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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

die Zeichenschule der Künstlerinnen in Berlin eintrat. Nach vollendetem Kursus kehrte sie nach Hannover zurück und gründete daselbst einen Zeichen- und Malkursus für junge Damen, gleichzeitig arbeitete sie emsig als Schülerin des Professors Jordan. Als Vorbilder dienten ihr Blumen und Stillleben. Auf das Drängen ihrer Schülerinnen, die ihr sehr zugethan waren, und auf die Ermutigung ihres Lehrers hin malte sie drei Bilder für die Frühjahrsausstellung des Jahres 1893 zu Hannover, die von der Jury sämtlich angenommen wurden. Sie wandte sich dann auch der Landschaftsmalerei unter Leitung des Malers Paul Koken zu, doch vernachlässigte sie nicht ihre besondere Specialität, die Blumen und das Stillleben. Prof. Dr. E. F. Riemann.     

Gemalter Ofenschirm.
Von Catalina Brandenburg.


Verraten. (Zu dem Bilde S. 117.) Sie sind nicht mehr in den Flitterwochen, der Frieder und sein Kätherle, aber die Lustigkeit ist ihnen doch noch nicht vergangen, und eine kleine Fopperei macht besonders ihr einen hellen Spaß. Heut’ war er in der Stadt, und sie hat inzwischen große Wäsche gemacht. Nun sieht sie ihn schnell vom Bahnhof herlaufen; er hat es eilig, heim zu Weib und Kind zu kommen, und er schaut, ehe er nur die Thüre erreicht, zum Küchenfenster hinein, wo seine Kleine scheinbar einsam und verlassen mit ihrem Püppchen sitzt. „Liesle, wo isch d’Muetter?“ fragt er mit enttäuschter Miene, und das schlimme Kätherle freut sich schon unbändig aufs Auslachen, wenn er im ganzen Hause umsonst herumsucht und zuletzt hier hereinkommt. „Liesle, sag nix!“ hat sie eben noch gewispert und hält drohend den Finger in die Höhe, während sie sich lautlos hinter die Thüre drückt. Aber das vierjährige Blondköpfchen hat auch schon seine Ansichten über einen guten Spaß. Unverzagt streckt es sein rosiges Zeigefingerlein aus und ein lachendes: „Do steht sie!“ belehrt die erwartungsvolle Mutter, daß ihr Töchterlein entschieden nicht aus der Art geschlagen ist! Bn.     


Sankt Georg. (Zu unserer Kunstbeilage.) Kein anderer Schutzheiliger der Christenheit ist von der deutschen Kunst mit solcher Vorliebe verherrlicht worden wie Ritter Sankt Georg. Nach der Legende stammte der zum Heiligen erhobene Held aus einem Patriciergeschlechte in Kappadocien. Er diente zur Zeit des Kaisers Diocletian mit Auszeichnung im römischen Heer. Doch als der Kaiser die Christen zu verfolgen begann, erhob sich der Ritter wider ihn und verwies ihm seine Grausamkeit, wofür er im Jahre 303 den Märtyrertod erlitt. Erst in der im 13. Jahrhundert erschienenen „Legenda aurea“ findet sich die Angabe, daß dieser heilige Georg einen Lindwurm getötet habe, der die Königstochter Aja zu verschlingen drohte. Aber schon die frühesten Darstellungen des Heiligen zeigen ihn als Drachentöter; sein Kampf mit dem Drachen hatte dort symbolische Bedeutung und war ein Hinweis auf sein heldenhaftes Eintreten gegen den mächtigen Widersacher des Christentums. Dieser kühne Drachentöter, der so viel Aehnlichkeit mit dem germanischen Heldenideal Siegfried hat, wurde in Deutschland frühe als Schutzpatron des Rittertums verehrt. Zur Zeit der Kreuzzüge entstanden verschiedene Ritterorden, die sich nach ihm benannten; Friedrich III stiftete einen geistlichen Ritterorden des heiligen Georg. Seine Gestalt ward zum Inbegriff aller ritterlichen Tugend, zum leuchtenden Vorbild der Tapferkeit, die sich mit christlicher Demut in den Dienst des Höchsten stellt. Aber auch jeder schlichte Reitersmann und Waffenknecht sah in dem heiligen Georg seinen Patron. Wer erinnert sich nicht der Scene in Goethes „Götz“, wo „Bruder Martin“ den braven Knappen des Berlichingers Georg nach seinem Namen fragt und nach empfangenem Bescheid ausruft: „Georg! da hast du einen tapfern Patron!“ „Sie sagen, er sei ein Reiter gewesen, das will ich auch sein!“ erwidert der frische Junge. Bruder Martin entnimmt seinem Gebetbuch ein Heiligenbild: „Da hast du ihn, sei brav und fürchte Gott!“ Und Georg jubelt: „Ach, ein schöner Schimmel! wenn ich einmal so einen hätte! – und die goldne Rüstung! – Das ist ein garstiger Drach’ – jetzt schieß’ ich nach Sperlingen – heiliger Georg! mach mich groß und stark, gieb mir so eine Lanze, Rüstung und Pferd, dann laß mir die Drachen kommen!“

Christliche und weltliche Kunst haben schon im frühen Mittelalter gewetteifert, diesen echt deutschen Volksheiligen darzustellen. Bald wurde sein Drachenkampf aufgefaßt als Symbol des Glaubens, der das Böse überwindet, bald als Vorbild für jedes tapfere Waffenwerk. Auch die moderne Kunst hat dem heiligen Georg dieses Interesse bewahrt. Altmeister Diez legt in seinem Bild den Nachdruck auf die Demut des Ritters. Der Drache ist erlegt, die Kreuzesfahne ruht gesenkt auf des Ritters Schultern und sein Antlitz ist andächtig geneigt wie im Gebet.


Dem letzten Veteranen von 1813.

Zum 105. Geburtstag August Schmidts in Wolgast.

Am 11. Februar beging der letzte noch am Leben befindliche Veteran von 1813, August Schmidt in Wolgast, unter allgemeiner Teilnahme seinen 105. Geburtstag. 1795 in der pommerschen Stadt Anklam als Sohn eines Uhrmachers geboren, erlebte der Knabe die furchtbare Zeit, in welcher nach Jena und Auerstedt die Heerscharen Bonapartes das norddeutsche Land überfluteten. Am 17. März 1813, dem Tag nach der Kriegserklärung Preußens an Frankreich, trat der achtzehnjährige Jüngling als Freiwilliger in das 1. pommersche Infanterieregiment ein. In diesem hat er die drei Feldzüge von 1813 bis 1815 mitgemacht und in den Schlachten bei Bautzen, Großbeeren, Dennewitz, Leipzig, Laon, Ligny und Waterloo tapfer mitgefochten. Nach seiner Heimkehr ließ sich August Schmidt in Wolgast nieder, wo er es als tüchtiger Goldschmied bald zu Ansehen brachte und jetzt in behaglichen Verhältnissen die Muße seines gesegneten seltenen Alters genießt. Hochgeehrt von seinen Mitbürgern, ist „Vater Schmidt“ in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand herzlicher Sympathiebeweise geworden; die „Gartenlaube“ brachte im Jahrgang 1895 sein Bildnis und eine eingehende Schilderung seines Lebens von Paul Holzhausen, der nunmehr zum 105. Geburtstage dem greisen Veteranen ein Gedicht gewidmet hat, das wir in der Lage sind, unseren Lesern hier darzubieten.

Hoch liegt die Stadt an Pommerns Bucht,
Wo einst der Schwed’ gelandet,
Die blaue Wog’ in ew’ger Flucht
Zur See flieht, kaum gestrandet.

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Ein Haus in jener Stadt ich weiß,

Am Thor die Linde rauschet;
Am Fenster sitzt ein stiller Greis,
Er sitzt und sinnt und lauschet.

Vor seinem Ohr erdröhnt Geschütz,

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Laut rasseln Pulverwagen,

Der Donner ist’s von Dennewitz,
Wo sich der Ney geschlagen.

Ein Splittern, Krachen hört sein Ohr,
Er sieht in Flammenhäuser:

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Schon ward gebrochen Leipzigs Thor,

Es floh der stolze Kaiser.

Da war er jung, der „Vater Schmidt“,
Wie konnt’ er schnell marschieren,
Da zog er auch nach Frankreich mit,

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Bei Pommerns Füsilieren.


Und als der Held Napoleon
Vom fernen Insellande
Zurückerobert seinen Thron,
Als frisch der Krieg entbrannte,

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Hat er sich wieder aufgemacht

Und bald in Belgiens Landen
Im Feu’r der heißen Junischlacht
Auf Lignys Feld gestanden.

Und nieder ist ein stiller Glanz

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Auf seine Stirn gestiegen,

Er denkt der Nacht von Belle Alliance,
Als die Kanonen schwiegen.

Er denket an die Wiederkehr,
Als, auf der Brust den Orden,

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Er hingestellt hat das Gewehr

Und ist ein Goldschmied worden.

Er denkt, wie in der Ostseestadt
Wohl mehr als fünfzig Jahre
Die Ringlein er geschmiedet hat

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Gar manchem jungen Paare.


Das hat mir vor geraumer Zeit
– Ich werd’ es nicht vergessen –
Vertraut er selbst, als ich zur Seit’
Im Sofa ihm gesessen.

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Schon in die neunzig war der Greis,

Heut’ sind es hundertviere,
Ein neu Jahrhundert klopfet leis
Von draußen an die Thüre.

O, mögest du ihm gnädig sein,

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Allmächt’ger Herr der Zeiten,

Laß noch den neuen Morgenschein
Auf seine Stirne gleiten!

Laß noch die Enkel um ihn her
Ihm lauschen stillverwundert,

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Wenn er erzählt die große Mär

Dem zwanzigsten Jahrhundert.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0132.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)