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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

„Na na na na! G’arbeit’, weißt … ja, g’arbeit’, g’arbeit hab’ ich!“

„G’arbeit’t? Du? Für wen denn?“

„Bei’m bei’m … weißt, für den, ja, für’n Müllertoni … ja, für’n Toni bin ich auf Seefeld … weißt, ein Botengang … auf Seefeld ummi!“

„Und da hat dir der Toni zwei Gulden ’geben?“ forschte sie mißtrauisch. „Zwei Gulden?“

„Ein’, ein’, der Toni, weißt … und und der Posthalter ein’ … den andern, ja, der Posthalter!“

Sie war nur halb beschwichtigt. Aber möglich schien ihr die Sache doch, und sie wollte glauben, um an dem schönen Tüchl ihre Freude haben zu können. „Geh? G’wiß? Is wahr! Und da hast die zwei sauer verdienten Gulden für mich verspart!“

„Ja ja ja … und ’s Tüchl, gelt, das g’fallt dir?“ kicherte der Alte, froh, dem Verhör so glücklich entronnen zu sein.

„Ja, du, das is fein nobel!“ Sie prüfte die Seide, hielt das Tuch ans Licht und versuchte, wie es sich falten ließe. „Aber geh, jetzt setz’ dich her, jetzt koch’ ich dir aber gleich was auf! Magst saure Nocken? Thut dich hungern? Gelt?“

„Ja, hungern, ja … und saure Nocken, ja, die kunnt’ ich brauchen … und weißt, ein bißl dürsten, ja … ein bißl dürsten thut mich!“

„Da hol’ ich dir gleich ein Schüsserl Milli!“

„Milli?“ der Alte bewegte den Mund, als hätte er eine bittere Zunge. „So so … Milli krieg’ ich … Milli?“

Burgi war in die Kammer getreten, doch ehe sie die Schüssel holte, legte sie vor dem Spiegelscherben, der neben dem Fenster an die Wand gepickt war, das seidene Tuch zur Probe um den Hals.

„Milli krieg’ ich … Milli?“ Als hätte dieser Gedanke einen Zusammenhang mit dem Praxmaler-Pepperl, so guckte sich der Alte plötzlich um, wo denn der Jäger geblieben wäre. Und als er sah, daß an der Thüre gedrückt und gewackelt wurde, ging er hin und schob den Riegel zurück. Ehe die Thüre noch richtig offen war, drängte sich Pepperl schon mit beiden Ellbogen herein.

„Du, Jager, du … zu dir bin ich ’kommen, weißt … du hast mir was versprechen lassen, ja …“

„Was ich dir versprochen hab’, das kriegst! Z’erst aber muß ich reden mit dir! Da setz’ dich her an’ Tisch!“

Als sich die beiden auf die Holzbank niederließen, trat Burgi mit der Milchschüssel in die Stube. Wohl brannte ihr das Gesicht wie Feuer, doch mit spöttischer Ruhe sagte sie: „Jesses na! Der Pepperl! Ah, da schau her!“ Sie stellte dem Vater die Schüssel hin und legte den Brodlaib mit Messer und Löffel daneben. Dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften und lachte dem Jäger höhnisch ins Gesicht. „Jetzt weiß ich net, wer mir’s g’sagt hat … aber einer hat mir g’sagt: du gingst mir nimmer ’rein in d’ Hütten!“

Pepperl verfärbte sich und schrie: „Zu dir? Bis ich zu dir komm’ … da kannst lang warten! Du! Bild’ dir nur ja nix ein! Bloß zu dei’m Vatern bin ich ’kommen! Weil ich z’reden hab’ mit ihm … verstehst mich … und ein ernsthaft’s Wörtl!“

„No also! Zu! So red’ halt! Und leg’ dir kein’ Maulkorb an! Kannst alles sagen! Alles! Ob’s wahr is oder verlogen … das is mir ein Ding! Net einmal auflusen thu ich! Na! Net einmal auflusen!“ Mit spöttischem Lachen ging sie zum Herd und nahm eine Holzschüssel von der Wand, um den Nockenteig anzurühren.

Die Neugier schien keine von den schlechten Eigenschaften des Brentlinger zu sein. Denn während die zwei jungen Leute so heiß miteinander „hachelten“, gähnte er ein um das andere Mal und schnitt das Schwarzbrot mit großen Brocken in die Milch. Eben wollte er den ersten Schub verladen, als ihn Pepperl so energisch am Arm packte, daß der Brocken vom Löffel wieder in die Schüssel fiel.

„Jetzt, Brentlinger, jetzt paß auf! Jetzt muß ich dir was sagen! Dir!“

„Ja ja! Red’ nur zu!“ Der Alte holte mit dem Löffel aus. „Aber, ja, aber essen mußt mich lassen! Essen, weißt!“

„Meintwegen, iß halt zu! Aber der Appetit, mein’ ich, der wird dir schon vergehn! Dir! Wenn d’ solchene Sachen hörst! Denn du … du bist der Vater! Dich geht’s am ärgsten an! Und dir z’lieb hab’ ich mich dreing’mischt! Daß ich dir ein’ Kummer verspar’! Denn dir … verstehst mich … dir geht’s an d’ Ehr’! Ja, du … da schau dir’s an, dein Töchterl! Die führt sich nobel auf!“

Vom Herd herüber ließ sich ein verbissenes Lachen hören.

„Lachen kann s’ auch noch! Lachen! Die! Und der arme Vater, der kann sich d’ Augen ausweinen! Drum laß dich verwarnigen, du guter Mann, du braver … und red’ ein Wörtl, so lang’s noch Zeit is … denn daß ich dir’s ehrlich sag: in deiner Burgl ihrer Hütte, da geht’s ja zu, als ob die Gomorringer ausg’ruckt wären!“

„Wer is …“ der gute, brave „Vatter“ schluckte einen Brocken, „wer is ausg’ruckt?“

„Die Gomorringer! Die von der selbigen Stadt, wo’s Pech und Schwefel hat regnen müssen. Und warum? Das weiß man schon!“

Der Kochlöffel in der Hand der Sennerin machte einen verdächtigen Zuck – aber das war nur ein Augenblick – dann tauchte er wieder in den Nockenteig.

Studierend schüttelte der Alte den weißen Kopf. „Na, du … das mußt mir, ja, mußt schon besser verexplizieren, ja!“

Pepperl schnaufte in schwüler Hitze. „Teufi Teufi Teufi, hat man mit dir ein G’frett! Paß auf, sag’ ich dir!“ Mit beiden Händen fuchtelte er dem Alten vor der Nase herum. „Das weißt ja doch, daß unser Herr Fürst jetzt da is?“

„Ja freilich, ja, der Herr Fürst! So so? Was für, ja, was für ein Fürst is denn der?“

„Der unser Jagd in Pacht hat!“

„Ein Jager? So so? Ein Jagerfürst! Und, ja …“ Der Alte legte den Löffel nieder, und seine Augen erweiterten sich. „Du, Pepperl, sag … is enker Fürst net mit’n, ja, mit’n Förstner in der Luitasch g’wesen … vor ein acht Täg’?“

„Freilich is er draußen g’wesen! Aber das geht dich nix an!“

„Geht mich, ja, gegeht mich schon wawas an,“ versicherte Brentlinger mit solchem Eifer, daß er zu stottern begann. „Wenn das der Füfürst g’wesen is … zu dem geh’ ich ’nauf. Mit dem muß ich was reden … dem muß ich, ja, muß ich was verexpipilixieren …“

Pepperl verlor die Geduld. „Kreuz Teufi, laß den Herrn Fürsten in Ruh! Der geht dich nix an! Wenn d’ auffi gehst, wirst aussi g’schmissen … vom Herrn Kammerdiener … verstehst mich!“

„Kammerdiener? So so? Ein Kammerdiener hat er? Geh? Und is der auch so, ja, so nobel, der?“

„Der wird wohl nobel sein!“ Pepperl lachte mit zornrotem Gesicht. „Hat seidene Hösln an! Und Schnallenschuh … wie der Mesner bei der Leich’.“

„Schnallenschuh? Und seidene Hösln?“ staunte der Alte. „Ach, der muß aber nobel sein!“

„Und g’striegelte Haar hat er! Und deiner Burgl steigt er nach! Verstehst mich! Deiner Burgl steigt er nach!“

Langsam drehte sich Brentlinger auf der Bank herum und fragte mit aufgeregtem Stottern:

„Bu … Buburgi? Js das wahr?“

„Ja, das ist wahr!“ erklärte Burgi und warf eine Handvoll Salz in den Nockenteig.

„Hörst es? Hörst es jetzt?“ schrie Pepperl wie ein Verrückter. „Wahr is, was ich g’sagt hab’! Und anschmalgen thut er’s! Anschmalgen, daß er’s heiraten thät!“

Die Aufregung des Alten wuchs. „Bu … Buburgi? Das sag mir, ja, gleich sag mir’s … is das wahr?“

„Wahr is ’s! Ja!“ fuhr die Sennerin mit gereizter Stimme auf. „Den ganzen Tag allweil hockt er da in der Hütten und pumpert die halben Nächt’ lang am Kammerfenster … so verliebt is er! So verliebt! Ja! Wahr is’, wahr is’, wahr is’!“

Ueber den Tisch hinüber packte Pepperl die Hand des Alten und schüttelte sie. „Hast es g’hört jetzt, Brentlinger? Jetzt denk, daß du der Vater bist, und daß dich rühren mußt … in deiner Verantwortigung … verstehst mich! So! Und jetzt red’ du!“

Stolpernd schob sich Brentlinger hinter dem Tisch hervor, und warnend hob er den Finger. „Bu … Buburgi! Das muß ich dir sagen, hörst! Da sei fein g’scheid! Den laß nur nimmer aus!

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0240.jpg&oldid=- (Version vom 5.2.2020)