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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Abschied des Verlobten.
Nach dem Gemälde von E. B. Hirschfeld.

kommen kann! Und es wird mein ganzes Leben erfüllen, wie die Sonne einen klaren Tag erfüllt vom Morgen bis zum Abend! Ist Liebe denn weniger rein und schön und reich … weil sie nicht hoffen darf? Kein Unglück. Mutter, nein … was ich fühle, ist Glück. Und nicht ein Kummer ist es, dem ich entfliehen will. Denn wenn mein Glück auch Schmerz ist … dieser Schmerz ist süß … ihm kann und will ich auch nicht entfliehen. Er wird bei mir sein in jeder Stunde, ob ich gehe oder bleibe! Nur Zeit mußt du mir vergönnen, daß ich mich ganz wieder finde, daß ich stark und mutig werde … und daß ich ihm ruhig begegnen kann, ohne daß er ahnt, was in meinem Herzen brennt. Nur deshalb will ich fort … einige Wochen nur. Und ich bitte dich, Mutter, thu’ mir das zuliebe!“

„Ja, Kind! Alles thu’ ich, alles, was du willst. Und sag’ nur … wohin möchtest du denn?“

„Das war immer eine Sehnsucht in mir: Papas Heimat kennenzulernen … das Haus sehen, in dem er geboren wurde.“

„Ja, ja, da reisen wir hin.“

„Dort bleiben wir einige Wochen. Und dann, Mutter … dann gehen wir nach München.“

„… München?“ Vor den Augen der alten Frau erwachte bei diesem Wort das Bild ihrer bittersten Lebensjahre, und wie scheue Bitte und Abwehr klang es aus ihrer Stimme: „Kind?“

„Das müssen wir, Mutter! Was wir über Papa erfuhren … das hat eine Pflicht auf uns gelegt. Die Welt soll wissen, welche Schätze unser Haus umschließt, sie soll bewundern und lieben lernen, was Papa unter diesem Dach geschaffen hat. Deshalb müssen wir nach München!“

„Ja, ja, ich seh’ es ein, Lo’! Das müssen wir! Das sind wir seinem Namen schuldig … jetzt! Aber … Ach, Lo’! Ach du lieber Gott! Wieder hinein in den alten Kampf und in die neue Sorge! Und es war so schön hier … bei unserem Erinnern und bei seinen Blumen … so still und friedlich …“

Lo’ legte den Arm um den Hals der Mutter. „So wird es auch bleiben, immer! Und wenn wir heimkehren, werden wir nur reicher sein um eine Freude.“

„Ach ja, Gott soll es geben!“ Frau Petri seufzte; doch ihr wurde dabei das Herz nicht leichter. Sie hatte es verlernt, an die Hoffnung zu glauben. Als nach allem Kampf der früheren Jahre die Zeit der schönen Ruhe gekommen war, hatte sie diesen Frieden nicht recht von Herzen genießen können, weil sie immer fürchten mußte: er wird nicht dauern! Und hatte sie denn nicht recht gehabt mit dieser Furcht? Noch war die Trauer um den Mann, dem zuliebe sie alles noch leichter getragen, in ihrem Herzen nicht still geworden – und da kam nun das wieder! Der hoffnungslose Schmerz ihres Kindes! Und was würde dann kommen? Dann? Was stand ihr noch alles bevor an Leid und Weh? „Ach, ja!“ Mit zitternden Fingern drückte sie an ihren Augen die Lider zu. Dann fielen ihr die Hände schwer in den Schoß. „Und … sag’, Lo’, wann willst du reisen?“

„Sobald der Bub wieder wohl ist. Uebermorgen, mein’ ich, darf ich ihn aufstehen lassen. Aber dann muß er sich noch ein paar Tage schonen, bevor wir reisen dürfen. Und morgen will ich Hinausreiten zum See … nur über eine Nacht … und will das Häuschen in Ordnung bringen für den Winter. Und die Blumen draußen, die dürfen wir in den heißen Sommerwochen nicht ohne Pflege lassen … ich will den Sebener Senn ersuchen, daß er diese Arbeit übernimmt.“

„Ja, Lo’, das mußt du noch thun! Seine Blumen … die waren ja sein letztes Wort … die dürfen nicht leiden.“

Nun schwiegen sie eine Weile, als wäre alles zu Ende gesprochen. was zu sagen war.

„Noch eines, Mutter …“ Lolos Wangen färbten sich, und in feuchtem Schimmer strahlten ihre Augen. „Weißt du … der Fürst …“ Wie ihr die Stimme schwankte bei diesem Wort! „All die Freude, die er uns brachte, mit seinem Glauben an

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0313.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2020)