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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Palmenhaus. Wenn wir es von Osten, Norden oder Westen betreten, gelangen wir in kleinere geschmackvoll dekorierte Säle für Restaurations- und Gesellschaftszwecke, deren Ausgänge nach innen zum großen Konzertsaal führen. Dieser wird durch drei mächtige mit Glasmalereien versehene Bogenfenster erhellt, unter denen breite Galerien hinlaufen. Die Wände ziert reicher plastischer und malerischer Schmuck, welcher die Tages- und Jahreszeiten versinnbildlicht, und von der bronzefarbenen Decke hängen vier mächtige Kronleuchter herab.

Im Süden grenzt an den Saal das Palmenhaus an, das auf einer Fläche von 1276 qm aus Eisen und Glas erbaut ist und in der Höhe 22 m mißt. Beide sind nur durch eine Glaswand voneinander getrennt, durch welche man diese Wunderschöpfung betrachten kann. Wir treten durch eine der seitlichen Pforten, die uns hineinführt in die mit Ueppigkeit emporschießende südliche Pflanzenwelt.

Ein heilig ernstes Gefühl überkommt uns, und mit Bewunderung schauen wir zu den „Königinnen des tropischen Urwaldes“ auf. Die Fächerpalmen – Chamaerops, Latania, Corypha u. a. – breiten ihre mächtigen Wedel wie ein undurchdringliches tiefgrünes Schutzdach über uns aus und erinnern daran, daß aus der Aehnlichkeit ihrer Blätter mit der flachen menschlichen Hand (palma) der Name für die gesamte Pflanzenfamilie hergeleitet ist. Die Gattung Rhapis, eine Bewohnerin Ostasiens, bildet mit ihren rohrähnlichen Stengeln undurchsichtige Dickichte, und die schlanke Kokospalme, „deren nützliche Anwendungen zahlreicher sein sollen als die Tage im Jahre“, strebt kerzengerade zur Höhe empor. Mitten am Stamme einer Areca sind soeben die zwei kahnförmigen Hüllblätter aufgesprungen und der dicht mit lila rötlichen Blüten besetzte vielverzweigte Kolben ist zum Vorschein gekommen. Leichtblättrige Bambusse und baumartige Farren mischen sich unter die hohe Gesellschaft, die dadurch nicht an Ansehen verliert.

Der sanft geneigte Boden ist mit Lycopodium dicht bepflanzt, und von diesem leuchtend grünen Moosteppich heben sich unter Gruppen schöner Blattpflanzen verschiedene Musa-Arten wirkungsvoll ab. Eine Quelle plätschert von Stein zu Stein, und aus einem Bassin, auf dem allerlei Wasserpflanzen schwimmen, steigt ein Springbrunnen lustig empor.

Von einer malerisch dekorierten Felsgrotte an der südlichen Wand, durch die eine Thür ins Freie führt, grüßt die Sagopalme (Cycas) herab, aus deren gedrungenem schuppigen Stamm sich eine dichte Krone erhebt. Einen großartigen Anblick gewährt die majestätische Dattelpalme, Phoenix genannt, die allen feindlichen Einflüssen zum Trotz sich stets von neuem verjüngt. Sie genoß schon frühzeitig bei den Arabern göttliche Verehrung. Ihre gefiederten Blätter sollen Jesus Christus bei seinem Einzug in Jerusalem zum Zeichen der Huldigung auf den Weg gestreut worden sein, und heute noch werden sie in südlichen Ländern am Palmonntag in diesem Sinne zu religiösen Feierlichkeiten gebraucht. Dort fällt auch eine Sabal durch ihre großen mattglänzenden fächerförmigen Blätter auf, hier die im Lande der Antipoden heimische gefiederte Kentia durch eleganten Wuchs, und noch viele andere herrliche Gewächse der heißen Zone entzücken das Auge durch ihre Schönheit und Eigenart.

Wir haben uns so in den Anblick dieser prachtvollen Naturgebilde vertieft, daß wir uns nur schwer von demselben losreißen. Und so wird es auch anderen Besuchern ergehen und damit die hohe Aufgabe der schönen Schöpfung erfüllt werden: des Menschen Liebe zur Natur zu stärken, seinen Sinn für das Erhabene, Schöne empfänglicher zu machen, sein Wissen zu bereichern und ihm Erholung an Leib und Seele zu verschaffen!




Das Schweigen im Walde.

Roman von Ludwig Ganghofer.
(10. Fortsetzung.)


18.

Mitternacht war vorüber. Dunkel und schweigsam, mit matt flimmernden Sternen, um die sich dünne Nebelschleier zu ziehen begannen, lag die Nacht über dem Tillfußer Almfeld, über Haus und Hütten. Nur manchmal hörte man leis die Glocke eines Rindes – und wie ein schwermütiges Lied in weiter Ferne, so sang der Wildbach im Thal.

Am Jagdhaus waren zwei Fenster noch erleuchtet, und eines von ihnen stand offen – es waren die Fenster am Wohnzimmer des Fürsten.

Zwei spähende Augen blickten durch die Nacht zu diesen hellen Fenstern auf. Doch sie sahen nichts, diese Augen, als den ruhigen Schein der Lampe. Angedrückt an die schwarze Holzwand der Jägerhütte, saß Mazegger auf der Erde und hielt mit den Armen die Kniee umschlungen.

Einmal hörte er Schritte dort oben, als ginge der Fürst im Zimmer auf und nieder. Dann war’s wieder still.

Nun flackerte an einem dritten Fenster ein Schein auf, nur matt, als würde ein Licht vorübergetragen.

Mazegger sprang auf, stieß die Schuhe von den Füßen, huschte über den Weg hinauf und duckte sich hinter den Hofzaun, dicht unter dem offenen Fenster.

Droben war eine Thür gegangen.

Und jetzt die Stimme des Fürsten, kalt und ruhig. „Baronin? … Wollen Sie wieder zur Bühne gehen? Und studieren Sie die Rolle der Lady Macbeth?“

Ein perlendes Lachen. „Sie noch auf? Das ist eine Ueberraschung! Hätt’ ich das ahnen können, dann würd’ ich meine schlaflose Langweile geduldig ertragen haben … ohne Sie zu stören. Aber der Band Maupassant, den Martin für mich aussuchte, war zu Ende gelesen, ich wollte einen neuen haben … wollte mein geplagtes Mädchen nicht wecken, und da der Bücherschrank in diesem Zimmer steht … was blieb mir übrig?“

„Ich bitte, Baronin …“

„Nein!“ Wieder jenes helle, schöne Lachen. „Jetzt kein Buch! Da Sie noch auf sind, sollen Sie mir Gesellschaft leisten, bis mir der Schlaf kommt. Sie sind ohnehin der Schuldige, dem ich diese schlaflose Nacht verdanke. Ja! … Aber wollen Sie mir nicht eine Cigarette geben? Da plaudert sich’s besser.“

Eine kleine Weile war Stille.

„Danke! … Aber Sie sind müde, Fürst?“

„Ich? Nein!“

„Ich meinte nur … weil Ihre Hand zitterte, als Sie mir Feuer gaben?“

„Sie irren sich, Baronin.“

„Wirklich? … Merkwürdig! Denn ich beobachte doch sonst so gut! … Aber wie können Sie nur in dieser kühlen Nacht bei offenem Fenster sitzen! Wie unvorsichtig!“

Baronin Pranckha erschien am Fenster. Ihre Büste war dunkel im Schatten, doch die halb entblößten Schultern und die von durchsichtigen Spitzen kaum verhüllten Arme waren im Lampenschein von roten Lichtlinien umzogen.

Leis klirrten die Scheiben, als sie das Fenster schloß. Und dann verschwand sie wieder. Jetzt hörte man wohl die Stimmen noch, aber es war kein Wort mehr verständlich.

Lautlos, geschmeidig wie eine Katze kletterte Mazegger am Flaggenmast hinauf und kam so hoch, daß er einen Blick in das Fenster werfen konnte. Da sah er ein ruhiges Bild – einen Teil des Zimmers mit dem Schreibtisch, auf dem die Lampe stand. Ettingen kehrte dem Fenster den Rücken, und ihm gegenüber ruhte die schöne Frau in einem Fauteuil, von weißen Spitzen umflossen; ihr Haar, das im Schein der Lampe flimmerte wie rotes Metall, umringelte den Hals und die schneeigen Schultern und zitterte wie Goldgespinst bei jeder leisen Bewegung des Hauptes; die eine Hand lag mit nervösem Spiel auf der Kante des Schreibtisches, in der anderen hielt sie die brennende Cigarette; so plauderte sie, bald ernst, bald wieder lächelnd; doch plötzlich legte sie die Cigarette fort, und halb sich aufrichtend, sah sie dem Fürsten mit flammenden Augen ins Gesicht. Sie sagte nur ein Wort, ein einziges kurzes Wort … ob es sein Name war? Der Fürst erhob sich – und nun konnte Mazegger sein Gesicht sehen – es war bleich, hart und ernst.

Hastig ließ sich Mazegger über die Stange hinuntergleiten, huschte über den Hof zum Haus hinüber und legte das Ohr an die Mauer. Doch er hörte nichts anderes als nur ein verworrenes Geräusch der Stimmen. Aber wie erregt diese beiden Stimmen klangen! Wie Rede und Gegenrede aufeinander folgten, kurz und heftig! Nun lautlose Stille. Und dann sprach der Fürst allein, immer allein, und nur selten unterbrach ihn die andere Stimme erregt mit einigen Worten. Jetzt wieder Schweigen, dem ein perlendes Lachen folgte – ein Lachen, welches zu sagen schien: das alles glaub’ ich dir nicht! – Der Fürst war stumm geworden, und nur noch diese Frauenstimme klang, kein anderer Laut sonst. Wie viel sie zu erzählen und zu erklären hatte! Das währte wohl eine Stunde und länger noch! Und wie diese Stimme wechselte im Ton! Bald klang sie wie in ersticktem Zorn, bald wieder flog sie in leidenschaftlicher Hast, die Worte überstürzend, dann stockte sie und verwirrte sich, wurde leise, schmeichelnd und süß. Fast hörte man keinen Laut mehr. Jetzt sprach der Fürst, ganz ruhig, nur wenige Worte, die ein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0342.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)