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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Unter der Herrschaft der Kerze.

arbeitet ganz vortrefflich und giebt ein absolut gleichmäßiges Licht. Sie wurde noch bis vor kurzem als Normallampe in unseren physikalischen Laboratorien verwendet, wenn es darauf ankam, die Lichtstärke irgend einer Lichtquelle zu bestimmen. Leider hatte die Carcellampe einen großen Fehler: sie war zu teuer.

Cardanuslampe.

Es entstanden damals sehr viele neue Lampensysteme, in denen es versucht wurde, für den Hausgebrauch eine gut brennende und billige Lampe zu schaffen. Die Fabrikanten entwickelten eine geradezu fieberhafte Thätigkeit; es war ein Treiben just wie heut’.

Man unterschied damals die neuen Leuchten in die statischen, hydrostatischen und aërostatischen Lampen; ihre praktische Bedeutung war jedoch verhältnismäßig gering, und sie verschwanden fast so schnell wie sie entstanden waren.

Einen wirklichen Fortschritt veranlaßte endlich Franchot um 1836 in Paris durch die Moderateurlampe. Der im Fuße der Lampe befindliche Oelbehälter enthielt eine Feder, die mittels einer Schraube reguliert werden konnte. Diese Einrichtung ermöglichte eine fortdauernde und ausdauernde Durchtränkung des Dochtes. In der Moderateurlampe können wir die vorzüglichste Konstruktion bewundern, welche die Oellampen überhaupt erreicht haben.

Verbreiteter noch als sie war damals die etwa zu gleicher Zeit erfundene Flaschen- oder Schiebelampe (vergl. die Abbildung S. 20). Sie eignete sich ganz vorzüglich zur Arbeitslampe, weil man sie nach Belieben hoch und tief stellen konnte. Die Flaschenlampe hat denn auch bis zum allgemeinen Siege des Petroleums die meisten Freunde in den Kreisen der Gelehrten und Beamten besessen. Aber die Zeit der schweren Oele war vorüber!

Der Gebrauch der nun in die erste Reihe rückenden sogenannten Erd-, Mineral- oder leichten Oele ist freilich gleichfalls uralt: auch schon die klassischen Völker haben sich zweifellos dieses Stoffes bedient, wo er ihnen eben zur Verfügung stand. Bildlich gesprochen, können wir die heiligen Feuer zu Baku als die älteste und riesigste Erdölleuchte bezeichnen, welche die Natur selbst den Völkern als Beispiel vorführte.

Bei den neueren Kulturvölkern kam die Erdölbeleuchtung aber erst in der Mitte des Jahrhunderts in Aufnahme, weil der Preis des Mineralöls vordem verhältnismäßig hoch war. Für den Gebrauch in Lampen sind die Erdöle praktischer als die schweren vegetabilischen, und die Leuchteinrichtungen gestalten sich aus dem Grunde viel einfacher. Als daher in den fünfziger Jahren die sehr reichen Petroleumquellen in Pennsylvanien, Kanada, Südrußland und an anderen Orten erschlossen wurden, verbreitete sich die Petroleumbeleuchtung mit großer Geschwindigkeit über die civilisierte Welt. Die erste Petroleumlampe baute 1855 Sillimann in Nordamerika. Es folgten dann die verschiedensten Formen mit einem und vielen Flachbrennern, mit Rundbrenner und Brennscheibe, und mit Einrichtungen zur Vorwärmung der zuströmenden Luft etc. Damit sind wir in der Entwickelung des Lampenbaues bis hart an die Grenze der Gegenwart gelangt.

Bei der historischen Betrachtung der Methoden der künstlichen Beleuchtung muß man, wenn auch nur gleichsam im Vorübergehen, der Gasbeleuchtung gedenken. Im Jahre 1792 beleuchtete William Murdoch, der geniale Schüler des großen Watt, einer der Miterfinder der Lokomotive, zuerst sein Haus zu Rodruth in Cornwall mit Gas, und sechs Jahre später war die älteste Dampfmaschinenfabrik zu Soho bei Birmingham auf seine Veranlassung ganz mit Gaslampen ausgestattet. Mit der Idee, Straßen, Plätze und größere geschlossene Räume in gleicher Weise mit Licht zu beschicken, trugen sich damals viele unternehmende Männer. So hat z. B. der Professor der Chemie Lampadius im Jahre 1811 mehrere Straßen in Freiberg in Sachsen durch Gas erhellt.

Astrallampe.

Besondere Verdienste auf diesem Gebiete erwarb sich ein Oesterreicher, Dr. Zachäus Andreas Winzler aus Znaim. Schon im Jahre 1803 trat er in einer Schrift für die Gasbeleuchtung ein, konnte aber in den kriegerischen Zeiten mit seinen Ansichten in der Heimat nicht durchdringen. Er ging nach England, wo er sich Winsor nannte. Er fand hier einen bereits besser vorbereiteten Boden und gründete im Jahre 1813 schon ganz im modernen Sinne die erste Gasgesellschaft in London, welche nach Verlauf von sechs Jahren bereits 51000 Gasflammen speiste. Auf dem Kontinente vollzog sich die Entwicklung langsamer. Beispielsweise erhielten erst 1828 einige Berliner Straßen die ersten Gaslaternen. In Wien wurden zwar bereits im Jahre 1818 zwei Straßen probeweise mit Gas beleuchtet, aber erst im Jahre 1845 gelang es nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, die allgemeine Straßenbeleuchtung mit Gas durchzuführen.

Die Gasbeleuchtungstechnik hat sich während des nunmehr seinem Ende zustrebenden Jahrhunderts unendlich reich entwickelt.

Laterne mit Kienfeuerung.

Die mannigfaltigen Brennerarten und die verschiedenen Formen der anderen Betriebsapparate dürfen die Gastechniker mit Stolz erfüllen.

Die Leistung der Gaslampe gipfelt im Regenerativbrenner von Friedrich Siemens, in dem die Gase, beziehentlich die zuströmende Luft, vorgewärmt werden. Die Flamme empfängt dadurch eine Leuchtkraft, welche sie befähigt, dem elektrischen Lichte Konkurrenz zu machen.

Mit dem Siemens’schen Brenner schließt die Geschichte der künstlichen Beleuchtung bis zur Anwendung des elektrischen Lichts für die Zwecke derselben.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0019.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)