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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Das Bismarck-Mausoleum im Sachsenwalde.
Nach einer Photographie von H. Breuer in Hamburg.

hatte. Am 8. Februar dieses Jahres darf nun der Nestor der deutschen Schriftstellerwelt in dieser staunenswerten Frische des Geistes und Körpers ein ganz persönliches Jubiläumsfest feiern, und sein achtzigster Geburtstag wird nicht nur in Frankfurt a. M., das ihm seit 1848 zur zweiten Heimat ward, sondern auch in weiteren Kreisen der Nation von vielen festlich begangen werden. Auch die „Gartenlaube“ bringt ihm zu seinem Ehrentage aufs herzlichste ihre Glückwünsche dar.

In mehr als 40 Bänden hat Wilhelm Jordan, der 1819 als Sprosse eines alteingesessenen ostpreußischen Pastorengeschlechts in Insterburg zur Welt kam, die Resultate seines hochgerichteten Wirkens als Dichter und Forscher niedergelegt, das ihm die Anwartschaft auf dauernden Ruhm und dauernde Dankbarkeit sichert. Werke der verschiedensten Art finden sich in der langen Reihe dieser Bände: Epen, Dramen, Romane, lyrische und lehrhafte Gedichte, sprach- und sagengeschichtliche Studien, religionsphilosophische Offenbarungen, Uebersetzungen von Homer und der Edda. In ihrer Mehrzahl aber stehen sie in organischem Zusammenhang mit dem einen großen Hauptwerk seines Lebens, dem Doppelepos seiner „Nibelunge“, dessen erster Teil, die „Sigfridsage“, 1868, dessen zweiter Teil, „Hildebrants Heimkehr,“ 1874 in Buchform erschien, das er aber nach Form und Inhalt mit der Absicht gestaltete, es nach dem Muster der Rhapsoden und Barden der Vorzeit persönlich zum Vortrag zu bringen, ihm „Leben zu geben im Laut.“ Seit 1862 ist er dann hinausgezogen aus seiner stillen Frankfurter Dichterklause auf immer weiter sich dehnende Rhapsodenfahrten, die sich schließlich auch durch alle größeren Städte Amerikas mit deutscher Einwohnerschaft erstreckten. Tausende und aber Tausende haben die Hauptgesänge von Jordans Neugestaltung der Siegfried- und Hildebrantsage durch ihn selbst kennengelernt und dem Wohllaut seiner Stabreimstrophen gelauscht, die er mit seinem ehernen tiefen Organ wie kein zweiter zu meistern weiß. Mächtig hat der patriotische Geist, der diese Bilder von altgermanischem Heldentum durchdringt, in den Jahren gewirkt, welche der heldenhaften Entfaltung der deutschen Volkskraft im Sieg über Frankreich und der Gründung des Deutschen Reiches vorausgingen und dieser direkt folgten. In neuerer Zeit ist eine andere Eigenschaft seines Epos zu immer größerer Geltung gelangt. Der dem Dichter von Jugend auf innewohnende Trieb, die Ergebnisse der modernen Forschung zum Stoff poetischer Gestaltung zu machen, hat auch seinen „Nibelunge“ den Charakter eines modernen Lehrgedichts verliehen. Die großen Entwicklungsgesetze, welche die Naturwissenschaft in unserm Jahrhundert für die organische Welt feststellte, spiegelte der Dichter in dem Schicksal der Heldengeschlechter, von denen uns die „Edda“ und das alte deutsche Volksepos berichtet. In seinen Romanen „Die Sebalds“ und „Zwei Wiegen“, in den „Andachten“ und der „Erfüllung des Christentums“ hat er dann unmittelbarer die Grundgedanken seiner beglückenden hoffnungsfrohen Weltanschauung dargelegt, welche aus dem Entwicklungsgesetz für unsre Nation und die Menschheit die Gewähr des Fortschritts zu immer größerer Vollkommenheit entnimmt. Auch das graziöse geistvolle Lustspiel „Durchs Ohr“, das jetzt an Jordans Ehrentag auf vielen deutschen Bühnen zur Aufführung gelangt, hat einer naturwissenschaftlichen Beobachtung die Grundidee zu verdanken.

In diesem Drang, der wissenschaftlichen Erkenntnis neuen Stoff für die Poesie abzugewinnen, hat Wilhelm Jordan neue Bahnen beschritten, die verheißungsvoll aus dem zur Rüste gehenden „naturwissenschaftlichen“ Jahrhundert in das neue hinüberweisen.

Das Bismarck-Mausoleum im Sachsenwalde. (Mit Abbildung.) Gegenüber dem Schlosse Friedrichsruh, auf einer Anhöhe im Schatten der Bäume des Sachsenwaldes erhebt sich das Mausoleum, in dem Fürst Bismarck beigesetzt werden wird. Es ist ein ernster und würdiger Kapellenbau im romanischen Stil, der sich harmonisch der Landschaft anpaßt. Felssteine, die aus dem Sachsenwalde stammen, bilden das kraftvolle Fundament des mit einer stattlichen Kuppel gekrönten Oberbaues. Der Eingang liegt an der dem Walde zugekehrten Seite. Auf Treppen gelangt man einerseits zu den Beisetzungsräumen der Familiengruft, andrerseits zu der Grabkapelle und dem eigentlichen Mausoleum, das in dem mächtigen Kuppelbau liegt. Hier wird der „treue deutsche Diener Kaiser Wilhelms I“ neben seiner vorausgegangenen Gemahlin ruhen. Unsere Abbildung zeigt den kürzlich nach den Plänen des Architekten Schorbach fertiggestellten Außenbau. Die Vollendung des inneren Schmuckes dürfte noch mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Große Lokomotiven. Da gleichzeitig mit dem Bestreben, die Schnelligkeit sowohl der Personen- als der Güterzüge zu beschleunigen, auch die Größe der beförderten Lasten beständig zunimmt, sehen sich die Konstrukteure der Lokomotiven genötigt, den Zugmitteln immer größere Dimensionen und erhöhte Kraft zu verleihen. Besonders sind in dieser Hinsicht die Amerikaner Meister des Lokomotivbaues, und sowohl ihre Schnellzugs- und Gebirgslokomotiven wie auch ihre Güterzugsmaschinen werden neuerdings zuweilen in einer Größe und Stärke gebaut, denen weder in Deutschland noch in Frankreich oder England etwas Aehnliches an die Seite gesetzt werden kann. Allerdings entsprechen diesen Antriebsmitteln auch die Personen- und Güterwagen. Erstere, wenn auch nur in beschränkter Zahl zu einem Zuge zusammengereiht, sind nicht selten so groß und gewichtig, daß ein unbesetzter Wagen dieser Art drei gewöhnliche deutsche Personenwagen reichlich aufwiegt, und vollends mit dem Fassungsraum der Güterwagen ist man auf einigen amerikanischen Bahnen bereits dahin gekommen, Wagen bis zu einer Ladefähigkeit von 40, ja 50 Tonnen zu bauen, die im gefüllten Zustande das Gewicht einer normalen europäischen Lokomotive besitzen, und solche Wagen werden zu erstaunlich langen Zügen aneinandergereiht. So erklärt sich ungezwungen die in Amerika weit schneller als bei uns fortschreitende

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0099.jpg&oldid=- (Version vom 12.8.2023)