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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

ich mir aus! Aecht! Kan’ Salontiroler! Den Wein zahl’ ich! Wenn’s nur eine Hetz’ wird! Die Baronin soll sich amüsieren! Hehehehe! Und ich hab’ eine volkstümliche Ader, ich mische mich gean unter die haiteren Oellemente derer, die dort unten wohnen! … Aber Sie, Moatin, sagen S’ mir … ich hab’ schon immer da beim Herauffahren diese bucklige Gegend beaugenwinkelt … wo wird sich denn da für ein civilisiertes Menschenkind ein nur ainigermaßen brauchbarer lawn fürs Tennis finden?“

„Ich glaube, dort unten auf der Lichtung, Herr von Sensburg, da ist eine ziemlich ebene Stelle …“

„Anschauen!“

Die beiden Stimmen verhallten hinter der Jägerhütte.

Mazegger legte das Fernrohr auf den Herd, und ein verächtliches Lächeln glitt über seine schmalen Lippen. Eine Weile saß er regungslos und starrte zum Jagdhaus hinauf. Dann lehnte er sich müd atmend an die Wand zurück und preßte die Handballen in die Augenhöhlen – wie einer, der seit Nächten keinen Schlaf gefunden und den die Augen schmerzen.

Eine Stunde verging. Martin, die Kutscher, der grün verschnürte Leibjäger und Praxmaler – das eilte nur immer so hin und her zwischen der Fürstenvilla und dem Fremdenhaus. Droben in der Hausthür erschien ein paarmal die kleine Französin, guckte neugierig nach den Jägerhütten oder schwatzte eine Minute mit den beiden Dienern.

Eben standen die Drei wieder beisammen, als der Förster über das Almfeld heraufgestiegen kam. Er gewahrte die fremden Leute, schlug ein flinkeres Tempo an und trat an das offene Fenster der Jägerhütte. „He! Toni!“

Mazegger, der den Schritt des Försters gehört hatte, stand am Tisch und polierte mit einem Lappen den Lauf seiner Büchse.

„Was is denn, Toni? Was sind denn das für Leut’ da droben? Is ’leicht wer ’kommen? Ein B’such zum Herrn Fürsten?“

„Ja, mir scheint.“

„Wer denn?“

„Ein Herr, Sensburg heißt er. Und eine Baronin …“ Mazegger wandte langsam das Gesicht und lächelte.

Die „Pretoria“ im Riesenschwimmdock von Blohm und Voss in Hamburg.
Nach einer photographischen Aufnahme von H. Breuer in Hamburg.

Der Förster blickte zum Jagdhaus hinauf, kraute sich hinter den Ohren und stotterte vor sich hin: „So is’ schön! Jetzt is d’ Ueberraschung da … und der Herr Fürst is net daheim!“

Er ging zu seiner Hütte und traf mit Pepperl zusammen, der vom Stall heraufkam, in gereizter Stimmung.

„Grüß Gott, Herr Förstner! Und gut, daß S’ da sind! Ich bitt’ Ihnen, schauen S’ ’nunter in’ Stall … die Kutscher streiten und spettakalieren, daß ’s nimmer schön is! Ein G’schäftl ums ander’ hätten s’ für mich …“ Pepperl trat in die Hütte und griff nach der Büchse, „und ich bin doch kein Wasserer für d’ Ross’! Ich bin ein fürstlicher Jager … und überhaupts, jetzt muß ich ’naus auf d’ Abendbirsch’!“

„No, no, no! Ja, Pepperl! Was hast denn?“

„Nix … als schwarze Mucken im Schädel, die muß ich ausfliegen lassen draußten. Mich leidt’s net daheim! B’hüt’ Ihnen Gott!“

Kopfschüttelnd sah ihm der Förster nach, dann ging er zum Stall hinunter. Noch hatte er den Platz nicht erreicht, wo die Wagen standen, als er auf dem Weg, der von der Ache über die Lichtung heraufführte, zwei Reiter auf abgehetzten Pferden kommen sah.

Den einen der beiden Reiter, den kannte Kluibenschädl auf den ersten Blick, das war Graf Goni Sternfeldt. Den Hut schwingend, in Heller Freude, lief ihm der Förster entgegen.

„Herr Graf! Herr Graf! Ja, grüß Ihnen Gott, Herr Graf! Ja, wie kommen denn Sie daher?“

Sternfeldt winkte mit der Reitpeitsche und versetzte dem Pferd einen Hieb. Aber das Tier war ausgepumpt und konnte nicht mehr – es machte nur ein paar kurze Galoppsprünge und fiel wieder in müden Schritt. Doch der Reiter saß fest und ohne Spur von Ermüdung im Sattel, trotz des schweren siebenstündigen Rittes und trotz seiner fünfzig Jahre. Er trug einen flachen Strohhut, einen lichtbraunen Sommeranzug von modischem Schnitt und Lackschuhe, alles grau verstaubt – ein Anzug, der eher für einen behaglichen Bummel auf dem Trottoir der Großstadt passen mochte als für einen Ritt, welcher dem Pferde den weißen Schaum aus Hals und Flanken getrieben hatte.

Der agilen und kräftigen Gestalt nach hätte man den Grafen für einen Dreißiger nehmen können. Aber Haar und Bart – ein glattgeschnittener Spitzbart, der das schmale Gesicht verlängerte – waren schon völlig ergraut, beinahe weiß. Die klugen grauen Augen waren von wulstigen Brauen überschattet –

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0289.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2023)