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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Wenden wir den Blick noch einmal über die Jahrtausende zurück, dann entdeckt man leicht, daß allen Leuchten, die diese Zeit gebar, etwas Gemeinsames zu Grunde liegt. Sie erzeugten Licht – mochte der Stoff auch noch so verschieden sein – durch Verbrennung und sendeten deshalb mehr oder minder gesundheitswidrige Bestandteile in den Raum.

Die Gegenwart, gerüstet mit dem gewaltigen physikalischen Wissen des naturwissenschaftlichen Jahrhunderts, gelangte zu neuen wirtschaftlicheren und hygieinisch besseren Methoden. Das Bestreben der Neuzeit geht dahin, das Licht nicht mehr durch Verbrennung, sondern durch Glühen unverbrennlicher Körper zu erzeugen. Das Gasglühlicht, das Petroleum- und das Spiritusglühlicht, bei welchen sich dieser Prozeß vollzieht, interessiert heutzutage fast im gleichen Maße die Techniker wie die Laien. Aber auch diese Beleuchtungsart stellt gleichsam nur einen Uebergang von der alten zur neuen Zeit dar. Man darf im Glühlicht, in dessen Schönheit wir gegenwärtig schwelgen, einen glänzenden Vorstoß der Gastechnik im Kampf mit dem elektrischen Licht sehen, der ihr für lange hinaus ihre Bedeutung wahrt.

Einer gewaltigen Zukunft geht aber das elektrische Licht entgegen.

Der Mensch hat es verstanden, die Naturgewalten in Fesseln zu schlagen, und den Himmlischen ihre stärkste Wehr, den Blitz, geraubt. Die goldschimmernde Waffe des Zeus wird unzweifelhaft den Kindern des zwanzigsten Jahrhunderts zur vornehmsten Leuchte werden.

Oel der Schiebelampe.




Gedichte von Anna Ritter.


Abendstunde.

Aus dem Tannenwald am Berge
Tritt die Nacht im sammt’nen Kleid,
Rafft es auf mit güldnen Spangen,
Kosend schmiegt um Stirn und Wangen

5
Sich ein blitzendes Geschmeid.


Rieselnd trägt sie ihre Schleppe
Ueber Blätter, Moos und Stein,
Breitet segnend ihre Hände
Auf das dämmernde Gelände:

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„Träume nun und schlummre ein!“ –


Feierlich hebt eine Glocke
Tief im Thal zu läuten an…
Selig, wer zu dieser Stunde
Noch mit schuldlos reinem Munde

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Um den Schlummer beten kann.


Mein Töchlerlein.

Sie stickt im letzten Abendlicht,
Ich streich’ ihr übers Haar –
Da hebt sie von der Handarbeit
Die Augen, groß und klar.

5
Wie in ein lieblich Wunder schau’

Ich tief in sie hinein:
Es grüßt mich aus dem Kinderblick
Schon hold das Jungfräulein.




Fräulein Johanne.
Novelle von Paul Heyse.

Es ist nun zwölf oder gar schon dreizehn Jahre her, erzählte mir mein Freund, der Landschaftsmaler R., da erlebte ich etwas sehr Seltsames, – gottlob nicht an der eigenen Haut, sondern nur als teilnehmender Zuschauer –, etwas, das Sie wohl auch interessieren wird, da Sie bei Ihrem novellistischen Metier auf psychologisch merkwürdige Fälle ein Auge zu haben pflegen. Ich selbst hatte lange nicht mehr daran gedacht; ein altes Skizzenbuch aus jener Zeit hat mir vor kurzem die Geschichte wieder in Erinnerung gebracht. Wenn Sie sie hören wollen –

Nun denn, es war im frühen Frühling Anfang Mai, ich hatte einen etwas stürmischen Karneval hinter mir, obwohl ich schon damals kein „heuriger Has“ mehr war, wie man in München sagt. Aber eine unglückliche Liebesgeschichte wollte ich abschütteln und brauchte dazu das bekannte unzweckmäßige Mittel, mich „zu betäuben“ durch allerlei abgeschmackte sogenannte Vergnügungen. Fürchten Sie nicht, daß ich Sie mit dem Zustand meines Herzens langweilen werde. Zum Glück ist es über der alten Geschichte, die ewig dieselbe ist, nicht gebrochen, und es war auch meine erste nicht. Also wußte ich einigermaßen Bescheid und beschloß, nachdem ich mich von dem verfehlten Versuch, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben, ein wenig erholt hatte, meine Zuflucht wieder zu den einzig wirksamen Nothelferinnen zu nehmen, der Natur und meiner Arbeit.

Der Wald war noch ziemlich kahl in dieser Jahreszeit, und in den Bergen ließ sich nicht gut hausen, da man immer noch auf Winterrückfälle gefaßt sein mußte. Nun aber lag mir schon seit längerer Zeit ein altes Nest in Mittelfranken im Sinn, das mich jedesmal, wenn ich mit dem Schnellzug daran vorbeigesaust war, sehr einladend angeblickt hatte. So eins von den auf den Aussterbeetat gesetzten Städtchen, an denen in unserm Bayern kein Mangel ist, die nur noch einen Altertumswert haben und über hundert Jahr so verödet sein werden wie Herculanum und Pompeji. Aber für ein Malergemüt ist das kein Schade. Und jenes Ziel meiner Sehnsucht – auch Sie, die Sie mir ja zuweilen ins Handwerk pfuschen, hätten Ihre Freude daran gehabt, wie die alten stark verräucherten Häuser so malerisch zu Füßen der dichtbebuschten Höhe lagen, in der Mitte die Kirche, freilich nicht über dreihundert Jahre alt, und auf dem Hügel droben das Trümmerwerk der Burg mit ein paar Turmfragmenten und bezinnten Mauern, durch deren leere Fensterhöhlen der dichte Epheu hinaufgekrochen war, der vom Grund aus seine armsdicken Aeste um die ganze verfallene Herrlichkeit geklammert hatte.

Es war schon Nacht, als ich mit dem schläfrigsten aller

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0020.jpg&oldid=- (Version vom 11.8.2023)