Seite:Die Gartenlaube (1899) 0291.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

und Sinnen über den Koran besonders veranlagte Jünger. Mit den Volksschulen war es, wo der Araber herrschte, immer schlecht bestellt. Der Wüstennomade kannte sie überhaupt nicht, und die Araber in den Städten ließen ihre Knaben durch irgend einen gelehrten Mann im Lesen des Koran unterrichten; dieses Lesenlernen bestand jedoch vielfach nur im Auswendiglernen der heiligen Bücher und nur wenige Lehrer brachten ihrem Schüler außer wirklichem Lesen noch gar die Kunst zu schreiben bei. – Heute, wo die Araber mehr und mehr mit der europäischen Kultur in Berührung gekommen sind, ist in dieser Hinsicht allmählich eine Wandlung eingetreten. Arabische Elementarschulen werden immer zahlreicher und der Unterricht in ihnen besser. Eine solche Elementarschule in Algier führt uns unser Bild vor. Auf Palmenmatten sitzen in der geräumigen Halle der Lehrer und seine Schüler. Der Koran bildet auch hier den wichtigsten Unterrichtsgegenstand. Manche Dinge in dieser Schule, wie die Wandtafel, der Gasleuchter und auch die Anzüge einiger Knaben, gemahnen an die Fortschritte der Neuzeit. *     

Der Ziegenrücken im Riesengebirge. (Zu dem Bilde S. 265.) In eine der schönsten Gegenden des Riesengebirgs versetzt uns das naturgetreue Bild Paul Linkes. Der Maler hat seinen Standpunkt auf dem sanften Abhang des Brunnberges gewählt, auf dem südwestlichen Zipfel des in der Nähe der Schneekoppe sich ausbreitenden Hochplateaus. Der schmale gewölbte Sattel, der den Vordergrund bildet und der mit langem gelbbraunen harten Grase und Knieholzbüschen bewachsen ist, ist ein alter Gebirgsübergang von Schlesien nach Böhmen. Wir sehen, wie dieser Sattel sofort sich verschmälernd in den scharfen Grat des Ziegenrückens übergeht, wie dieser selbst zu beiden Seiten so schroff abfällt, daß die Bodenkrume nicht mehr an ihm haftet, sondern der nackte Fels zu Tage tritt, wir sehen im zerklüfteten Gestein noch einzelne Schneeflecke kleben, wir verfolgen den Grat, auf dem der menschliche Fuß kaum Platz hat, wie er sich krümmt, wie er sich in der Mitte noch einmal erhebt und dann mit einem breiten, pyramidenförmigen, dem Elbstrom zugewendeten Giebelabsturz endet.

Gerade in der Mitte unseres Bildes sehen wir vier spitze Gipfel übereinander; die zwei untersten gehören dem Ziegenrücken an, dann kommt der von vorn gesehene Krkonoschkamm und dieser wird noch überragt von der Spitze der Kesselkoppe. Die Berge rechts von diesem sind die einander überschneidenden Erhebungen des Schlesischen oder Hauptkammes; die beiden hohen Gipfel rechts oben im Bilde gehören der Sturmhaube und dem Hohen Rade an. Das verdeckte Thal zur Rechten ist das Weißwasserthal, das dann weiterhin in das Elbthal übergeht. Zwischen Kesselkoppe und Hohem Rade spannt sich der Elbgrund aus, über dessen abschließende, hier deutlich sichtbare Felsenwand der Elbseiffen und die Pantsche in schäumenden Kaskaden herabstürzen. Durch das tief eingeschnittene Thal an der linken Flanke des Ziegenrückens steigt man nach der bekannten Sommerfrische Spindelmühl hinab. Im linken oberen Teil des Bildes zeigt sich noch ein fernes, wellenförmiges Berggelände, der mittlere Teil des Isergebirges. Die aus ihm hervortretende Kuppe ist der Siechhübel, den man seiner Lage nach als den eigentlichen Centralpunkt jenes Gebirgsstockes bezeichnen kann. Alles aber, was wir überschauen, gehört zur Krone Oesterreich.

Es liegt über dem Ganzen eine Stimmung, wie sie die Größe, die Ruhe, die Einsamkeit der Natur erzeugt. Da senkt sich der Friede in unsere Brust. B.     

Ein Gedicht. (Zu dem Bilde S. 269.) Abschiednehmen im Frühling, wo rings die Hoffnung in Blüten steht, ist schwer; doppelt schwer, wenn einer ein verschwiegenes Herzenssehnen mit fort nehmen muß, weil er nicht weiß, ob es verstanden und erwidert wird. Die schönen sanften Augen haben nichts verraten, bald hoffte, bald zweifelte er, und nun ist die Abschiedsstunde da! Aber Liebe macht erfinderisch: nach der Sitte der Zeit hatte ihm die Holde ihr Stammbuch zur Einzeichnung gegeben und er erwartete sie hier an dem stillen Gartenende, um es in ihre Hand zurückzulegen. Lebhaft griff sie danach, sah beim Aufschlagen zwei Seiten frisch geschriebener Verse, ohne Autornamen – und trat errötend ein paar Schritte vor, um den Blicken des stillen Beobachters beim Lesen auszuweichen. Aber diese haften trotzdem fest an ihrer lieblichen Gestalt, und es dürfte ihr schwer werden, ihnen unbefangen zu begegnen, sobald sie das Buch sinken läßt. Im Gefühl davon hält sie es fest und zögert, obwohl das Gedicht längst gelesen ist. Was wird der nächste Augenblick bringen? . . Ringsum duftet und blüht der Frühling, das Plätzchen im grünen Laubschatten ist verschwiegen, und die Nachtigallen und Amseln werden sich nicht wundern, wenn jetzt ein erlebtes Gedicht dem geschriebenen auf dem Fuße folgt! Bn.     

Chinesische Brautsänfte.
Nach einer Photographie.

Chinesische Brautsänfte. (Mit Abbildung.) In China ist das Los der Frauen beklagenswert. Sie seufzen unter dem schweren Joch althergebrachter Vorurteile und Gewohnheiten. Das Glück der Liebe, das unsere europäischen Bräute am Hochzeitstage verklärt, ist den meisten von ihnen fremd, denn in dem Reiche der Mitte werden nur Konvenienzheiraten geschlossen und dabei wird nach den Herzensneigungen und Wünschen der Braut nicht gefragt. Die Eltern suchen für sie den künftigen Ehemann aus, und mit ungewissen Ahnungen sieht sie dem Hochzeitstage entgegen. Dieser wird je nach dem Vermögen des Brautpaares recht festlich begangen. Der Bräutigam schickt einen Freund mit einer Sänfte, damit er seine Braut aus dem Elternhause abhole und in ihr neues Heim bringe. Diese Sänfte ist zumeist reich mit Vergoldungen und dem Schmelz von Königsfischerfedern verziert und bei hochstehenden Leuten mit rotem Tuch ausgeschlagen. Auch trägt sie auf rotem Papier einige symbolische Inschriften. Der Sänfte pflegen rotgekleidete Männer mit allerlei symbolischen Abbildungen voranzugehen. Im Hause des Bräutigams findet nun die eigentliche Hochzeit statt, die in einer Menge weitschweifiger, echt chinesischer Zeremonien besteht und mit einem Mahle beschlossen wird. *     

Hans Joachim von Zieten. (Zu dem Bilde S. 281.) Am 14. Mai werden zweihundert Jahre verflossen sein, da zu Wustrau in der Grafschaft Ruppin Hans Joachim von Zieten das Licht der Welt erblickte. Als Führer preußischer Reiterscharen in den glorreichen Feldzügen Friedrichs des Großen erwarb er sich unsterblichen Ruhm und in zahllosen Liedern pries und preist das Volk den kühnen Husarengeneral. Der „Zietenritt“ nach Jagerndorf, sein Eingreifen in die Schlachten bei Prag und Kolin, bei Leuthen, Liegnitz und Torgau werden für immer in der Kriegsgeschichte unvergessen bleiben. Unter den vielen bildlichen Darstellungen Zietens ist die von Adolph Menzel, die wir im Holzschnitt wiedergeben, eine der hervorragendsten. Kein Meister war auch so berufen, den berühmten Helden so lebenswahr und geschichtlich treu darzustellen wie der große Maler der fridericianischen Zeit. Nicht nur in kühnen Reiterangriffen that sich Zieten hervor, er war auch groß und unübertroffen in Kundschafterdiensten. Friedrich der Große rühmte diese Eigenschaft seines Generals besonders, indem er die Charakteristik Zietens mit den Worten einleitete: „Ich habe meinen wachsamen Zieten.“ Unser Bild zeigt uns den Reiterführer, wie er auf einem Kundschafterritt mit scharfen Augen die Stellungen des Feindes erspäht.

Fahrschäfer auf der Schwäbischen Alb. (Zu dem Bilde S. 285.) Das lebenswahre Bild H. Zügels versetzt uns auf die Höhen der Schwäbischen Alb. Der vor sich hinträumende Schäfer ist ein württembergischer „Fahrschäfer“, wie sie alljährlich zu Hunderten die kahlen Berggipfel und Hochplateaus jenes Bergzuges „befahren“. Sein charakteristischer Anzug, Schlapphut und Lederhose, wie auch sein Wagen – „des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad“, singt der Schwabe Mörike – lassen hierauf schließen. Ja sogar die über der Wagenthür angenagelte Eule bestärkt uns in unserer Vermutung, denn es ist ein im württembergischen Landvolk von alters her verbreiteter Aberglaube, daß hierdurch Geister und Hexen ferngehalten würden. Es ist offenbar Mittagszeit, denn während die Schafe Siesta halten, hat der Schäfer gerade sein frugales Mahl, Milch und Brot, zu sich genommen, und auch für seinen treuen Phylax ist ein gehöriger Anteil abgefallen, denn dieser sieht mit philosophischer Miene zu, wie die jungen Lämmchen im Vordergrunde gierig die Schüssel auslecken, was er, wenn er nicht gesättigt wäre, sicher für einen Eingriff in seine Privatrechte halten und nicht dulden würde.

Die „Pretoria“ im Riesenschwimmdock von Blohm und Voss in Hamburg. (Mit dem Bilde S. 289.) Zu schier unheimlichem Umfange ist das vom Handel und Verkehr der Gegenwart gebrauchte Werkzeug angewachsen. Noch vor wenig Jahrzehnten galt so ein Riese des Meeres, der 1000 Fahrgäste aufnahm, um sie binnen einer Woche

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0291.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2020)