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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

1845 zu Bad Nauheim geboren ist und etwa im Jahre 1883 nach Amerika auswanderte.

Rettung Schiffbrüchiger. (Zu dem Bilde S. 872 und 873.) Die „Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ – wer kennt sie nicht in ihrem segensreichen Wirken! Es ist das „Lied vom braven Mann“ in die Wirklichkeit übersetzt. Brave Leute sind es, die in Wetter und Sturm hinausgehen, Leben zu retten, das brüllender Tod schon umklammert hielt. Das sind die Männer, welche die Rettungsboote in den heulenden Sturm hinausrudern und durch Klippen und wütende See gestrandetes Volk von Bord gescheiterter Schiffe holen und an das sichere Land bringen. – Es war nicht immer so! Einige Jahrhunderte vor Christus schrieben die Leute von Rhodus in ihr Gesetz, daß alles, was von gestrandetem Gut antriebe, dem gehören solle, der es fände. Und es ist noch nicht ganze hundert Jahre her, daß in den Kirchen längs der Nordsee und auf den Inseln von den Kanzeln am Sonntag um einen „gesegneten Strand“ gebetet wurde.

Unsere deutsche „Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ hat seit ihrer Gründung im Jahre 1865 an den Küsten der Ostsee etwa 80 und an denen der Nordsee 70 Stationen gegründet, von denen für die gestrandeten Schiffe Hilfe gebracht werden kann, und dadurch bis jetzt an 2400 Menschen das Leben gerettet, die sonst sicherem Tode verfallen gewesen wären.

Diese Rettungsstationen sind entweder mit Rettungsbooten oder mit einem Raketenapparat, oder mit beiden ausgerüstet. Ueber den Bau des besten, nicht volllaufenden und in der Brandung nicht kenternden Rettungsbootes ist viel nachgedacht worden. Korkgürtel außenbords, Korkplatten unter den Ruderbänken, hohle, wasserdichte Abteilungen binnenbords, Ventile, die das übergenommene Wasser schnell ausströmen lassen, eiserner Kiel und dergl. mehr sollen helfen, das Ideal eines solchen Bootes zu verwirklichen. Und als man dachte, nun hätte man es endlich gefunden, da kenterte ein derartiges vollkommenes Fahrzeug an der englischen Küste im Dezember 1849 mit 24 Lotsen an Bord, die alle ertranken. In neuerer Zeit hat wohl das Peakeboot am meisten Eingang gefunden, das, wenn gekentert, in fünf Sekunden sich wieder aufrichten soll und durch Bodenklappen sich in fünfundfünfzig Sekunden von allem Wasser entleert, das überkommt. – Die Rettungsboote sind an den Stationen in Schuppen gelagert auf einem Wagen, der von sechs oder acht Pferden soweit in die Brandung hinausgefahren wird, daß das Boot bemannt und flott gemacht werden kann.

Mittels der Raketenapparate wird bis auf 400 Meter Entfernung durch eine Art Geschütz eine am Stab der Rakete befestigte dünne Leine über die Takelage des nicht zu fern von der Küste gescheiterten Schiffes geworfen. An ihr wird ein starkes Seil von den Gestrandeten eingeholt, das in der Saling (Mastkorb) oder am Stumpf eines Mastes haltbar verknotet und drüben an Land fest verankert wird. Dasselbe läßt den Rettungskorb oder die Hosenboje – so genannt, weil der Schiffbrüchige in sie hineinsteigt wie in eine Badehose – auf einer Rolle hin- und herwandern. In dieser Weise wurde Ende Oktober 1884 die gesamte Mannschaft unserer Brigg „Undine“ an der jütischen Küste in der Jammerbucht bei 14stündiger Arbeit der braven Rettungsmannschaft gerettet, die während der Zeit bis an den Leib im eisigen Wasser stand bei heulendem Sturm, ohne etwas zu essen oder zu trinken. Aber kein einziger verließ seinen Posten. Auf die Rettung jedes der 150 Leute kamen durchschnittlich reichlich zwei Minuten des Holens. „Hoch klingt das Lied vom braven Mann!“

In den Zeitungen steht oft eine ganz unscheinbare Notiz, daß fünf oder acht Stunden zwischen dem Ausgang und der Rückkehr des Rettungsbootes vergingen. Hut ab vor der Männerarbeit, die in den Stunden gethan ward! Heims.     

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Neujahrsgruß aus der Gartenlaube.
Nach einer Originalzeichnung von Marie Nestler-Laux.

Die Berner Klause. (Zu dem Bilde S.885.) Etwa achtzehn Kilometer nordwestlich von Verona durchbricht die schäumende Etsch den letzten Riegel, den ihr das Kalkgebirge vorgeschoben hat. Im Laufe von Jahrtausenden haben ihre Wasser die Berner Klause oder Chiusa di Verona, eine enge von senkrechten Felsen eingeschlossene Schlucht, ausgehöhlt. Am Ufer des Stromes zieht sich eine Fahrstraße und das Geleise der Brennerbahn hin, die bei der Station Ceraino in die Klause eintritt. Als einer der natürlichen Zugänge von Tirol nach Norditalien hat dieser Engpaß in früheren Kriegen wiederholt eine bedeutende Rolle gespielt, und noch heute ist er durch Fortanlagen befestigt. In der Berner Klause versuchte im Jahre 1155 eine Schar von Veronesern dem heimkehrenden Heere Kaiser Friedrichs I den Weg zu sperren, wurde aber von Otto von Wittelsbach zur Ergebung gezwungen. In der Nähe von Ceraino erhebt sich auf einer Anhöhe die alte Feste Rivoli. Um ihren Besitz fanden in den Jahren 1796 und 1797 hartnäckige Kämpfe zwischen den Oesterreichern und Franzosen statt, in denen sich Bonaparte, Augereau und Masséna, der spätere Herzog von Rivoli, auszeichneten.

Theetrinker in Ispahan. (Zu dem Bilde S. 889.) Heiß brennt die Mittagssonne nieder auf die Straßen Ispahans. Selbst dem hitzegewohnten Perser wird die Glut unerträglich, und so stockt das Geschäft und der Verkehr ebbet. Fast menschenleer wird sogar die kilometerlange Bazarstraße. Die Frauen sitzen im „Enderun“ oder Harem und die Männer suchen Zuflucht in den Gärten der Stadt, wo im Schatten uralter Bäume oder unter Zeltdächern die schwülen Nachmittagsstunden in anregender Gesellschaft sich beim Glase Thee und einem Pfeifchen erträglich verleben lassen. Da sitzen in den bauschigen Gewändern die Herren Kaufleute und Industriellen mit der hohen Lammfellmütze oder dem leichteren Fes und die würdigen Gottesgelehrten und Aerzte und Drogisten mit beturbanten Häuptern. Flott fließt die Unterhaltung und, wenn auch von den gewöhnlichsten Dingen die Rede ist, die Sprache ist immer gewählt und Citate aus den Gedichten von Firdusi, Saadi oder Hafis schwirren nur so von den Lippen; denn der Perser kennt seine alten Dichter. Er schwelgt auch gerne in Erinnerungen an die einstige Blüte seiner Kultur und die ehemalige Größe des Reiches. Der Ispahaner namentlich gedenkt mit Stolz der Zeiten, da seine Vaterstadt mit 600 000 Einwohnern, prächtigen Palästen und gewaltigen Moscheen eine der bedeutendsten Weltstädte war. Davon zeugt noch der prachtvolle Bau der Medresse, der mohammedanischen Schule, vor dem die Theetrinker auf unserem Bilde sitzen. Sie entstand in der glorreichen Zeit um die Wende des 16. Jahrhunderts, da der große Schach Abbas die Feinde Persiens niedergeworfen und Ispahan zu seiner Residenz gemacht hat. Heute residiert der Schach in Teheran, die königlichen Paläste der „vierzig Säulen“ und der „acht Paradiese“ stehen verlassen, immer größer werden die Trümmerfelder in der Stadt, aber fröhlich bleibt der leichtlebige Perser, verscheucht sich die Daseinssorgen, indem er zum Haschisch, zum betäubenden Hanf, seine Zuflucht nimmt. Dann werden ihm Märchen aus dem „Papageienbuch“ oder dem „Frühling der Weisheit“ zur vollen Wahrheit; dann sehnt er sich nicht nach den Fortschritten der Kultur im fernen Westen. An alter Lust hängend, erträgt er geduldig das uralte Leid – ein echter Orientale. *      

Eine neue Einbanddecke zur „Gartenlaube“. Von der Absicht geleitet, unseren Lesern für den vollständigen Jahrgang ein elegantes, den Anforderungen des heutigen Geschmackes entsprechendes Gewand zu bieten, ließen wir nach der Zeichnung von C. Adams eine neue Einbanddecke anfertigen, von welcher wir nebenstehend eine Abbildung geben. Diese Decke ist von olivengrüner Farbe, in reichem Gold- und Schwarzdruck ausgeführt und dürfte wohl bald von der Mehrzahl unserer Leser mit Vorliebe zum Einband der „Gartenlaube“ gewählt werden. Sie ist durch jede Buchhandlung zu dem billigen Preise von Mark 1,25 zu beziehen. Mit Benutzung derselben ist jeder Buchbinder imstande, zu verhältnismäßig billigem Preise einen soliden und eleganten Einband herzustellen. Auch die frühere Decke kann zum Preise von Mark 1,25 noch bezogen werden.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart.0Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 892. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0892.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2023)