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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Im Hof der Burg.

erfüllt von brennender Lebensgier, warf ihre Augen bald auf den jungen Friedrich von Hohenzollern, Burggrafen von Nürnberg. Ihre Leidenschaft fand Erwiderung, und sie wäre wohl auch sein Weib geworden, hätten nicht seine Eltern Einspruch erhoben.

Eines Tages eröffnete er dem begehrlichen Weibe, er könne sie nicht heimführen, denn „vier Augen stünden ihm im Wege“. Er hatte die seiner Eltern damit gemeint. Katharina aber, von Leidenschaft bethört, glaubte, dies gelte ihren Kindern. In einer Nacht ermordete sie die unschuldigen Kleinen, damit nichts mehr ihrem Wunsche entgegenstehe. Man sagt, daß sie die Kinder mit einer Stricknadel erstochen habe. Doch die That kam ans Licht.

Katharina ward zum Tode durch den Scheiterhaufen verdammt. Das Urteil wurde aber dahin gemildert, daß man sie hieß, bis an ihr Lebensende als büßende Nonne in das Kloster Himmelskron bei Kulmbach einzutreten. Dort ist die Sünderin gestorben und begraben. Man sagt, daß sie von der Plassenburg bis zum Kloster habe auf den Knien rutschen müssen. Vorher aber habe sie noch einen furchtbaren Fluch auf den vermeintlichen Mörder ihres Glückes ausgestoßen, auch verkündet, daß sie ihm und allen Hohenzollern fortan wolle als Verkünderin ihres Todes kurz vor demselben in gespenstischer Tracht erscheinen.

Sie ist denn auch in den Schlössern Plassenburg, Bayreuth und Berlin des öftern „gesehen“ worden. Auch Napoleon I soll sie erschreckt haben. In Berlin will man sie im Jahre 1850 zum letztenmal nachtwandelnd durch die Korridore des grauen Schlosses haben schreiten sehen.

Aber auch auf Burg Lauenstein – so erzählt sich das ringsum sitzende Volk – soll die „weiße Frau“ zuweilen mitternächtlich umgehen. –

Von den Orlamündern kam die Mantelburg durch Ankauf an die Grafen von Gleichen, 1460 an die Grafen von Schwarzburg und darauf an eine Reihe anderer Besitzer. 1506 gelangte sie endlich in den Besitz der Freiherren Ritter von Thüna. Damit ging ein neuer Stern über der Burg auf.

Friedrich von Thüna stand als Geheimer Rat dem Kurfürsten von Sachsen, Friedrich dem Weisen, sehr nahe. Er soll es gewesen sein, der in Worms auf dem Reichstage seinem fürstlichen Herrn den Rat gab, den kühnen Augustiner Luther unterwegs heimlich aufheben und in gesichertes Versteck bringen zu lassen. Als dann Friedrich von Thüna selbst heimkehrte, führte er sofort die evangelische Lehre in seinem Lande ein.

Sein Bruder und Nachfolger, Christoph von Thüna, war ein echter Sohn der Renaissancezeit. Genußfroh und prachtliebend, begeistert für die Kunst, warmblütig und verschwenderisch, ließ er in den Jahren 1551–54 auf Burg Lauenstein den herrlichen Thünaschen Neubau aufführen und denselben im Innern durch alle vier Stockwerke hindurch mit einer Pracht und Vornehmheit ausstatten, die uns zur Achtung und Bewunderung zwingt. Auch den anstoßenden Orlamünder Flügel unterzog er in seinen Innenräumen einer durchgreifenden künstlerischen Umgestaltung. Ebenso erbaute er ein Stück oberhalb Saalfeld am rechten Saaleufer das reizende Schlößchen Obernitz.

Bis zum Jahre 1622 saßen die Freiherren von Thüna droben auf Lauenstein. Dann verkauften sie den stolzen Besitz um 40 000 Goldgulden an die Markgrafen von Kulmbach-Bayreuth. Da die Markgrafen aber nur zur Jagd auf der Burg weilten, im übrigen sie ihren Verwaltern überließen, so begann der Verfall auf Lauenstein heimlich still einzuziehen. Die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges thaten dann noch ein übriges. Als 1791 die Kulmbacher Linie ausstarb, kam Lauenstein an Preußen, dann unter Napoleons Zwingherrschaft und endlich 1804 an das Königreich Bayern. Bis auf die eingesetzten Beamten ist aber in der ehemaligen Grafschaft alles thüringisch geblieben. –

Die bayerische Regierung, unbekümmert darum, was an der äußersten Grenzmark für eine interessante und schöne Stätte dem Verfall preisgegeben war, ging nüchtern praktisch vor. Sie verlegte den Sitz des Amtsgerichts auf das ehrwürdigeschloß. Doch die Steilheit des Aufstieges, die Weltabgeschiedenheit der Lage waren nicht nach dem Geschmack der bequemen Beamten. Man erhob Beschwerde auf Beschwerde. München blieb ungerührt. Da packte den damaligen Landrichter Sondinger – man schrieb das Jahr 1806 – ein Heldenmut der Verzweiflung. Eines Tages faßte er seine Akten zusammen, verließ die Mantelburg und wanderte nach Ludwigstadt, wo er sich, ein echter Freibeuter, einfach im Rathause festsetzte. Zwar gab es in München darob verdutzte und lange Gesichter. Schließlich aber machte man gute Miene zum bösen Spiele, erbaute ein Amtsgericht in Ludwigstadt, wo hinein dann der gefeierte Held mit seiner Schreiberschar zog.

Die Burg ward nun seitens der Regierung an einen Privatmann für ein Spottgeld verschleudert. Als dessen Sohn anfangs der siebziger Jahre verarmt war, brachten seine Gläubiger den Lauenstein an sich, bildeten eine Genossenschaft und vermieteten als solche den kostbaren Schloßbau an kleine Leute. An 25 Familien hausten jetzt darinnen: Schieferbrucharbeiter, Tagelöhner und Handwerker, und wo einst Kaiser Heinrich II gebechert und geweilt hatte, da trieb sich in den Bankettsälen allerlei Hausgetier gemütlich herum; aus dem Estrich des Rittersaales loderten die Feuer, an denen man kochte, wusch und hantierte.

Doch noch einmal sollte ein heller Stern des Glückes über Burg Lauenstein aufgehen. Zu ungeahntem Glanze sollte die Feste aufblühen. Dornröschen erwachte! Im Jahre 1896 war es Dr. jur. E. Meßmer aus Halle, welcher die Burg käuflich an sich brachte und durch einen im Burgbau wohlerfahrenen Architekten außen wie innen stilgemäß wieder herstellen ließ. Und dabei zeigte sich, wieviel Wertvolles und Schönes unter all der Vernagelung, Tünche und Vermauerung sich noch erhalten hatte.

Was der jetzige Besitzer, ein begeisterter und kenntnisreicher Sammler altdeutschen Kunstfleißes, bisher all die Jahre unermüdlich und mit bedeutenden Opfern an Gegenständen der Kunst und des Kunsthandwerkes zusammengetragen hatte, das schmückt jetzt einen Teil der imposanten Räume der Feste. Auch noch den übrigen Teil des umfangreichen Schloßbaues allmählich einzurichten, dies hat sich der neue Burgherr als seines Lebens Ziel gesetzt. Er wird damit Thüringen ein Juwel zurückschenken, auf das es stolz sein darf! Was aber den Aufenthalt in der Burg so angenehm macht, so eigenartig erscheinen läßt, das ist, daß ihre Räume kein Museum ziel- und zwecklos zusammengetragener Gegenstände darstellen, vielmehr fast jedes Ding in den täglichen Gebrauch mit hereingezogen ward, soweit es sich eben nicht um dekorative Ausschmückung und Augenweide handelte. Das giebt dem Lauenstein ein so behagliches Gepräge!

Vom Bahnhofe Lauenstein führt außer dem breiten, fahrbaren Burgweg noch ein bequemer, an entzückenden Niederblicken reicher Zickzackpfad hinan. Ruhesitze, zum Genießen, sind hier wie über die ganze Berggegend ringsum ausgestreut. Nähert man sich westlich vom Oberdorfe her der Burg, so berührt man nach Durchschreitung des Thores das hart an der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0278.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2020)