichten getrieben haben. Es ist geradezu hirnverbrannt, wenn man behauptet, ich habe „Gartenlaubengedichte umgearbeitet“. Ich kann nichts umarbeiten, selbst nicht meine eigenen Gedichte. Und Goethe „nachmachen“, wäre gar nicht gegangen, ich kannte nichts von Goethe.

Es mögen 200 Gedichte fertig gewesen sein, als Martha ohne mein Wissen einige Proben der Zeitschrift „Von Haus zu Haus“ einsandte, die auch gedruckt wurden.

Neujahr 1890 suchte mich zum erstenmal die Influenza auf, aber so heftig, daß ich dem Tode nahe war. Ein Arzt konnte nicht genommen werden. Ich lag bis Februar. Mein Töchterchen, damals eingesegnet, wartete mich und besorgte das Essen. Ich hätte einem von meinen Neidern gewünscht, mich damals zu sehen. Unser Einkommen war mit 200 Mark angegeben und kann jederzeit vom Herrn Amtsvorsteher Klinckat in Laukehlischken, Post Lasdehnen, erfragt werden.

1894, wieder im Januar, faßte mich die Influenza und ich lag drei volle Monate zu Bett. Kurz vor meinem Krankwerden hatte Herr Professor Schrattenthal mir eine Probenummer seiner „Rundschau“ gesandt. Ich schickte drei Gedichte zur Probe, er verlangte mehr … Herr Schrattenthal hatte meinen Namen gewiß in „Unser Verkehr“ gefunden, einem Blatte, welches auch einige meiner Gedichte gebracht hat.

Wenn man meint, daß ich jetzt „im Himmel“ bin, irrt sich eben der Mensch. Doch ich habe keine Sorgen mehr darüber, wo ich das Geld zur Pension für meinen Jungen hernehme.

[Johanna Ambrosius.]
Nach einer photographischen Aufnahme
von R. Minzloff in Tilsit.

Weihnachten 1894 erschien mein erstes Buch. Nun kommt mir das alles vor wie die Erfüllung eines schönen Traumes.

Kurz vor dem Feste hatte es wieder sehr traurig mit meiner Kasse ausgesehen. Ich verfaßte in der Küche, selbstverständlich ohne Papier und Stift, das Gedicht „Weihnachtszeit“, welches die „Gartenlaube“ annahm. Es lautet:

„Mein Herz, was weinst du heut’?
’s ist Weihnachtszeit!
Doch ist für meine Lieben
Nichts, gar nichts übrig blieben;
Kein Licht im Haus,
Kein Bäumlein kraus;
Der Weihnachtsmann blieb heute aus.

Ich kann mein Kind nicht seh’n
So lauschend steh’n,
Sein Auge blickt so scheu umher;
‚Mutter, giebt’s keine Weihnacht mehr?
Kein Zuckerbrot?
Kein Aepflein rot?
Ist unser Weihnachtsmann gar tot?’

Ich riß in wildem Weh
Mein Kind zur Höh’:
,Schau nach dem sternbesäten Raum,
Das ist der Armen Weihnachtsbaum.
Sieh, welche Pracht
Der Herr gemacht!‘
Die Mutter weint, das Kindlein lacht!“

Dann kam der Erfolg. Von Weihnachten 1894 ist, glaube ich, kein Tag ohne Briefe vergangen. Die Königin von Rumänien schrieb mir eigenhändig einen Brief, den ich jedem mit Stolz vorlesen kann. Ich gebe ihn aber nicht in die Oeffentlichkeit.

Wie Berlin mich geehrt, wissen Sie ja.[1] Marie Seebach brachte mir einen riesigen Lorbeerstrauß, und Blumen hatte ich massenhaft im Zimmer.

Im Juli des Jahres 1895 fuhr ich zum erstenmal in meinem Leben mit der Bahn. Bad Elster brachte mir einen verlorengegangenen Teil meiner Gesundheit zurück. Dann reiste ich nach der Schweiz; Nürnberg, der Rheinfall, die Aussicht vom Rigi und die herrliche Fahrt über den Bodensee waren schön.

Mein Name ist um die Erde gegangen, ohne eine Aenderung in meinem inneren Menschen hervorgebracht zu haben. Mein Leben ist Mühe und Arbeit gewesen, und ich werde immer arbeiten, so lange ich kann. Ich besitze ein festes Gottvertrauen und weiß, daß Gott allein treu ist. Ich nehme meine Muse als ein Gnadengeschenk Gottes an und werde mir Mühe geben, nur wirkliche gesunde Nahrung den Menschen zu geben. Ich suche nie nach Motiven, dichte oft 3 bis 4 Monate kein Lied, dann auf einmal mehrere an einem Tage ….

Schon manchem Fragesteller habe ich Berichte über mein Leben geschrieben, doch wenn diese mir gedruckt zugingen, waren sie fast immer entstellt. Schrieb ich: ich war arm, hieß es: sie hat gehungert. Schrieb ich: ich war krank, hieß es: sie ist gekrümmt und schreibt mit groben Händen Zeile für Zeile mühsam. Jetzt habe ich fast Angst, noch etwas zu berichten, da alles so entstellt worden ….

Verzeihen Sie gütigst das Kunterbunt des Briefes; ich hatte Wäsche und mußte immer abbrechen. Denken Sie sich, für das Honorar, welches Sie mir sandten, kaufte ich mir eine Wäschemangel! Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für den Glückwunsch zum Ehrenpreise.[2] Ja, das kam so unverhofft, wie – das Glück!



  1. Die Dichterin wurde im Frühjahr 1896 vom Verein „Berliner Presse“ zu einem seiner Vortragsabende eingeladen und trug dort unter außerordentlichem Beifall einige ihrer Gedichte vor.
  2. Mit dem Ehrenpreis ist ein der Dichterin zuerkannter Preis aus der „Bauernfeldstiftung“ gemeint.




Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Die Nernstlampe.

Die elektrische Glühlampe, welche vor etwa siebzehn Jahren auf der Elektrotechnischen Ausstellung zu Paris zum erstenmal dem großen Publikum vorgeführt wurde, rief damals eine Revolution in der künstlichen Beleuchtung hervor. Ihr mildes, vornehmes Licht fand nicht einen einzigen ebenbürtigen Rivalen. Sie wäre fraglos sofort in alle Kreise der Bevölkerung eingedrungen, wenn es nicht ihr hoher Preis verhindert hätte!

Die Gastechniker hatten bis dahin mit einer gewissen Gelassenheit ihre Obliegenheiten erfüllt und standen nun plötzlich einem schier unüberwindlichen Gegner gegenüber. Im heißen Kampfe haben sie seitdem versucht, das verlorene Gebiet wieder zu erobern, und es ist ihnen dies thatsächlich mit der Auerlampe gelungen. Allerdings waren es vorwiegend wirtschaftliche Gründe, die der Lampe des Wiener Chemikers zum Siege über das elektrische Licht verhalfen.

Die elektrische Glühlampe, hygieinisch wie ästhetisch die Krone aller Beleuchtungsarten, ist für die Verwendung außerhalb des Heims der Reichen und der großen öffentlichen Etablissements zu teuer. Trotz des fieberhaften Eifers, mit dem die Zauberer unserer Zeit, die Elektrotechniker, sich bemühten, den Uebelstand zu heben, wollte es dennoch nicht in genügender Weise gelingen. Durch die Nernstlampe, von der jetzt alle Welt spricht, dürfte endlich eine elektrische Lampe für das bürgerliche Haus geschaffen worden sein.

Die ältere Edisonglühlampe besteht bekanntlich aus einer luftentleerten Glasbirne, in der sich ein Kohlebügel befindet. Wird der elektrische Strom durch den Bügel geschickt, dann erhitzt sich dieser auf eine sehr hohe Temperatur und verbreitet Wärme und Licht. In einer Lampe kommt es natürlich nur auf die Menge des Lichtes an, und die zugleich entstehende Wärme muß als Verlust betrachtet werden. In der elektrischen Glühlainpe ist der Verlust sehr groß, denn nur drei Prozent der zugeführten elektrischen Kraft setzt sich in Licht um. Wollte man wiederum versuchen, die Temperatur des Kohlebügels zu erhöhen, so würde er ohne weiteres zerfallen, und die Lampe wäre vernichtet.

Es war den Lichttechnikern seit lange klar, daß in dieser Weise nichts Wesentliches mehr zu erreichen sei!

Alle Metalle, auch die Kohle der Glühlampe, sind mehr oder minder gute Elektricitätsleiter. Als Gegenstück hierzu finden sich in der Natur gar viele Körper, die für den elektrischen Strom durchaus nichtleitend sind. Man hat sie deshalb bisher bei Lampenkonstruktionen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 499. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0499.jpg&oldid=- (Version vom 22.9.2020)