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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

das einzig Derbe in diesem vornehm gezeichneten Rassegesicht. Die Anstrengung des Rittes hatte das Gesicht gerötet, doch all die ernste Erregung, die aus seinen Zügen sprach, konnte die sarkastischen Linien nicht verwischen, welche tief um den feingeschnittenen Spöttermund und um die Augenwinkel gezogen waren.

Ehe das Pferd noch anhielt, sprang er aus dem Sattel und warf die Zügel dem Reitknecht zu, der ihm folgte.

„Grüß Sie Gott, lieber Förster!“

„Grüß Gott, Herr Graf!“

Kluibenschädl quetschte die Hand, die ihm Sternfeldt gereicht hatte. „Grüß Gott gleich tausendmal! Weil S’ nur wieder da sind, Herr Graf! Und die Freud’, die der Herr Fürst haben wird! Und Sie … wann S’ sehen, wie er ausschaut! Ein’ Zwölfender hat er auch schon! Und zwei sakrische Gamsböck!“

Aber dieser weidmännische Erfolg schien den Grafen nicht sonderlich zu interessieren, denn er fragte hastig und erregt: „Der Fürst hat heute Besuch bekommen? Natürlich, da stehen ja die Wagen. Aber sagen Sie mir …“ Sternfeldt zog den Förster aus der Hörweite des Reitknechtes. „Wie hat der Fürst diesen Besuch empfangen?“

„Der Herr Fürst? Der weiß ja noch gar nix von der Ueberraschung, die heut’ eintroffen is! Der is ja seit in der Fruh net daheim!“

„Nicht daheim? Und daß sie heute kommt – das wußte er gar nicht?“

„Net mit ein’ Wörtl! Na!“

„Gott sei Dank! Und wo ist er?“

„Draußen im Sebenwald. Aber jeden Augenblick kann er heimkommen … weil er hinterlassen hat, daß er z’ruck sein will bis zum Dineh.“

„Kommen Sie! Wir gehen ihm entgegen. Ich muß ihn sprechen, bevor er nach Hause kommt. Welchen Weg müssen wir nehmen?“

„Da über d’ Lichtung ’naus, durch’n Tillfußer Wald.“

„Und er hat keinen anderen Heimweg? Wir müssen ihn treffen? Sicher?“

„Aber g’wiß! Vom Sebenwald ’rein, da giebt’s kein’ andern Weg.“

„So kommen Sie!“ Der Graf wandte sich an den Reitknecht. „Führen Sie die Pferde in den Stall! Und hier …“ Er reichte ihm eine Banknote, „das gehört Ihnen, für die halbe Stunde, die wir gewonnen haben. Aber jetzt sorgen Sie für die Tiere so gut wie möglich … Sie sollen frottiert werden, bis sie völlig trocken sind, und sollen kein Futter und keinen Trunk bekommen, bevor sie nicht ruhige Lungen haben! – Kommen Sie, Herr Förster!“

Während Graf Sternfeldt über die Lichtung hinausschritt gegen den Wald, klopfte er sich mit der Reitpeitsche den Staub von den Beinkleidern.

Kluibenschädl folgte ihm, und seinem Gesicht mit den studierenden Augen war es anzusehen, daß er sich dachte: „Sakra! Da muß was los sein! Mir scheint, die G’schicht’ mit der Ueberraschung … die stimmt net ganz!“

(Fortsetzung folgt.)     



Blätter und Blüten –



Die Feuersbrunst in Kranichfeld. (Mit Abbildung.) In dem anmutigen Ilmthale, etwa 8 km oberhalb des Luftkurortes Berka, liegt die gegen 1800 Einwohner zählende thüringer Stadt Kranichfeld, die halb zu Sachsen-Meiningen, halb zu Sachsen-Weimar-Eisenach gehört. Am 26. März dieses Jahres, dem Palmsonntag, wurde die Stadt von einem schweren Brandunglück betroffen. Mittags um 12 Uhr brach in einem Schuppen des Elektricitätswerkes Feuer aus, das sich sofort einer in der Nähe stehenden Scheune mitteilte. Unglücklicherweise blies an jenem Tage ein heftiger Wind durch das Ilmthal, und er trieb Flugfunken gegen die Stadt.

Während die Feuerwehren von Kranichfeld und den benachbarten Ortschaften, später auch von Weimar, mit dem Aufgebot aller Kraft dem Brande Einhalt zu gebieten suchten, erzeugten Flugfeuer hinter ihrem Rücken immer neue Brandherde und die Befürchtung wuchs von Stunde zu Stunde, daß Kranichfeld gleich Brotterode völlig ein Raub der Flammen werden könnte. Gegen 1 Uhr in der Nacht vom Sonntag zum Montag gelang es aber dennoch, des Brandes Herr zu werden. Die Verwüstung, welche die Feuersbrunst inzwischen angerichtet hatte, war aber entsetzlich. Mehr als 50 Wohnhäuser mit etwa 135 Nebengebäuden sind niedergebrannt und 72 Familien obdachlos geworden.

Ansicht der Brandstelle in Kranichfeld.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph Louis Held in Weimar.

Der Schaden wird auf 1½ Millionen Mark geschätzt. Unser Bild zeigt nach einer photographischen Aufnahme einen Teil der in Asche und Trümmer gelegten Wohnstätten.

Ein Hilferuf ist ergangen, der sicher in weitesten Kreisen Wiederhall finden wird. Die erbetenen Gaben sind an „das Hilfskomitee, Kranichfeld, Thüringen,“ zu richten.

Arabische Schule in Algier. (Zu dem Bilde S. 261.) Die Araber sind nicht nur durch ihre Waffenthaten berühmt geworden; die Namen ihrer Weisen sind ehrenvoll auch in der Geschichte der Wissenschaften verzeichnet, und die arabischen Hochschulen oder Medressen standen jahrhundertelang in Westasien und Nordafrika in nicht geringem Ansehen. Aber in den Moscheen, die den Sitz dieser Hochschulen noch heute bilden, versammelten sich seit jeher nur begabte, zum Denken

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0290.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2020)