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welchen Kaiser Friedrich geschenkt hat, mit besonderer Begeisterung gepriesen wurde, herum und labte sich, bis die lichtgekleideten Hallorenmädchen in Wagen herbeigefahren kamen und somit der Umzug beginnen konnte. Unter Vortritt des sogenannten „Boten“ mit dem lenkenden Stab nahm die Musikkapelle Aufstellung; es folgten der Hauptmann der Brüderschaft, die Vorstände, der Fahnenträger mit der neuen Fahne Kaiser Wilhelms II, sodann die Kranzjungfrauen in Wagen. Es läßt sich schwerlich etwas Lieblicheres denken als so ein frisches Hallorenmädchen in seiner überaus kleidsamen Stammestracht.

Das Fahnenschwenken.

Es trägt einen steifen, hellblauen Glockenrock mit einer darüber geworfenen Spitzenhülle. Ein Mieder von der gleichen Farbe legt sich um die Brust; daraus hervor, sich leicht um Arme und Nacken schmiegend, bauscht sich ein reichgesticktes weißes Hemd. Auf dem Haar sitzt ein prächtiges Häubchen aus Goldfiligran, und um den Hals sind kostbare goldene Kettchen gewunden. Im Zuge stellten sich hinter den jungen Mädchen noch mehrere Fahnenträger auf, dann kamen die übrigen Mitglieder der Brüderschaft, alt und jung. Die Musikkapelle setzte ein und der Zug verließ den Hof der Residenz; durch die dichtgedrängten Scharen der Hallischen Bevölkerung, die dem Treiben der Halloren immer mit regem Interesse folgt, nahm er seinen Weg über die Oleariusstraße am alten Solbrunnen vorbei nach dem schattigen Garten des „Paradieses“, wo er sich dann auflöste. Man nahm an den festlich bereiteten Tischen unter den prachtvollen Bäumen des Paradiesgartens Platz, um beim Klang der Kapelle einen der silbernen Humpen nach dem andern in fröhlicher Stimmung zu leeren. Der Hauptmann der Brüderschaft trat nach einiger Zeit auf das Podium und brachte ein Hoch auf den Kaiser aus, der an den Sitten der Halloren besonderen Anteil nimmt. Darauf ergriff der würdige Obersiedemeister Andreas Ebert, dessen imposante, eindrucksvolle Gestalt allen Hallensern aufs beste bekannt ist, die Fahne des Kaisers, um sie zu den Klängen der Musik auf kunstvolle Weise in schönen, rhythmischen Bewegungen zu schwenken. Diese alte Gepflogenheit, die, wenn sie zu ihrer vollen Wirkung kommen soll, eine besondere Künstlerschaft erheischt, ist mit der Feier des Pfingstbieres von alters her aufs engste verknüpft und macht sozusagen ihren Höhepunkt aus. Der „alte Ebert“ in seinem farbenprächtigen, ordengezierten Kleide, den Dreimaster auf dem mächtigen Haupt, schwenkte die Fahne mit geradezu überraschender Kunstfertigkeit.

Nach der Beendigung des Fahnenschwenkens schickte man sich in lustiger Stimmung an, einer zweiten alten Gepflogenheit nachzukommen, nämlich dem Tanz um die Pfingstmaie. Das gab ein froh bewegtes Bild von einem Farbenspiel, wie es dem Auge nur selten geboten wird. Die Salzbrüder mit ihren langen Röcken schwangen in ihren Armen die schönen Hallorenmädchen, die in Lichtblau und Weiß erglänzten. Auch der eigenartige Zappeltanz, ein Nationaltanz der Halloren, that gute Wirkung. Seit jeher wird er von den beiden Platzknechten beim Pfingstfeste ausgeführt. Ringsum aber war das junge Grün des Frühlings und duftende Blüten. Hier an den Tischen ließ sich die Jugend den altberühmten, reich mit Rosinen versetzten „Hallorenkuchen“ munden, dort plauderten in Gruppen zusammenstehend die älteren der Halloren, indem sie die silbernen Pokale kreisen ließen und sich voll sehnsüchtiger Erinnerung in die goldenen Tage zurückversetzten, wo sie einst selber als junge Bursche um die Pfingstmaie tanzten, jauchzend und blühende Mädchen im Arm. Jene aber, die damals die blühenden Mädchen waren, saßen nun still am dampfenden Kaffeetisch und sahen glücklich dem Tanz ihrer gesunden Söhne und Töchter zu. – Wenn die Jugend einmal beim Tanzen ist, so findet sie so schnell kein Ende, und die Hallorenjugend macht keine Ausnahme darin. So kam denn die Dämmerung und der Abend herauf, und der Mond und die zahllosen Sterne begannen herrlich zu glänzen, die jungen Halloren und ihre Mädchen aber wiegten sich noch immer im Takt der Musik, lachten und sangen und waren glücklich. Ob sich auch hin und wieder ein hübsches Paar verstohlen tiefer in den Garten hinein verirrte, um dort dem schmelzenden Klang der Nachtigall zu lauschen, das weiß ich nicht. Dies aber weiß ich: noch mancher, mancher silberne Humpen köstlichen Pfingstbieres wurde über Nacht geleert.




Die Unglücksfälle in den Alpen.

Von Max Haushofer.


Jahr um Jahr mehren sich die Berichte von Unglücksfällen in den Alpen. Und es sind seltene Ausnahmen, wenn bei solchen Unglücksfällen der eine oder andere der Betroffenen nur über einen gebrochenen Arm oder Fuß zu klagen hat. Die meisten dieser Fälle enden mit todbringender Tragik.

Ihre zunehmende Häufigkeit erklärt sich leicht durch den steigenden Besuch der Alpen. Seit der Erbauung der in und durch die Alpen führenden Eisenbahnen mußte der Reisezug beständig zunehmen. Die Berge an sich sind nicht gefährlicher geworden. Im Gegenteile: durch die rastlose Thätigkeit der alpinen Vereine auf dem Gebiete des Weg- und Hüttenbaues und der Führerausbildung ist ein sehr erfolgreicher Kampf gegen die Gefahren der Hochalpennatur angebahnt worden. Aber stärker als diese Schutz- und Hilfsmaßregeln sind der wachsende Zudrang des Reisepublikums nach den landschaftlichen Schönheiten der Alpen, der Leichtsinn und die Unerfahrenheit der Einzelnen.

Will man gerecht gegen den Alpensport sein, so muß man zugeben, daß seine Opfer weniger zahlreich sind als die Opfer anderer Sportarten. Der Segel- und Rudersport fordert unzweifelhaft weit mehr Opfer als der Bergsport; und wenn man alle jene dummen Unfälle, die durch das unzeitige Losgehen von Jagdgewehren schon verursacht wurden, dem Jagdsport zur Last legen wollte, käme derselbe im Punkte der Gefahr kaum besser weg als der Bergsport. Und der harmlose Sport des Schlittschuhlaufens ist auch Ursache, daß während der winterlichen Frostzeit immer und immer wieder die Totenklage über blühendes junges Leben ausbricht, das unter der trügerischen Eisdecke versank. Wer da anfangen wollte, zu zählen, würde wahrscheinlich zu seinem großen Erstaunen gewahr werden, daß der Alpensport durchaus nicht bedenklicher ist als die meisten andern Sportarten. Was die alpinen Unfälle gegenüber andern so hervortreten läßt, ist der landschaftliche Reichtum der Verursachung; die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0438.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2021)