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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Wettkampf zwischen den vier Malern. Den Gegenstand des Gemäldes, das jeder in gleicher Größe auszuführen hatte, sollte die unter Philipps Vater 1609 erfolgte Vertreibung der letzten Mauren aus Spanien bilden. Velazquez ging aus dem Wettkampf als Sieger hervor. Aber trotz dieses Triumphs, dem auch solche auf dem Gebiete der Heiligenmalerei folgten, blieb sein Hauptfach die Porträtmalerei.

Was ihm damals die Bewunderung des Königs und des Hofs vor allem eintrug, war neben der großen Aehnlichkeit seiner Bildnisse die schlichte Großartigkeit, mit der er in ihnen den spanischen Würdebegriff zum Ausdruck brachte. Die hohe Bedeutung, welche diesen Bildern gerade heute von vielen der bedeutendsten Malern eingeräumt wird, gründet sich dagegen auf die wunderbare Naturtreue in der kraftvollen Farbengebung, welche erreicht zeigt, was diese erstreben. Es ist bezeichnend für des Meisters Art, daß sein erster Aufenthalt in Rom im Jahre 1629 ihm zum Anlaß wurde, Landschaftsbilder nach der Natur zu malen. In Rom, wo ihm Kardinal Barberini ein Atelier im Vatikan anwies, während er in der Villa Medici wohnte, malte er auch sein Selbstporträt, das, in wenig Farbentönen kräftig hingestrichen, eine ungemein lebendige Wirkung ausübt. Wir geben dasselbe auf Seite 357 in Holzschnitt wieder; das Original befindet sich in der Kapitolinischen Gemäldesammlung. Nach seiner Rückkehr nach Madrid entstand jene Reihe von Bildnissen, welche den König, Prinzen und Granden in freier Luft darstellen; es waren meist Reiter- und Jägerbildnisse, was ihrer Bestimmung entsprach, die Säle des königlichen Jagdhauses im Wildpark von Prado zu schmücken. Als die Krone dieser Bilder wird mit Recht dasjenige des Prinzen Don Baltasar Carlos bezeichnet; es bildet den Gegenstand unserer Kunstbeilage. Der sattelfeste kleine Reiter sprengt im Galopp auf einem andalusischen Pony daher. Er trägt eine Jacke von Goldbrokat mit grünem, goldgesticktem Aermelaufschlag, Kollett und Beinkleid von dunkelgrünem, mit Gold verziertem Stoff, schwarzen Hut mit schwarzem Ausputz, Stiefel und Handschuhe von hellbraunem Leder. Wie ein künftiger Feldherr, so führt H. Knackfuß in seiner Schilderung des Gemäldes fort, der wir diese Farbenangaben entnehmen, trägt er eine Schärpe, rosenrot mit Goldfransen, und schwingt einen Kommandostab in der Rechten. Das feiste Pferdchen ist ein Rotschimmel mit braunem Kopf und schwarzen Füßen; Schweif und Mähne sind dunkel und sehr dicht und lang, wie man es damals als unentbehrliches Schönheitserfordernis eines edlen spanischen Pferdes ansah. Sattel und Zaumzeug sind mit Goldstoff überzogen, die Metallteile des Geschirrs vergoldet.

Die Gunst, die Velazquez für solche Leistungen bei König Philipp genoß, bürdete ihm leider in seinen späteren Jahren manche Ehrenämter auf, die ihn in seinen künstlerischen Arbeiten beschränkten. Als der König 1647 den Umbau des alten Königsschlosses in Madrid in Angriff nahm, wurde der Maler mit der Aufgabe betraut, nach dem Muster der Tribuna im Uffizienpalast zu Florenz einen Saal einzurichten, der nur die auserlesensten Werke der Kunst aufnehmen sollte. Der Ankauf solcher Werke bot den Anlaß zu einer zweiten Reise nach Rom. Diesmal konnte er zwar den Papst Innocenz X porträtieren, aber sonst kam er über seinen Geschäften wenig zum Malen. Noch weniger Muße behielt er nach seiner Ernennung zum Schloßmarschall (1652). Als solcher hatte er die Oberaufsicht über des Königs Gemächer; er führte einen Schlüssel, der alle Thüren öffnete, und mußte in dem Palaste, den der König gerade bewohnte, stets zugegen sein. Im Frühjahr 1660 trat König Philipp mit großem Gefolge eine Reise in die Pyrenäen zu einem Stelldichein mit dem König von Frankreich an; den Anlaß bildete die Verlobung der Infantin Maria Teresa mit Ludwig XIV. Velazquez hatte die Aufgabe, dem König vorauszureisen und ihm in Städten und Burgen die Wohnung zu bereiten. Die Zusammenkunft fand auf einer kleinen Insel in dem Grenzfluß Bidassoa statt, wo Velazquez in aller Eile ein Gebäude errichtet und glänzend ausgestattet hatte. Nicht minder anspruchsvoll für ihn waren die nun folgenden Feste. Die Ueberanstrengnng zog dem Künstler eine schwere Erkrankung zu, welcher er am 6. August erlag. Der tief erschütterte Fürst ließ ihn mit den höchsten Ehren bestatten. Nur wenig Bilder des großen Malers finden sich in den Galerien außerhalb Spaniens; die Mehrzahl derselben bildet den Stolz des königlichen Museums im Prado, wo sich auch das Original unserer Kunstbeilage befindet.

Die Stephan-Denkmäler in Berlin. (Zu dem untenstehenden Bilde und dem auf S. 387.) In dem großen Lichthofe des Reichspostmuseums wurde am 1. Mai feierlich das Denkmal enthüllt, das die deutschen Postbeamten dem Andenken des berühmten ersten Staatssekretärs des Reichspostamtes errichtet haben. Sein Schöpfer, der Bildhauer Josef Uphues, hatte eine schwierige Aufgabe zu lösen. Nach dem Wunsche der Auftraggeber sollte er den Reformator des deutschen Postwesens ohne äußeren Schmuck, schlicht und einfach darstellen, wie er alltäglich im Leben erschien. Es ist dem Künstler gelungen, der Nachwelt ein wirklich lebensgetreues Bildnis Heinrich v. Stephans zu schaffen.

Das Denkmal Heinrich von Stephans im Reichspostmuseum zu Berlin.
Nach einer Aufnahme von Ottomar Anschütz G. m. b. H. in Berlin.

Wir sehen auf dem Marmordenkmal den Gefeierten, wie er ruhig und überzeugend eine Rede oder einen Vortrag hält. Ueber einen Globus, der ihm als Stütze dient, ist ein Mantel geworfen. Auf dem runden Sockel sind zwei junge Mädchen, die sich die Hände reichen, als Sinnbilder der Post und der Telegraphie angebracht. – Josef Uphues hat auch das schöne Grabmal modelliert, das die Angehörigen Stephans dem Verewigten gesetzt haben. Seinen Hauptschmuck bildet eine trauernde Frauengestalt mit dem Lorbeerkranz in der Hand.

François Champollion in Aegypten. (Zu dem Bilde S. 361.) Napoleons I Kriegszug nach Aegypten gab den Anlaß zu einer kräftigen Entfaltung der ägyptischen Altertumskunde. Ein französischer Artillerieoffizier Namens Boussard, der 1799 mit dem ersten Konsul nach dem Pharaonenlande gekommen war, entdeckte in der Nähe der Stadt Rosette die berühmte dreisprachige Inschrift aus der Zeit der Ptolemäer, die den Schlüssel zum Verständnis der Sprache und der Schrift der alten Aegypter geliefert hat, denn hier stand der gleiche Text auf Griechisch neben dem der alten Hieroglyphen und dem der sogenannten demotischen Schrift, einer neueren Form der ägyptischen Sprache. Ueber zwanzig Jahre vergingen jedoch, bevor es den Gelehrten gelang, aus der Inschrift von Rosette die wahren Sprach- und Schreibgesetze der alten Aegypter abzuleiten. Der Ruhm davon kommt in erster Linie François Champollion dem Jüngeren zu, denn sein im Jahre 1824 erschienenes Buch „Précis du Système hièroglyphique“ ist grundlegend geworden für alle späteren Forschungen.

Champollion war am 23. Dezember 1791 in Figeac in Südfrankreich geboren, warf sich nach dem Vorbild seines älteren Bruders Jacques auf die Altertumsforschung und widmete sich nach kurzer Thätigkeit als Geschichtsprofessor in Grenoble ganz dem Studium der Aegyptologie. Schon mit 23 Jahren ließ er ein großes Werk über „Aegypten unter den Pharaonen“ erscheinen und mit 33 sein epochemachendes Buch über die Hieroglyphen. Obschon er sich aber mit Leib und Seele diesem Studium gewidmet hatte, konnte er erst sehr spät seinen heißen Wunsch befriedigen, das Land seiner Sehnsucht mit eigenen Augen zu sehen. Erst im Jahre 1828 erhielt er von der französischen Regierung den Auftrag zu einer wissenschaftlichen Forschungsreise im Lande der Pharaonen, die ihn zwei Jahre lang fesselte. Nach Frankreich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0386.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2020)