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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


Blätter und Blüten.

Das Denkmal des Infanterieregiments Nr. 57 bei Vionville. (Zu dem Bilde S. 773.) Das jüngste der vielen auf dem Schlachtfelde von Metz zerstreuten Regimentsdenkmäler ist das auf unserem Bilde wiedergegebene, im vorigen Jahre von ehemaligen Angehörigen des Infanterieregiments Nr. 57 westlich von Vionville hart an der französischen Grenze errichtete Denkmal. Ein verwundeter Löwe auf großem Felsblock deckt schützend mit mächtiger Tatze eine zerfetzte Fahne des Regiments. Der Felsblock trägt auf der einen Seite die Inschrift: „Den Heldentod starben 14 Offiziere, 337 Mann. Den Gefallenen gewidmet von den Kameraden des Regiments.“ Auf der anderen Seite lesen wir, auch auf dem Bilde erkenntlich, die Worte: „Auf diesen Gefilden hat am 16. August 1870 Tapferkeit und Treue den jungen Fahnen des Regiments Ferdinand von Braunschweig (8. Westfälischen) Nr. 57 unvergänglichen Lorbeer erstritten.“ G. F.     


Deutschlands merkwürdige Bäume: die Rottanne bei Barmstedt in Holstein.

Deutschlands merkwürdige Bäume: die Rottanne bei Barmstedt. (Mit Abbildung.) Vor etwa fünfzig Jahren wurden in einem Garten in der Nähe der Stadt Barmstedt im südlichen Holstein einige Rottannen oder Fichten gepflanzt, die ein Alter von acht Jahren hatten. Eins dieser Bäumchen zeigte von Anfang an einen krausen Wuchs, es strebte nicht den andern gleich in die Höhe empor, sondern breitete sich buschartig aus. Nähere Nachforschung zeigte, daß ein Eichhörnchen diese regelwidrige Entwicklung veranlaßt hatte, indem es die Spitze der Rottanne abbiß. Das Bäumchen zeigte zwar in den folgenden Jahren die Neigung, den fehlenden Wipfel zu ersetzen, aber der Eigentümer ließ den jungen Trieb in jedem Frühling entfernen und durch Beschneiden der Aeste die runde Form des Baumes erhalten. So nahm die Rottanne endgültig die Gestalt an, die unsere obenstehende Abbildung zeigt. Der Baum ist nur acht Meter hoch, aber seine Zweige haben dafür an der breitesten Stelle einen Umfang von dreißig Metern. Sie stehen so dicht aneinander, daß man den Stamm gar nicht sehen kann; alle Aeste sind gesund, und die untersten, die den Boden berühren, haben zum Teil Wurzeln geschlagen. Die anderen gleichzeitig gepflanzten Fichten haben inzwischen bei normaler Entwicklung eine Höhe von über zwanzig Metern erreicht.

Assisi. (Zu dem Bilde S. 781.) Wie von einem hohen Horste schaut die Stadt Assisi von den Abhängen des Monte Subasio hinab auf die vom Tiber durchströmte umbrische Landschaft. Traumversunken liegt sie da; in ihren Mauern regt sich nicht der schaffensfreudige Geist der Neuzeit; ihre Häuser verfallen und niemand kommt, um sie wiederherzustellen; die Zahl der Einwohner schmilzt zusammen und beträgt heute nur noch gegen sechstausend.

Und doch ist Assisi groß – durch seine Vergangenheit. Kunstfreunde und Gelehrte verlassen bei Assisi die Eisenbahn Terontola-Foligno und steigen den Monte Subasio hinan; und zu gewissen Zeiten, namentlich im August, strömen Tausende von Wallfahrern nach dem berühmten Ablaßorte.

In Assisi sieht man Reste altersgrauer etruskischer Stadtmauern, den herrlichen Portikus eines römischen Minervatempels; alles aber überragen die Klosterbauten, die im Mittelalter von dem Orden der Franziskaner bei der Stadt errichtet wurden.

In ihr erblickte im Jahre 1182 Giovanni Bernardone als Kaufmannssohn das Licht der Welt. Als Jüngling führte er ein freies ausgelassenes Leben, hielt aber recht bald Einkehr und Buße. Er entsagte den Freuden der Welt und trat in den Dienst der Armut. Er bettelte für die Bedürftigen und Elenden, und angethan mit einer braunen Kutte, mit einem Strick umgürtet, warb er Jünger in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Einst hatte man ihm wegen seiner Fertigkeit in der französischen Sprache den Beinamen Francesco gegeben, er verblieb ihm und die Welt kennt ihn als Franz von Assisi. Wie streng auch die Vorschriften waren, die er seinen Jüngern gab, seine Begeisterung warb immer neue Anhänger, und schon im Jahre 1208 konnte er den Orden der Franziskaner gründen. Die Bettelmönche verbreiteten sich über alle Länder, und im Jahre 1270 zählte der Orden 8000 Klöster mit 200000 Mönchen. Franz erlebte nicht die höchste Blüte seiner Stiftung. Er starb am 4. Oktober 1226 und wurde wenige Jahre darauf vom Papste heilig gesprochen. Er ruht in dem Gewölbe der gewaltigen Klosterkirche von Assisi, die in den Jahren 1228 bis 1253 von einem deutschen Baumeister Namens Jacobus errichtet wurde und noch heute Staunen und Bewunderung erregt.

Der Convento sacro, das älteste Kloster der Franziskaner, ist seit Jahren aufgehoben, die großen Räume dienen zum Teil als Schule.

Konvenienzheirat. (Zu dem Bilde S. 792 und 793.) Ein trübes Bild aus dem modernen Leben und seiner Jagd nach Reichtum und Genuß! Sie haben sie beredet – das junge, thörichte Geschöpf, haben ihr die „große Partie“ so lockend gepriesen, sie mit Blumen, Festen, Neid der Freundinnen und stetem Glücklichpreisen so überschüttet, daß sie in den kurzen Wochen des Brautstandes nicht zum Nachdenken kam, nicht einmal sich besinnen konnte, warum ihr doch tief innen ein sonderbares Angstgefühl saß und nicht weichen wollte, trotz der Kästchen mit Schmuck, die der ältliche reiche Bräutigam ihr freigebig brachte, trotz seiner stets zunehmenden Zärtlichkeit … Aber jetzt weiß sie es, auf einmal ist es ihr schrecklich klar geworden, jetzt, wo der Augenblick des Abschieds da ist, wo sie hinaus soll von allem, allem, was ihr lieb und teuer war! Nun ringt sie verzweifelt die Hände und starrt regungslos vor sich hin, während die ältere Schwester sie angstvoll bittet und beschwört, sich zusammenzunehmen und kein Aufsehen zu machen. Sie hat es ja gut gemeint, als sie seiner Zeit zu der glänzenden Partie zuredete; ihr selbst erschien in ihrem auf Sorgen und Borgen aufgebauten Gesellschaftsleben stets Reichtum, solider Reichtum, als das höchste Glück auf Erden. Und nun steht, während im Festsaal noch die Champagnerkelche auf das Glück des jungen Paares zusammenklingen, die junge Braut als Verzweifelnde vor ihr, ärmer und elender als die Bettlerinnen, die heute neugierig sich um das Kirchenportal zu der vornehmen Hochzeit drängten. Gegenüber der stummen Verzweiflung der Bethörten bereut nun auch die praktische Schwester ihre früheren klugen Ratschläge. Aber noch in diesem peinlichen Augenblick bemüht sie sich, der Armen das Unabänderliche in freundlicherem Lichte zu zeigen und ihr zu beweisen, daß sie zu schwarz sieht, daß alles viel besser gehen wird als sie denkt. Möchte die verhängnisvolle Ratgeberin wenigstens darin recht behalten!

Das Adventsblasen. In der Gegend von Meppen und anderen Orten, im sogenannten Emslande, hat sich neben verschiedenen alten Gebräuchen auch noch das Adventsblasen erhalten. Man nennt es auch „das Blasen der Hirten“ im Anklang an die bethlehemitischen Ereignisse

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 803. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0803.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2021)