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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Das Mädchen lachte, so hell und vergnügt, daß ihr die Jäger beschwichtigend zuwinkten. Da drückte sie die Hand auf den Mund, huschte zur Hüttenthür, guckte in die schwarze Nacht hinaus und kicherte: „Er hört’s ja nimmer!“

Der Förster war in der Finsternis verschwunden. Nur seine stolpernden Schritte waren noch zu hören.

Aus dem kleinen Fenster des Hegerhäuschens, auf das er zutappte, schimmerte mattes Licht. „No also, er muß ja daheim sein!“ Kluibenschädl ging auf das offene Fenster zu, packte die Gitterstäbe und steckte den Kopf hinein.

Eine rußende Petroleumlampe brannte in dem winzigen Stübchen, das mit den zwei Kotzenbetten, dem Tisch und dem eisernen Kochherd so reichlich angeräumt war, daß knapp noch schmaler Platz verblieb, um aus- und einzugehen. Das eine Bett war leer, auf dem anderen lag Mazegger ausgestreckt, angekleidet, die Hände hinter dem Kopf verschlungen, mit offenen Augen, die zur Decke starrten. Sein bleiches Gesicht war von Unruhe durchzuckt.

„He! Du!“

Mazegger fuhr mit dem Kopf in die Höhe. Als er den Förster am Fenster sah, nickte er wortlos und erhob sich.

„Was is denn mit dir? Wo warst denn am Abend?“

„Dienst hab’ ich gemacht.“

„Dienst? So? Wo denn? Leicht draußen beim Sebensee?“

„Nein!“ Glühende Röte flog über das bleiche Gesicht des Jägers. Doch seine Stimme klang ruhig. „Auf der Gaiseltalp!“

„Gegen Leutasch ’naus?“ fragte der Förster, als schiene ihm diese Meldung nicht völlig glaubhaft. „Hörst du, die G’schicht kommt mir ein bißl brenzlig vor. Die gnädige Duhrlaucht giebt euch zur Einstandsfeier ein’ freien Abend, und derweil sich deine Kameraden amaßiren, schießt dir gahlings der Pflichteifer ein? Und das soll ich glauben?“

Mazegger hob die Schultern und trat zum Tisch, um die rußende Flamme der Petroleumlampe herunterzuschrauben.

Kluibenschädl musterte den Jäger mit etwas mißtrauischen Augen. Dann sagte er: „Meinetwegen, … soll’s wahr sein oder net! Aber wenn Dienst g’macht hast, so mußt ja müd’ sein. Drum leg’ dich nieder und blas’ d’ Lampen aus. ’s Petroli für nix und wieder nix verbrennen und unserer guten Duhrlaucht ’s Geld zum Sack ’naus räuchern … das leid’ ich net!“

Mazegger löschte die Lampe aus, stieß in der finsteren Stube die Schuhe von den Füßen und warf sich aufs Bett.

Der Förster schüttelte seufzend den Kopf; doch mehr gutmütiges Bedauern als Aerger sprach aus seiner Stimme: „Meiner Seel’, Toni, du bist aber doch … ein recht ein unguter Mensch bist, ja! Aber wart’ nur, ’s Leben wird dich noch zwiefeln, dich! Und morgen in der Fruh stehst auf um Drei und machst dein’ Dienst gegen Leutasch ’naus, ins Hämmermoos! Verstanden?“

Er schlug den Fensterladen zu und schüttelte wieder den Kopf, während er langsam davon ging. „So is er doch sonst net g’wesen! … Möcht’ nur wissen, was er denn eigentlich hat die ganze Zeit her?“ Ein paar Ländlertakte pfeifend, nickte er vor sich hin. „Schier mein’ ich, daß ich mir’s denken kann!“ Nun lachte er. „O du narrische Welt! Der Lapp, der dumme! Was der sich einbild’t!“

Da sah er vom Fürstenhaus das Licht einer kleinen Blendlaterne durch die Finsternis einherschwanken, gleich einem Stern, der auf unsichtbaren Stelzen ging. „He? Was is denn? Wer kommt denn da?“

Es war der Lakai des Fürsten.

„Was? Sie, Herr Kammerdiener? Ja was suchen S’ denn so spat in der Nacht?“

„Zwei Briefe hab’ ich zu bestellen. Sind die Leutascher Jäger noch hier?“

„Ja, drunten bei der Sennerin hocken s’. Geben S’ die Brief nur her, ich trag’ s’ gleich nunter.“

„Ich danke, Herr Förster, bemühen Sie sich nicht, ich trage die Briefe selbst hinunter.“

Der Förster lachte. „Wenn S’ meinen, Sie können’s besser … meinetwegen! Und Gut’ Nacht!“

„Gute Nacht!“

Vorsichtig leuchtete Martin auf die Erde nieder, um nicht über die Steine und Krautbüschel des Almfeldes zu stolpern. Vor der Thür der Sennhütte nahm er das kleine Lodenmäntelchen ab, das er um die Schultern trug. Vermutete er, in wärmere Luft zu kommen – oder wollte er durch Enthüllung seiner kleidsamen Dienstgala den Eindruck seiner Persönlichkeit verstärken?

Sein lautloser Schritt und das vornehm leise Hüsteln, das er beim Eintritt in die rauchige Stube hören ließ, störte die kleine Zechgesellschaft nicht in ihrer tuschelnden Heiterkeit.

Zum Gaudium der anderen Jäger hatte Pepperl, dem die weinselige Stimmung heiß aus Wangen und Augen leuchtete, die Sennerin an beiden Armen gefaßt und suchte sie zum Tisch zu ziehen. Unter Lachen und Kichern wehrte sich das Mädchen. „Au weh! Du Narr du! Was machst denn! So hör’ doch auf! Brichst mir ja d’ Arm’ auseinander!“ Um sich frei zu machen, zuckte und zerrte sie wie eine Forelle, die am Haken hängt. Dennoch schien sie dieses grobe Neckspiel nicht im geringsten übelzunehmen. Jeder Wehlaut, den sie ausstieß, wurde durch neues Kichern abgelöst, und triumphierend blitzten ihre Augen, als sie mit der Hüfte einen festen Widerhalt an der Tischecke fand. Schon war es ihr gelungen, den einen Arm zu befreien. Doch Pepperl haschte ihn wieder.

„Aber geh, so sei net so dumm und hock’ dich ein bißl her zu mir! Ich thu’ dir ja nix!“

„Ich mag net! Auslassen! Oder ...“

„Oder was?“ Lachend griff Pepperl noch derber zu. „Mach weiter, komm her!“ Er zog, daß der schwere Tisch, gegen den das Mädchen sich stemmte, ins Rutschen kam. Ein paar leere Flaschen rollten zu Boden, die Gläser stießen klirrend aneinander, und das gab einen Lärm, daß Beinößl unter Zischen und Winken mahnte: „Der Förstner kommt!“ Um die Neckerei zu beenden, wollte er der Sennerin zu Hilfe eilen – aber das war überflüssig.

Pepperl, von einem blendenden Lichtstrahl ins Gesicht getroffen, hatte jählings die Arme des Mädchens fahren lassen. Burgi taumelte zurück und wäre über die hölzerne Bank gestürzt, wenn sie nicht knapp mit einer Hand noch die Tischkante hätte erhaschen können. Doch das lustige Lachen, mit dem sie sich aufrichtete, erstickte zu einem leisen Schrei, als sie plötzlich die schwarze Gestalt mit der Blendlaterne gewahrte. „Alle guten Geister …“ stotterte sie. Da erkannte sie den Gast, kicherte halblaut vor sich hin und trat verlegen ein paar Schritte zurück. Den Kopf gegen die Schulter geneigt, die Hände auf dem Rücken, musterte sie den Lakai vom glattfrisierten Kopf bis zu den blinkenden Schnallenschuhen.

Schweigend saßen die drei Jäger hinter dem Tisch und kauten an den Spitzen der erkalteten Pfeifen. Pepperl hatte die Fäuste in den Joppentaschen vergraben, saß zurückgelehnt auf seinem Sessel, die Beine lang ausgestreckt, und machte mit weit offenen Augen ein ganz merkwürdiges Gesicht. Er wußte wohl, daß droben im Fürstenhaus ein Kammerdiener eingezogen war, aber hier in der Hütte standen ihm nun zwei Kammerdiener vor Augen, und die beiden hatten die sonderbare Eigenschaft, daß sie sich im Kreis um ihn herum bewegten. Dabei lächelten sie so verdächtig – ein Lächeln, das dem Praxmaler-Pepperl, je länger er es ansah, das Blut immer heißer in die Stirne trieb. Schwül atmend griff er nach seinem Kopf und wühlte in den Kreuzerschneckerln. Da sah er plötzlich nur einen Kammerdiener.

Der aber lächelte noch immer so … und in prüfender Beschaulichkeit hob er die Blendlaterne hoch, um das Gesicht der Sennerin besser zu beleuchten. Wie hübsch dieses Mädel war! So mitten in dem strahlenden Lichtkreis, mit dem kirschroten Mund, mit den Schmunzelgrübchen in den runden heißbrennenden Wangen, mit den dunklen Feueraugen und dem wirrgezausten Braunhaar über der glühenden Stirn! Martin ließ den Schein der Blendlaterne über die Sennerin niedergleiten – und lächelte.

Burgi verstand dieses Lächeln nicht, sonst wäre sie wohl noch verlegener geworden. Aber das Schweigen währte ihr zu lange. Deshalb lachte sie und sagte: „Der Herr Kammerdiener vom Fürsten droben? Gelt? Wissen S’, ich hab’ Ihnen halt aufs erste G’schau net ’kennt … weil S’ gar so schwarz vor mir dag’standen sind! No also, grüß Gott halt in meiner Hütten!“ Freundlich reichte sie ihm die Hand und lachte wieder. „Ich hab völlig schon g’meint, der Leibhaftige steht vor mir in der schwarzen Stiefelwichs!“ Kichernd drückte sie das Kinn auf die Brust.

Martin lächelte gezwungen. „Na, hören Sie, mein schönes Kind, das ist gerade kein Kompliment. Und ich habe schon gedacht,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0039.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)