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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Inhalt.
Seite
Nur ein Mensch. Roman von Ida Boy-Ed (3. Fortsetzung) 357
Das Volkstrachten-Museum in Berlin. Von Gustav Klitscher. Mit Illustrationen von Ewald Thiel 368
Deutsche im Auslande. Eine Reisestudie von Johannes Schmal 371
Tragödien und Komödien des Aberglaubens. Das siebente Buch Mose. Von Hans Boesch 372
Bauern-Pferderennen in Südtirol. Von Karl Wolf 373
Das Schweigen im Walde. Roman von Ludwig Ganghofer (Schluß) 374
Schneewächten. Von Theodor Wundt. Mit Illustration von R. Reschreiter 385
Blätter und Blüten: Velazquez. (Zu dem Bilde S. 357 und unserer Kunstbeilage.) S. 385. – Die Stephan-Denkmäler in Berlin. (Zu den Bildern S. 386 und 387.) S. 386. – François Champollion in Aegypten. (Zu dem Bilde S. 361). S. 386. – Sonntagmorgen auf der Stadtmauer. (Zu dem Bilde S. 365.) S. 387. – Ertappt. (Zu dem Bilde S. 376 und 377.) S. 387. – Kunstwebeschule des Lettevereins in Berlin. S. 387. – Das Demmersche Haus in Braunschweig. (Zu dem Bilde S. 388.) S. 387. – Neues von dem „Schiff der Wüste“. S. 388.
Illustrationen: Velazquez. Selbstbildnis des Malers. S. 357. – Der Altertumsforscher Champollion der Jüngere bei den Memnonssäulen in Aegypten. Von M. Orange. S. 361. – Sonntagmorgen auf der Stadtmauer. Von Paul Hey. S. 365. – Abbildungen zu dem Artikel „Das Volkstrachten-Museum in Berlin“. Von Ewald Thiel. S. 368, 369, 370. – Abbildungen zu dem Artikel „Bauern-Pferderennen in Südtirol“. Initiale. Haflinger Bauern, zum Start abreitend. S. 373. – Ertappt. Von Ferd. Brütt. S. 376 und 377. – Durchhauen einer Schneewächte. Von R. Reschreiter. S. 381. – Das Denkmal Heinrich von Stephans im Reichspostmuseum zu Berlin. S. 386. – Das Grabmal Heinrich von Stephans. S. 387. – Das Demmersche Haus im „Sack“ zu Braunschweig. S. 388.
Hierzu Kunstbeilage XII: „Reiterbildnis des Prinzen Don Baltasar Carlos“. Von Velasquez.




Kleine Mitteilungen.


Jubelfeier des „Akademischen Gesangvereins Arion“ zu Leipzig. In den Tagen vom 24. bis 27. Mai beging der „Akademische Gesangverein Arion“ zu Leipzig in allerlei festlichen Veranstaltungen, Konzerten, Festspiel, Kommers, Ball etc. die Jubelfeier seines 50jährigen Bestehens. Abweichend von der Gründungsgeschichte anderer studentischer Vereine ist der „Arion“ nicht als Kind des akademischen Lebens geboren worden; seine Wiege stand vielmehr in der altehrwürdigen Thomasschule, die von jeher durch den wohlgeschulten Sängerchor ihrer Alumnen berühmt war.

Als in den vierziger Jahren das gute Einvernehmen dieser jungen Sänger beständig durch Streitigkeiten gestört ward, gründete am 12. Mai 1849 Richard Müller (geb. 25. Februar 1830 zu Leipzig) mit noch zwei anderen Thomanern einen Verein, um, verbunden durch Pflege des Gesanges, der Geselligkeit und Freundschaft zu ihrem Rechte zu verhelfen. Bald aber brachte der Grundsatz, alle früheren Thomaner, welche nun studierten, auch ferner als Mitglieder anzusehen, den Vereinsangehörigen die Anfeindungen von Mitschülern und Lehrern ein, und doch sollte sich, gestützt auf ihn, noch im ersten Jahrzehnt der jungen Gründung der studentische Gesangverein „Arion“ herausbilden. Als bedeutende Förderer des Vereins erwiesen sich der Meister deutschen Männergesangs Karl Zöllner und der berühmte Thomasschulkantor Moritz Hauptmann. Richard Müller, der den „Arion“ gründete, war zugleich musikalischer Leiter desselben und führte ihn unentwegt seiner heutigen Bedeutung zu. Am 12. Mai 1850 war der „Arion“ zum erstenmal mit einem Konzert vor die Oeffentlichkeit getreten und hatte mit dem Vortrag von Zöllners „Müllerliedern“ großen Erfolg gehabt. Im Jahre 1853 ward er als studentischer Verein anerkannt, indem vom Universitätsgericht seine Statuten genehmigt wurden. Die Bestimmung darin, daß auch Nichtthomaner beitreten durften, war für das fernere Gedeihen des Vereins von größter Bedeutung. Heute zählt der „Arion“ 165 aktive Sänger und 700 „alte Herren“. Die alljährlich stattfindenden zwei Konzerte dieser ansehnlichen gesangstüchtigen Sängerschar gestalten sich zu musikalischen Ereignissen, deren Ruf über die Grenzen der alten Musikstadt dringt. Ein schmerzliches Ereignis in der Geschichte des Vereins bedeutete der Rücktritt Professor Richard Müllers von der musikalischen Leitung des Vereins, der im Jahre 1893 nach 44jähriger erfolgreicher Thätigkeit aus Gesundheitsrücksichten stattfand. Ihm folgte Dr. Paul Klengel als neuer würdiger Dirigent, den nach seiner Berufung ins Ausland 1898 Alfred Richter, ein Sohn des ehemaligen Thomasschulkantors, ersetzte und unter dessen Führung sich des Vereins Wahlspruch auch heute bewährt, welcher lautet: „Goldnes Leben im Gesang“.

Zur Ueberbürdungsfrage. Der vormittägige Unterricht ist beendet. Er stellte mit seinen wechselnden Unterrichtsfächern nicht geringe Anforderungen an Kinder und Lehrer. Der Erfolg entsprach nicht überall den aufgewendeten Mühen. Denn manches Kindes Auffassungskraft erwies sich als zu gering; trotz treuen Aufmerkens erzielten nicht alle ein klares Erfassen und Festhalten des Gebotenen. Der Geist erlahmte und sie sahen matt und abgespannt aus.

Besonders um dieser willen erfreuen wir uns der jetzt in den Schulen verlängerten Zwischenpausen und der Mittagspause, die für Körper und Geist Erquickung bringen soll. Leider verkürzt das Elternhaus diese dem kindlichen Organismus so nötige Ruhe oft durch neue Anforderungen. Dem übermüdeten Kinde wird kaum Zeit gewährt, in Hast das Mittagsbrot einzunehmen; dann eilt es mit der Notenmappe am Arm in die Musikstunde, die schon um 1 Uhr beginnt, oder es muß für dieselbe üben. Das oft zarte Mädchen muß ohne Lehne in gerader Haltung eine Stunde auf dem Klaviersessel sitzen und sich – natürlich meistens vergebens – bemühen, Neues zu begreifen. Wer hätte diese kleinen Märtyrerinnen der edlen Musica in den Mittagsstunden nicht schon ihrem Ziele zustreben sehen? Ich sehe sie stets mit herzlichem Bedauern und möchte mich in ihrem Interesse an die Einsicht der Eltern wenden.

Die preußische Regierung erließ im Jahre 1894 eine Reihe dankenswerter Verfügungen über das Mädchenschulwesen, die neben methodischen Verbesserungen besonders das körperliche Wohl der heranwachsenden weiblichen Jugend im Auge hatte. Ein Paragraph dieser Bestimmungen verbietet direkt „jede häusliche Aufgabe vom Vormittag auf den Nachmittag“. Es soll den Mädchen genügende Zeit zum Ausruhen gegeben werden, und jede geistige Anstrengung in dieser Zeit ist als gesundheitswidrig verpönt.

In Fachkreisen wurden diese für den öffentlichen Unterricht verbindlichen Bestimmungen mit Freuden begrüßt, sie sollten auch in Elternkreisen beachtet werden. Praxis.     

Gesellschaftsspiele. Sobald es im Kreise der großen oder kleinen jungen Leute einigermaßen gemütlich geworden, taucht die Frage auf: „Was fangen wir nun an?“ Neben dem Altbewährten wird dann gern etwas Neues begrüßt. Noch nicht allgemein bekannt ist z. B. das „Klubraten“. Die Gesellschaft teilt sich in zwei Parteien und sitzt in zwei nebeneinanderliegenden Zimmern; von jeder Partei wird eine Person hinausgeschickt, und diese zwei Abgesandten beraten auf dem Vorsaal über eine bestimmte Person oder einen Gegenstand, worauf sie wieder in die Zimmer zurückkehren. Von den Dringebliebenen werden sie nun mit einer Flut von Fragen, um den betreffenden Gegenstand herauszubringen, bestürmt und dürfen auf alle Fragen nur mit Ja oder Nein antworten. Den Hauptreiz des Ratens bildet hier die Konkurrenz, denn die Partei, welche zuerst richtig rät, darf zum Lohn ein Mitglied der andern zu sich herübernehmen; dies wird fortgesetzt, bis eine Partei die andere ganz aufgerieben hat. – Eine andere Art des Ratens bilden die „Geflügelten Worte“. Jemand von der Gesellschaft geht ins Nebenzimmer; währenddessen wählen die übrigen ein Sprichwort oder Dichtercitat, das sie unter sich verteilen, so daß ein Wort auf jeden kommt. Nun wird der zum Erraten Bestimmte hereingerufen und richtet an jeden der Reihe nach eine beliebige Frage, welche der Angeredete mit einem Satze beantworten muß, in dem das auf ihn entfallende Wort vorkommt. Derjenige, dessen Antwort den Ratenden auf die richtige Spur bringt, muß dann seinerseits raten. – Nur den Zweck unfreiwilliger Komik verfolgt das Spiel „Verlegenheit und Aushilfe“. Von der rechten Seite wird jedem Teilnehmer eine verlegene Situation – „Was würden Sie thun, wenn etc.“ – gesagt, vom Nachbar links eine Aushilfe aus irgend welcher schlimmen Lage. Nun fragen die Teilnehmer, die einander gegenübersitzen, sich gegenseitig, das heißt jeder fragt mit der ihm gesagten Verlegenheitsfrage, und der andere antwortet mit der gleichfalls ihm gesagten Aushilfe, die natürlich nie paßt. – Viel Spaß macht das „Löffelsuchen“. Einer der Teilnehmer wird mit verbundenen Augen in den Kreis der übrigen geführt und hält einen großen Kochlöffel, mit dem er alle Anwesenden befühlen darf, um ihre Individualität festzustellen; noch kann er dabei von jedem verlangen, daß derselbe einmal seine Stimme hören läßt. Wessen Name erraten wird, der muß den Suchenden ablösen. – Die meiste Schadenfreude genießen die Beteiligten bei folgendem Spiel: Eine feste Steinkruke, wie sie für Mineralwässer benutzt werden, oder ein runder Holzklotz wird der Länge nach auf den Boden gelegt, und darauf muß sich jemand setzen, der in der einen Hand ein brennendes, in der anderen ein unangezündetes Licht hält. Seine Aufgabe besteht nun darin, letzteres Licht am ersteren anzuzünden; da aber bei der leisesten, durch die Armbewegung verursachten Schwankung des Gleichgewichts die runde Walze unter ihm zur Seite rollt, braucht er zu der einfachen Handlung eine unverhältnismäßig lange, durch komische Verrenkungen und Grimassen ausgefüllte Zeit, wobei die Freude der Zuschauer groß ist – bis die Reihe des Hinsetzens an sie kommt.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 356_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0356_d.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2020)