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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Wörtl! Neulich auf d’ Nacht hab’ ich ein’ Rausch g’habt. Und da hab’ ich mich ein bißl ung’hörig aufg’führt gegen Ihnen … und das reut mich, ja! Aber heut’ bin ich nüchtern!“

Martin runzelte die Brauen. „Was soll das heißen?“

„Es is nur, daß der Herr Kammerdiener weiß, wie er dran is mit mir.“ Pepperl trat von der Thüre weg. „So!“

„Sie scheinen zu glauben, daß ich an Ihr unqualifizierbares Benehmen von neulich eine Minute später noch gedacht habe? Da thun Sie sich doch ein wenig zu viel Ehre an, junger Mann.“

„Is schon möglich! Unsereins halt’ eben ein bißl was auf sein’ Ehr’. Deswegen zwick ich Ihnen von der Ihrigen nix ab. Sie thät’ mir net in d’ Joppen passen! Na!“

Martin zuckte mit hochmütigem Lächeln die Schultern, und während er zur Thüre hinausschritt, grüßte er freundlich: „Adieu, Burgerl!“

„B’hüt’ Ihnen Gott, Herr Martin!“ klang es so dünn wie ein Zwirnsfaden vom Herd herüber.

Draußen waren Martins Schritte schon verhallt, und Pepperl stand immer noch stumm, breitspurig und regungslos neben der Thüre.

Burgi that, als wäre der Jäger Luft für sie. Bald hantierte sie mit dem Geschirr, bald wieder legte sie ein frisches Scheit in das flackernde Feuer, und bei allem drehte sie der Thüre immer den Rücken zu.

„Jaa!“ sagte Pepperl endlich, ging auf den Tisch zu, setzte sich auf den leergewordenen Stuhl und begann in aller Gemütsruhe sein Pfeiflein zu stopfen. Als diese umständliche Arbeit erledigt war, hob er das Bein und strich an der Lederhose das Zündholz an. „Ja, ja, ja, ja!“ nickte er vor sich hin, während er nachdenklich den brennenden Schwefel betrachtete. „So geht’s halt auf der Welt!“ Mit langen Zügen begann er zu paffen.

Burgi stöberte die brennenden Scheite durcheinander und schoß einen wütenden Blick nach dem Jäger.

„Mußt denn du allweil grad’ bei mir herinn sitzen?“

„Da herinn g’fallt’s mir halt, weißt!“

„So?“

„Ja!“

„Wär’ mir lieber, es thät’ dir wo anders besser g’fallen!“

„So?“

„Ja!“

„No, die Zeit, wo’s mir da herinn nimmer g’fallt, kann auch noch kommen!“

„Hoffentlich bleibt’s net gar z’lang’ aus!“

„Ja, is schon möglich! Es giebt Sacherln auf der Welt, die haben g’schwinde Füß’!“

„Geh? Is’ wahr?“

„Ja!“

Mit trockenem Lachen faßte Burgi die Holzlatte, um den Inhalt des Kessels wieder aufzurühren. Eine Weile hörte man nur das Knistern des Feuers und das angestrengte Paffen des Jägers.

„Heut’ macht’s aber ein’ staden Tag!“ sagte Pepperl endlich. „Plauschen wir lieber ein bißl was!…… No also, wie geht’s und wie steht’s denn allweil, Frau Jagdverwalterin? Haben S’ heut’ den herrschaftlichen Stall schon auf’putzt? Ja?“

Burgi fuhr auf wie von einer Natter gestochen. Aber im ersten Augenblick wußte sie nicht, was sie sagen sollte. Ihre Finger arbeiteten, als hätte sie etwas unter den Händen, dem es übel ergehen sollte. Plötzlich trat sie auf den Jäger zu, beugte den Kopf bis zu seiner Nase hinunter und zischelte ihm ins Gesicht: „Du! Jetzt will ich dir was sagen! Um alles andere frag’ ich net … aber bei’m Herrn Martin seiner Privatsach’, die er mir anvertraut hat, da hab’ ich d’ Hand drauf ’geben, daß nix weiter kommt. Du! Das möcht’ ich mir fein ausbitten, daß du jetzt ein’ Tratsch machst, und daß’s nachher hint’nach heißen thät’: ich hab’s g’sagt! Verstehst mich?“

Pepperl blies ihr den Rauch ins Gesicht, daß sie husten mußte, und zuckte die Achseln. „Das kann ich jetzt halten, wie ich mag! Ich hab’ ja nix versprochen!“

„So? So?“ Fuchtelnd wehrte sie mit beiden Händen den Rauch von sich ab. „Gleich schauen thät’s dir schon, dir, daß d’ jetzt umeinander rennst in der ganzen Gegend und alles ausschreist! Gelt?“

Das Blut stieg ihm ins Gesicht, aber er blieb ruhig. „So? Schaut’s mir gleich? No ja!“ Und paff, hatte sie wieder eine Wolke unter der Nase.

„Jetzt hör’ einmal auf!“ fuhr sie ihn hustend an. „Und blas mir net allweil dein’ Stinkadores ins G’sicht!“

„Freilich, du vertragst halt bloß so ein fein’s Cigarettendampfl! Uebrigens … wenn dir sonst kein’ Sorg’ net aufliegt, als daß ich ein’ Tratsch mach’, da kannst dich trösten. Lugen red’ ich net weiter, und … daß ich den Schwindel mit der Jagdverwaltung glaub’, für so strohdumm möcht’ ich mich von die Leut’ schon net halten lassen!“

Burgi atmete erleichtert auf und kehrte zum Herd zurück. Einen „Tratsch“ brauchte sie nicht zu fürchten, das wußte sie jetzt. Und über das Loch, das Pepperl mit dem Wörtlein „Schwindel“ in ihrer halben Hoffnung aufgerissen hatte, machten ihre Gedanken einen großen Sprung.

„Bist ihm halt neidisch, gelt?“

„Dem? Na!“

„Und ärgern thust dich, daß er sich mit dir net abgiebt!“

„Daß ich ihm net g’fall’, das begreif’ ich! Weißt, ich hab’ halt an mir nix so ‚Urrwixigäs‘ und ‚Härzigäs‘, wie er’s gern hat!“

„Natürlich, so ein Lümmel wie du!“

„Ja freilich! Ich hab’s ja hören können, daß dir net leicht einer so z’wider is wie ich!“

„So?“ Die Schadenfreude blitzte aus ihren Augen. „Hast das auch aufg’schnappt! Ich hab’s eh’ nur g’sagt, damit du’s hörst!“

„Geh?“

„Ja! Meinst ’leicht, ich hab’ dich net umraspeln hören hinter der Wand da draußen?“ Als sie die verdutzten Augen sah, die er machte, versetzte sie der Wahrheit und Logik einen gelinden Puff und sagte: „Wenn’s da herinn was zum Verheimlichen geben hätt’ … meinst, ich hätt’ den Herrn Martin weiterreden lasten, wenn ich doch weiß, wer draußen steht mit die g’spitzten Luser! Uebrigens … schenieren möcht’ ich mich! Mit die Ohrwascheln umeinander rutschen hinter der Mauer! Aber …

Der Lauscher an der Wand
Hört seine eig’ne Schand’!

Kennst es ja, das Sprüchl, gelt?“

„Ja!“ Pepperl biß in die Pfeifenspitze, daß es knirschte. „Schand’ hab’ ich g’nug g’hört … aber net die meinig’!“

„Du!“

Das Wort war ihr wie ein Dolch von den Lippen geflogen. Und das brennende Scheit, das sie gerade tiefer ins Feuer schieben wollte, hatte sie in der Hand behalten. Der Rauch quoll an ihr hinauf, und die Flamme züngelte nach ihrer Schürze.

Da war es um Pepperls Ruhe geschehen. Ein Sprung, und er stand an ihrer Seite, riß ihr das Scheit aus der Hand, um es ins Feuer zu werfen, und schrie ihr mit aller Ueberzeugung eines ehrlichen Menschen ins Gesicht: „Madl! Ich sag’ dir’s, und mir kannst es glauben: er lügt dich an! Der!“

Sie wurde bleich und trat einen Schritt zurück. „Gelt, du! Nimm dich fein in acht! So was laß ich mir net sagen! Von dir schon gar net! Und zum Anlügen g’hören allweil zwei … da müßt’ ich auch noch dabei sein! Aber weil du vom Herrn Martin bloß allweil ’s Schlechte glaubst, deswegen mußt noch lang’net recht haben!“

„Ja, Madl! Ja, Madl!“ Pepperl fuhr ihr mit den fuchtelnden Händen fast ins Gesicht. „Wie kannst denn nur so was glauben! Der? Und Jagdverwalter? Da macht man doch ehnder noch ein’ Pudel zum Pfarrer! Und wieviel hat er g’sagt … viertausend Gulden? Ja! Viertausend Pfifferling’ mit Schneckensoß’, und eine Tracht Prügel dazu … das verdient er! Der!“

Der Brustton, mit welchem Pepperl gepredigt hatte, schien den zornigen Trotz des Mädchens schon ins Wanken zu bringen. Aber was der Jäger in immer heißerem Eifer noch weiter vorbrachte, verdarb wieder alles.

„Ich sag’ dir’s, Madl, ich sag’ dir’s: er führt dich an! Meinst denn, ich hab’s net g’merkt, gleich am ersten Abend, wie er dich ang’schaut hat? Kümmern thut’s mich freilich nix. Denn ich will nix von dir! Na! Fallt mir net ein! Da wüßt’ ich mir noch lang’ ein’ andere als dich. Aber als guter Freund, hab’ ich mir denkt, muß ich das dumme Madl doch ein bißl verwarnigen. Drum hab’ ich in der Nacht an dein Kammerl ’klopft! Ja! Sonst wegen nix! Aber hast dir ja nix sagen lassen! Natürlich, und jetzt is der Teufel los! Jetzt hat er dich an’plauscht!

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0106.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)