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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


in vielen Arbeiterhaushaltungen erscheint. Es ist also diese Veranstaltung als eine sehr wohlthätige zu begrüßen; sie verdiente wohl auch in anderen Orten Nachahmung zu finden! Wer sich für die Einrichtung interessiert, erhält gern Auskunft von dem Vorstand des Evangelischen Diakonievereins in Berlin-Zehlendorf.


Wels in Oberösterreich.

Wels in Oberösterreich. (Mit dem obenstehenden Bilde.) Bevor die Traun unterhalb Linz in die Donau mündet, durchfließt sie als schiffbarer Fluß die Welser Heide. Im Südwesten dieses breiten schon lange in fruchtbares Ackerland verwandelten Thales erheben sich, aus weiter Ferne sichtbar, die Türme von Wels. Eigenartige Bauten aus alter Zeit zeugen von der ehemaligen Bedeutung der Stadt. Vor allem bemerkenswert ist die gotische Stadtpfarrkirche, die aus dem 9. Jahrhundert stammt, dann die ehemalige kaiserliche Burg, in welcher Max I, der „letzte Ritter“, starb. Heute hat Wels mehr als 10000 Einwohner und zeichnet sich durch Gewerbfleiß und einen regen Handelsverkehr aus. Die weitere Blüte der Stadt wird durch ihre günstige Lage gefördert, denn Wels bildet den Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Wien-Salzburg und Wien-Passau-Simbach, von dem sich noch zwei Lokalbahnen abzweigen. Vor einigen Jahren ist in Wels eine Entdeckung gemacht worden, die geeignet erscheint, die Entwicklung der Industrie besonders günstig zu beeinflussen. Das Traunthal bei Wels ist mit einer dem Alpengebiete entstammenden Schotterschicht bedeckt, deren Untergrund ein tertiärer Mergelschiefer bildet. Derselbe, durchweg als „Schlier“ bezeichnet, ist für Wasser undurchlässig und enthält gasführende Schichten, die durch Bohrung erschlossen werden. Aus den Bohrlöchern entweicht das Gas, mit dem von oben eindringenden Grundwasser gemengt, in größeren oder kleineren Mengen. Es ist ein leicht brennbares Kohlenwasserstoffgas, welches für Feuerungs- und Beleuchtungszwecke nutzbar gemacht werden kann. Das Vorhandensein dieses Erdgases wurde im Jahre 1891 bei Bohrungen zur Anlage artesischer Brunnen von dem Techniker Ferdinand Aufschläger aus Simbach am Inn entdeckt. Seitdem haben sich an vielen Punkten der Stadt die Besitzer von Häusern und Grundstücken entschlossen, ähnliche Bohrungen bis zu einer Tiefe von 200 m und darüber anzustellen. Dieselben wurden zumeist von Erfolg begleitet, indem das Gas stoßweise, mit dem entströmenden Wasser abwechselnd, dem Bohrloche entweicht. Gewöhnlich pflegt man eine kleine Gasometerglocke in die unmittelbare Nähe des Bohrloches zu stellen, von welcher dann das Gas in die einzelnen Räumlichkeiten des betreffenden Hauses zu den Oefen, Kochherden und Lampen geleitet wird. Die Heizkraft dieses Gases ist gut, die Leuchtkraft ließ anfänglich manches zu wünschen übrig. Durch die Anwendung Auerscher Glühkörper wurde jedoch dieser Uebelstand gänzlich gehoben. Auch im großen wurden bereits Versuche angestellt, die Erdgase der Industrie nutzbar zu machen, und Fabrikbetriebe auf Erdgas eingerichtet. *     


Unsere Flora.
Nach dem Gemälde von Catalina Brandenburg.

Catalina Brandenburg. (Mit den Abbildungen S. 131 und 132.) Zwei ansprechende Bilder führen wir heute unseren Lesern vor: ein reizendes Stillleben und einen mit geschmackvoller Malerei verzierten Ofenschirm. Sie sind Werke der deutschen Malerin Catalina Brandenburg, deren Lebensgeschichte ein besonderes Interesse erweckt. Zeigt sie uns doch, wie eine durch falsche Erziehung vernachlässigte künstlerische Beanlagung noch in späteren Lebensjahren zur Blüte und Entfaltung gelangen kann. Als Kind deutscher Eltern erblickte C. Brandenburg im Jahr 1848 zu Trubia[WS 1] in Spanien das Licht der Welt, kam dann mit ihrer Mutter im zweiten Lebensjahre nach Lüttich, wo sie mit ihrem jüngeren Bruder die Kindheit verlebte. Mit 10 Jahren verlor sie ihre Mutter. Ein Oheim, der Bruder der Mutter, gab die beiden Waisen in eine kleinbürgerliche Familie in Pension, wo Catalina großes Unrecht erfuhr, indem ihre Pflegeeltern ihre geistige Erziehung vollständig vernachlässigten und sie als Dienstmädchen verwendeten. Im Alter von 14 Jahren ließ sie der Oheim nach Rußland kommen, wo er als Kaufmann lebte. Unter der Leitung seiner Schwester wurde Catalina für den Beruf einer Hausfrau vorbereitet, den einzigen Beruf, der nach seiner Ansicht einer Frau zukam. Zehn Jahre später fiel ihr eine kleine Erbschaft zu, wodurch sie von ihren Verwandten unabhängig wurde; jetzt erst, mit dem 24. Lebensjahre, begann sie ihre geistige Ausbildung zu gestalten. Sie fand zunächst in Thorn in einer Lehrersfamilie Aufnahme. Hier zeigte sie erzieherisches Talent im Umgange mit den Kindern der Familie, deren Haupt sie überredete, den Lehrerinnenberuf zu ergreifen. Zunächst galt es vor allem die Kenntnisse zu erwerben, die zum erfolgreichen Besuch eines Lehrerinnenseminars nötig waren. So lernte sie in buntem Wechsel alles mögliche, Botanik und Musik, Geschichte und Sprachen, nur nicht Zeichnen, trotzdem sie sich in Mußestunden damit beschäftigte. Ostern 1873 radierte sie den Kindern der Familie, in welcher sie in Thorn verweilte, Engelsköpfe auf die gefärbten Eier. Glückselig zeigten die Kleinen ihrem Vater die Schätze, worauf dieser, über das noch nicht erkannte Talent überrascht, ihr anriet, Zeichenunterricht zu nehmen.

Nachdem Catalina das Lehrerinnenseminar in Graudenz mit Erfolg besucht hatte, wurde sie Lehrerin, unterrichtete aber nicht im Zeichnen, sondern hauptsächlich in der französischen Sprache und in anderen Lehrfächern. Erst im Jahre 1884, im 36. Lebensjahre, erhielt sie zufällig neben dem Sprachunterricht auch die Leitung der Zeichenklasse in einer Privatanstalt in Hannover. Dadurch wurde ihr Interesse für die Malerei so sehr erregt, daß sie den Lehrerinnenberuf im Jahre 1885 aufgab und zunächst nach einjähriger privater Ausbildung in

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Trabia
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0131.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)