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Anton van Dyck. (Zu dem nebenstehenden Bilde und unserer Kunstbeilape.) Der „Antwerpener Schule“, die im siebzehnten Jahrhundert die niederländische Kunst mit neuem Leben erfüllte, verdankt die Welt eine lange Reihe herrlicher Gemälde. Ihr Begründer war Peter Paul Rubens, und als der genialste Schüler des Meisters gilt Anton van Dyck, der vor dreihundert Jahren, am 22. März 1599, in Antwerpen das Licht der Welt erblickte. Schon mit 10 Jahren fand er dort Aufnahme in ein Atelier als Malschüler und im Alter von 20 Jahren zog er als bereits berühmter Schüler von Rubens nach Italien, wo er namentlich aus den Werken Tizians und Paul Beroneses vielfache Anregung schöpfte; 1625 besuchte er Frankreich und kehrte in seine Heimat zurück. Im Jahre 1632 folgte er dem Rufe König Karls I nach England. Hier wurde van Dyck mit großen Ehren ausgezeichnet und in die Lage versetzt, einen fürstlichen Haushalt zu führen. In England verheiratete er sich auch mit der schönen und musikbegabten Mary Ruthven, einer Tochter des Grafen Gowrie. Die revolutionären Ereignisse veranlaßten ihn jedoch, sich nach einem neuen Wirkungskreis umzusehen, aber weder in seiner Heimat noch in Paris fand er, was er wünschte, und so kehrte er nach England zurück, wo er bald nach seiner Ankunft, am 9. Dezember 1641, starb.

Selbstbildnis Anton van Dycks in den Uffizien zu Florenz.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E., Paris und New York.

Van Dyck erwarb sich besonders als Porträtmaler einen Weltruf. Er hatte die Gabe, in seinen Porträts das Liebenswürdige der Personen in ihrer Charakteristik hervorzukehren, und diesem Triebe entsprach seine auf milde, heitere, durchaus harmonische Farbenstimmung ausgehende Technik. An die Bildnisse, die van Dyck von seinem Gönner Karl I und dessen Familie malte, setzte er die Vollkraft seines Talents. Vielbewundert sind namentlich die Gruppenbilder, welche die Kinder des Königs darstellen; eines derselben, das jetzt sich in der Dresdner Galerie befindet, giebt unsere Kunstbeilage wieder. Das größte der drei Kinder, in Knabenkleidung, ist der Prinz von Wales (nachmals König Karl II), das kleinste, neben ihm, der Herzog von York (nachmals König Jakob II), die Schwester, Prinzessin Maria, wurde später die Gattin des Prinzen Wilhelm II von Oranien.

Belauscht. (Zu dem Bilde S. 149.) Wo zwei Jugendfreunde, die der Strom des Lebens auseinander geführt, unversehens wieder zusammenstoßen, da geht es an ein umständliches Erzählen, besonders wenn nur einer von ihnen sich draußen in der Welt herumschlug, während der andere fein still zu Hause saß und in kluger Handelschaft sein Gut mehrte. So sehen wir hier in einer Stube des 17. Jahrhunderts einen noch jugendlichen Kaufherrn nach dem Mittagsmahl voll Ergötzen den Schilderungen des Feldhauptmanns lauschen, der sich im großen Krieg herumgetrieben und unzählige Abenteuer erlebt hat. Dem Gast zu Ehren brachte die junge Hausfrau das neue, kostbare Getränk aus den Blättern des Thees; sie schenkte beiden ein und wandte sich dann zum Gehen, unaufgehalten von den beiden Männern, die lieber allein ihre Erlebnisse austauschen. Hinter ihnen aber, von dem großen Wandschirm geschützt, steht jetzt die arglistige Lauscherin und fühlt sich gleichfalls zu großer Heiterkeit gestimmt, denn jeht erfährt sie allerhand, was sie schon lange gern gewußt hätte, und wird sicher nicht verfehlen, wenn der Gemahl wieder einmal den sehr Würdevollen herauszukehren beliebt, mit weiblicher Schlauheit die Trümpfe auszuspielen, welche ihr hier männliche Harmlosigkeit so schön in die Hand liefert. Bn.     

Gudrun am Meere. (Zu dem Bilde S. 161.) Während das Nibelungenlied vornehmlich die Ufer des Rheins und der Donau zum Schauplatz hat, ist das andere große Volksepos des deutschen Mittelalters, das Gudrunlied, an den Ufern der Nordsee heimisch. Das rauhe Heldentum der nordischen Seekönige, die Romantik der Wikingerfahrten, auf denen der beständige Kampf mit den Tücken des Meeres die Kräfte stählte für die Kämpfe mit Speer und Schwert, finden in diesem Heldengesang ihre Verherrlichung. Für den Zauber, den diese von Meeresrauschen und Waffengeklirr durchtönte Sagenwelt der deutschen Nordseeküste auch in Süddeutschland auf die Volksphantasie geübt hat, ist es bezeichnend, daß gerade die sie behandelnden volkstümlichen Spielmannslieder von einem oberdeutschen Dichter zu solch einem größeren Epos verschmolzen wurden. Und von eigenem Reiz ist es, sich vorzustellen, wie inmitten der verfeinerten Kultur des Lebens auf den Schlössern und Burgen von Oesterreich und Schwaben manch zartem Edelfräulein das Herz erbebte, wenn der Mund des fahrenden Sängers von der Schmach der schönen Königstochter Gudrun erzählte, die als Gefangene im Normannenland, weil sie standhaft den Werbungen König Hartmuths trotzte, zu niedrigsten Magddiensten verurteilt ward und notdürftig gekleidet am Meeresstrand mit ihrer treuen Gefährtin Hildburg die Kleider des Hofgesinds waschen mußte, während der rauhe Nord eisig um ihre Glieder fuhr. Leekes Bild zeigt uns Gudrun, das stolze Königskind der Hegelingen, am letzten Tage ihrer Leidenszeit. Wie oft hat sie nicht trostlos und verzagt, während sie aufatmend von der rauhen Arbeit rastete, an dieser Stelle hinausgeblickt in die Ferne, aus welcher sie Hilfe erhofft! Jetzt leuchtet freudige Zuversicht in ihrem Blick; der Wundervogel hat ihr ja verkündet, daß ihre Mutter Hilde daheim ein Heer gerüstet hat und daß nunmehr auf stolzer Flotte die Freunde ihres Vaters herannahen, um dessen Tod zu rächen. Vergeblich war König Hettel den frechen Räubern seiner Tochter aus Normannenland nachgesetzt, in der Schlacht auf dem Wülpensand an der Scheldemündung hatte er der Uebermacht derselben erliegen müssen. Jahre sind vergangen seitdem, und Gudrun hat in ihrer Gefangenschaft nichts von dem Schicksal der Ihrigen gehört. Nun aber schlägt die Stunde der Erlösung. Der herbe Dienst als Wäscherin, den sie nun schon so lange hier unten am Klippenstrand mit Hildburg verrichtet, wird ihr jetzt zum Segen. Als Kundschafter nahen Herwig, Gudruns getreuer Anverlobter, und Ortwein, ihr Bruder, dem Ufer; sie werden die Wäscherinnen gewahr und rufen ihnen zu. Es ist eine der schönsten Scenen des Gudrunlieds, welche uns schildert, wie die ihrer Erniedrigung und Blöße sich schämende Königstochter von ihrem Bruder und von dem Mann ihrer Liebe staunend erkannt wird.

 Die Weidenpfeife.
 (Zu dem Bilde S. 157.)
Du brauner Knabe dort am Zaune,
Sieh nur, wie schön dein Werk gelingt!
Wenn so in heit’rer Frühlingslaune
Dein Weidenpfeifchen hell erklingt,
Dann kommt der Lenz in unsre Lande
Und bringt die alten Klänge mit
Wie einst, als selbst am Teichesrande
Als Knab’ daheim ich Pfeifen schnitt.

Wie einst, als Dotterblumenkränze
Umsäumten golden Teich und Bach,
Und als zum lust’gen Tanz im Lenze
Die Mückenschwärme wurden wach. –
Lang’ ist es her, doch wie im Traume
Steigt meiner Jugend Lenz empor:
Die Stare schwatzen hoch im Baume,
Und drunten sprießt das Gras hervor.

Fern hör’ ich, wie im Waldgehege
Sein Liedlein bläst der Postillon,
Und aus dem Häuschen dort am Wege
Klingt hell der Schmiedehämmer Ton. –
Froh laß, o Knab’ im Weidenhage,
Dein Pfeifchen tönen hell und frei;
Sein Klang weckt neue Frühlingstage
Und mir – und mir der Jugend Mai.

 W. Schulte vom Brühl.



Herausgegeben unler verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G m. b H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0164.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2020)