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auf das Gemüt des Dichters; es erwacht eine Neigung in ihm, die erwidert wird, und nachdem Schaumberger eine etwas besser bezahlte Stellung in Ahlstadt gefunden, konnte am 16. September 1866 das junge Paar die Hochzeit feiern. Leider sollte dieser Bund schon bald genug wieder gelöst werden; die Geburt eines Knaben im Februar 1868 gab der Mutter den Tod. Traurig schaute nun Schaumberger in die Zukunft. Was ihm das Leben lebenswert gemacht hatte, war ihm für immer geraubt worden. Und dasselbe Unglücksjahr, das seinen Geist so schwer niederschlug, sollte auch seinem Körper gefährlich werden: es zeigten sich die Anfänge eines Halsleidens, das ihn bis zu seinem Tode nicht mehr verlassen sollte. Der nächste Frühling bringt ihm einen neuen Schicksalsschlag: den Tod des Vaters, mit dem er in den letzten Jahren in bestem Einvernehmen gelebt hatte. Er wird der Nachfolger des Vaters in dem Weißenbrunner Lehramte, und eine bedeutungsvolle Epoche seines Lebens beginnt mit dem Tage, an dem er sein Amt in dem Heimatsdorfe der Mutter und auf der Stätte seiner Kinderjahre antritt.

Das geschah im Mai des Jahres 1869; Anfang August traf auch ein neuer Seelsorger in Weißenbrunn ein, und bald spannen sich zwischen dem Pfarrhause und dem Schulhause Beziehungen hin und her, die für Schaumberger und die Entwickelung seines Talents von größter Wichtigkeit waren. Pfarrer Bagge hatte sich bereits als Volksschriftsteller in weiteren Kreisen einen bekannten und geachteten Namen gemacht. Unter dem Pseudonym Josias Nordheim hatte er mehrere Erzählungen veröffentlicht, in denen er sich als ein humor- und gemütvoller Darsteller des Volkslebens bewährt hatte. Bagge besaß zudem eine gründliche wissenschaftliche Bildung, war ein vortrefflicher Klavierspieler, seine Zeichnungen wurden von Kennern gerühmt. Auch Schaumberger hatte sich mit Glück als Zeichner und Maler versucht; wenn er im Pfarrhause seine Violine zur Hand nahm, begleitete ihn der Freund auf dem Klavier. Vor allem aber ermutigte das Beispiel Bagges als Volksschriftsteller den poetisch gestimmten jungen Lehrer zu eigenen Versuchen und wies ihm die Richtung. Im Frühjahr 1871 ward die Freundschaft der beiden Männer noch fester geknüpft. In der Tochter des väterlichen Freundes fand Schaumberger einen Ersatz für die verlorene Lebensgefährtin und eine zweite Mutter für seinen Knaben.

Heinrich Schaumberger.

Leider fiel die Verlobung mit einer Verschlimmerung seines Leidens zusammen, die ihn zwang, die Ausübung seines Lehramts zu unterbrechen. Da beschließt er, nach Davos zu gehen; der Ort hat schon an vielen Wunder gethan, die kränker waren als er. Wenn er dann als Gesunder oder wenigstens als Genesender in die Heimat zurückkehrt, darf er hoffen, daß das Mädchen seiner Liebe unter Einwilligung der Eltern bereit sein wird, sein Schicksal mit ihm zu teilen. Am 15. Juni 1871 kommt Schaumberger in Davos an. Bald kann der Arzt eine erfreuliche Wendung zum bessern konstatieren. Dabei wirkt die Großartigkeit der Hochgebirgswelt erfrischend und belebend auf seine Seele ein. Und während er die Gegenwart genießt, denkt er der Vergangenheit nach; mit dem Entzücken über die erhabene Schönheit der Natur, die ihn umgiebt, mischt sich die Sehnsucht nach der Heimat. „Ihm ward,“ sagt sein Biograph, „die Trennung von der Heimat zum Quell der Poesie.“ Von älteren Entwürfen sind es die „Schaumburg“ und „Umsingen“, die ihn in dieser Zeit beschäftigen. Mit besonderer Hingebung widmet er sich der Arbeit an „Vater und Sohn“. Aber so sehr das poetische Schaffen gedieh – er war kein Genesener, als er Anfang April 1872 wieder in der Heimat eintraf. Dennoch fand Magdalene Bagge den Mut, ihr Schicksal an das des Leidenden zu knüpfen. In ihrer Seele lebte ein großer kühner Gedanke: das Leben des über alles geliebten Mannes dem Tode abzuringen.

Am 26. Mai 1872 schlossen Heinrich und Magdalene den Bund fürs Leben. Sie ahnten beide nicht, wie kurz die Spanne Zeit von der Vorsehung bemessen war, für die sie vereinigt bleiben sollten. Von ärztlicher Seite hatte man Schaumberger die tröstliche Aussicht eröffnet, daß er bei längerem Aufenthalt in Davos doch genesen werde. Seine dichterischen Leistungen hatten Beachtung gefunden und er konnte daran denken, sich eine Existenz als Schriftsteller zu gründen. Am 10. August reiste das junge Paar nach dem Süden ab. Vier Tage darauf kam es in Davos an, wo man im sogenannten Schlößchen ein kleines Logis mietete. In diesen Räumen hat der arme Schaumberger anderthalb Jahre hindurch ein Martyrium durchlebt, das nur durch die aufopfernde Liebe seines Weibes und die Freude über seine ersten litterarischen Erfolge gelindert wurde. Der plötzliche Tod des Pfarrers Bagge verdüsterte dies Schicksal noch. Das eigene Leiden mit schweigender Geduld zu tragen, hatte Schaumberger längst gelernt; der Schmerz seiner Magdalene um den Vater, der ihm selber der treueste Freund gewesen war, drückte ihn ganz danieder. In dieser Stimmung schrieb er am „Fritz Reinhardt,“ dem „Roman eines Dorfschullehrers“, seinem reifsten Werk. Noch konnte er am 15. März 1874 die Nachricht empfangen, daß auch dieser Roman einen Verleger gefunden habe. In der Morgenfrühe des folgenden Tages bat der Sterbende, man möge den Fensterladen öffnen, damit er das Tageslicht noch einmal erkennen könne. Es geschah, und noch einmal fiel der Blick des Dichters auf die vom Frührot überglänzten Riesen des Hochgebirges.

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Längst liegt die Ernte dieses kurzen Dichterlebens in einer stattlichen Gesamtausgabe in neun Bänden vor, welche ein zehnter mit H. Möbius’ Biographie ergänzt. Sehr verdient um den Erfolg der Schriften Schaumbergers hat sich sein Verleaer Julius Zwißler in Wolfenbüttel gemacht. Ihm ist auch das schöne Denkmal zu danken, das dem Genius des Dichters vor drei Jahren in der Illustrierten Ausgabe seiner Werke, mit den Bildern von Rud. Koeselitz, erstand. Schaumbergers Witwe, die ihres Gatten einziges Kind in treuer Pflege heranzog, bis auch dieses einem frühen Tode verfiel, lebt, dem Kultus der Erinnerung hingegeben, in Dresden, wo sie ein Pensionat leitet.



Blätter und Blüten.



Die Beisetzung des Fürsten und der Fürstin Bismarck. (Zu dem Bilde S. 200 u. 201.) Am 16. März, dem gleichen Tage, an welchem vor 11 Jahren Kaiser Wilhelms I entseelte Hülle im Mausoleum zu Charlottenburg ihre bleibende Stätte fand, wurden auch des großen Kanzlers sterbliche Ueberreste an die Stelle verbracht, welche der Gewaltige sich einst selbst zur dauernden Rast ersehen hatte und an der sich nun das prunklose ernste Mausoleum erhebt, dessen Ansicht wir unseren Lesern auf Seite 99 dieses Jahrgangs vor Augen geführt haben. Am Tage vorher war die Leiche der Fürstin in Friedrichsruh von Varzin eingetroffen und in einem kleinen vor dem Arbeitsgemach des Fürsten gelegenen mit einfachen Trauerdekorationen ausgestatteten Zimmer des Schlosses hatte man dann ihren Sarg und den des Fürsten aufgebahrt. Hierher ward nach seiner Ankunft ½12 Uhr mittags am Beisetzungstage Kaiser Wilhelm II, nachdem er die anwesenden Mitglieder der Familie Bismarck begrüßt hatte, von dem Fürsten Herbert und dem Grafen Wilhelm geführt, und in stummem Gebet verweilte er tief ergriffen am Sarge des ersten Kanzlers. Dann wurden die mit Kränzen reich geschmückten beiden Särge in den Schloßhof getragen, wo die aufgestellte Ehrenkompagnie vom 2. Hanseatischen Infanterieregiment Nr. 76 präsentierte und die Regimentskapelle den Choral „Jesus meine Zuversicht“ anstimmte. Jetzt setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Eröffnet wurde er von den Trommlern und der Musikkapelle des 76. Infanterieregiments, dahinter schritten zwei Geistliche, dann folgte der Sarg der Fürstin, abwechselnd von Förstern und von den in altspanische Tracht gekleideten Mitgliedern des Hamburger St. Anscharvereins getragen, sodann mit der Fürstenkrone aus Lorbeer zu Häupten der Sarg des Fürsten, den Unteroffiziere der Halberstädter Kürassiere und Mitglieder des Anscharvereins trugen. Unmittelbar hinter dem Sarge des Fürsten schritt der Kaiser in der Uniform des Halberstädter Regiments, ihm zur Linken Fürst Herbert Bismarck in Generalsuniform, hinter ihnen Graf Wilhelm mit Frau von Arnim, Gräfin Wilhelm Bismarck mit ihren Töchtern, Graf Rantzau mit seinen Söhnen, Graf Waldersee und das Gefolge des Kaisers. Die Fürstin Herbert Bismarck und die Gräfin Rantzau waren durch Krankheit an der Teilnahme verhindert.

Auf dem Wege vom Schlosse zum Mausoleum hatten die lauenburgischen Kriegervereine, die Ratzeburger Primaner und die Mitglieder des Hamburger Reichstagswahlvereins mit brennenden Fackeln in den Händen Spalier gebildet. In langsamem, feierlichem Schritt bewegte sich der Zug unter den Klängen des Beethovenschen Trauermarsches die Anhöhe jenseit der Bahn hinauf nach dem Mausoleum, dessen vergoldetes Kreuz von der Kuppel des stattlichen Turmes weit in das Land hinein leuchtet. Vor dem Eingange machte der Zug Halt. Die Särge wurden in die Kapelle getragen und das Trauergefolge gruppierte sich vor dem Mausoleum, wie es der Maler unseres Bildes lebensgetreu dargestellt hat. Vor dem Altar wurden die Särge niedergestellt, und der kleine Zug der ihnen Folgenden nahm im Mittelraum des Mausoleums Platz. Der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0227.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2020)