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Die tiefsten Bergwerke der Erde.

Zur Zeit Alexander von Humboldts, als man sich in Ermangelung besonderer Tiefbohrungen für geologische Zwecke mit den Verhältnissen und Ergebnissen tiefer Kohlen- oder Erzbergwerke auch für die Zwecke der Wissenschaft, für die Wärmemessung großer Tiefen und dergleichen, begnügen mußte, betrug die größte Tiefe, bis zu welcher man nach seinen eigenen Angaben in die Erde eingedrungen war, 680 m in der Tiefbohrung vom Steinsalzwerk bei Minden. Freilich wußte auch Humboldt bereits erheblich tiefere Schächte zu nennen, die im Mittelalter niedergetrieben worden waren und später nach dem Eingehen des Bergbaues in den betreffenden Gegenden wieder verfallen sind.

So erlangten die Gruben am „Röhrerbühel“ bei Kitzbühel in Nordtirol, in denen bis ans Ende des 18. Jahrhunderts Bergbau auf Kupfer und Silber betrieben wurde, am Ende des 16. Jahrhunderts im St. Nothburger Geisterschacht nicht weniger als 888 m Tiefe, und im Jahre 1621 gab es in demselben Bergbezirk 4 Schächte zwischen 680 und 894 m Tiefe. Man brauchte beinahe 11/2 Stunden, um aus den tiefsten Zechen eine Tonne mit Erz durch das über Tage stehende Wasserrad heben zu lassen. Die Pumpwerke wurden sogar mit Menschenhand betrieben. Noch tiefer als diese Schächte war im 16. Jahrhundert derjenige zu Kuttenberg in Böhmen, der 1100 m Tiefe erreicht haben soll, aber am Beginn unseres Jahrhunderts gleich den vorigen schon wieder verschüttet war. Endlich haben sich auch die Chinesen, die in so vielen Zweigen der Technik frühzeitige Erfahrungen besaßen, schon vor langer Zeit als geschickte Schachtbohrer und -Zimmerer bewiesen. Schon lange, bevor in Pennsylvanien und bei Baku Brunnen zum Abfangen und zur Benutzung der brennbaren Naturgase gebohrt worden sind, gab es solche Schächte von mehr als 900 m Tiefe und zu demselben Zwecke in dem Erdöldistrikte von China.

Was nun die größten Tiefen in neueren Bergwerken betrifft, so sind zunächst in Deutschland einige Schächte des Clausthal-Zellerfelder Bergbetriebes beachtenswert. Mehr als 700 m erstrecken sich hier die Zechen Marie und Anna Eleonore, und eine der Harzer Zechen, Kaiser Wilhelm II, geht sogar bis 863 m hinab. Obwohl sich das Zechenhaus dieses Schachtes gegen 600 m über dem Meere befindet, so reicht doch seine Sohle noch ungefähr 300 m unter den Spiegel der Nordsee hinab, und trotz der großartigen Wasserleitungen des Harzes, die viele Meilen lang die Abhänge des Gebirges durchschneiden, um das Grubenwasser von selbst ablaufen zu lassen und an Pumparbeit zu sparen, müssen die Grubenwässer dieses Schachtes doch reichlich 500 m hoch durch Maschinen gehoben werden. Die vorzüglichen Fahrkünste des Harzer Bergwerkbetriebes ermöglichen es, auch in diese Tiefen binnen 20 oder 25 Minuten hinabzusteigen. Der Transport der Erze findet sogar mit einer Geschwindigkeit von 300 bis 400 m in der Minute statt.

Bedeutend tiefere Gruben, als sie der Harz hat, sind heute im böhmischen Kohlenbezirk im Betriebe. Von den Zechen bei Przibram besitzt der Franz Josephsschacht eine Tiefe von 1000 m, während die Zechen Marie und Adalbert sich noch 130 m weiter ins Innere der Berge erstrecken. Noch etwas tiefer gehen die Henriettenschächte zu Flérue in Belgien, die ebenfalls dem Kohlenbau dienen und bis jetzt eine Tiefe von 1200 m erreicht haben. Im Jahre 1895 stieß man bei 1150 m Tiefe auf so bedeutende Wassermassen, daß der Betrieb vorübergehend eingestellt werden mußte. Nach Aufstellung einer neuen Pumpmaschine gelang es indessen, den Bergbau wieder aufzunehmen. Natürlich herrschen in dieser Tiefe schon sehr bedeutende Temperaturen; man fand das Gestein bei 1150 m 47 bis 48°C warm, und es gehört eine gewaltige Ventilationsanlage dazu, die Arbeit in diesen Tiefen zu ermöglichen. Durch die Einführung von 8 bis 9 cbm Luft in jeden der Schächte und in jeder Sekunde ist die Temperatur soweit herabgemildert worden, daß am tiefsten Füllort bei 1150 m nur 151/2° herrschen, wenn die Temperatur an der Erdoberfläche 0° beträgt. Eine Temperaturerhöhung von 7° über der Erde bringt am Grunde der Zeche nur eine Wärmezunahme von 1° hervor.

Die Wärmeverhältnisse bei der Tiefenzunahme sind übrigens außerordentlich verschieden; in einem 1100 m tiefen Schacht von Przibram steigt die Temperatur mit zunehmender Tiefe so langsam, daß erst auf je 30 m eine Wärmezunahme von 1° erfolgt; nahe an der Sohle beträgt die natürliche Temperatur nur 22° C. Anderseits ist man in den überaus reichen Minen des Comstockganges in den Silber- und Goldregionen von Nevada genötigt, zwischen 600 und 700 m Tiefe die Arbeit der Hitze wegen aufzugeben. In einigen Gängen steigt die Temperatur gegen 50° C, und die Arbeiter, welche bei 47° noch beschäftigt sind, werden alle 10 Minuten abgelöst. Die Versuche, auch bei 50° arbeiten zu lassen, mußten aufgegeben werden, da sich bei den Arbeitern Geistesstörungen und plötzliche Todesfälle einstellten. Bereits aus dem 17. Jahrhundert wissen wir, daß im Herrengrunde in Böhmen tiefe Bergwerksschächte verlassen werden mußten, weil die Hitze über das erträgliche Maß stieg. In den Vereinigten Staaten von Amerika befindet sich übrigens auch der tiefste Schacht der ganzen Erde, nämlich die Zeche Red Jacket der Columet Erzdistrikte, die 1495 m unter die Erdoberfläche hinabreicht, also die tiefsten europäischen Schächte fast um 300 m übertrifft. Die Temperatur beträgt am Boden dieser Zeche 31°.

In England gehen, dank dem unerschöpflichen Reichtum des Bodens auch in flacheren Schichten, die Bergwerke bei weitem noch nicht in so bedeutende Tiefen hinab wie in Belgien oder in den Vereinigten Staaten. Die tiefste englische Erzgrube ist diejenige von Doleveth in Cornwall, deren Tiefe 787 m betrügt, während der Kohlenschacht von Pendleton bei Manchester sich auf 1060 m Tiefe erstreckt.

Das tiefste Bohrloch der Erde liegt bei Paruschowitz in Oberschlesien und erreichte 2003,34 m Teufe. Bw.0


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Mizerl.

Eine Wiener Geschichte von V. Chiavacci. Illustriert von V. Porsche und H. Schubert.
1.

I bitt’, kaufen S’ mir an’ Planeten[1] a’, ’s san drei Numero drauf, die in der nächsten Ziehung kommen.“ Ein kleines, kaum fünfjähriges Mädchen in dürftiger Kleidung, das blasse sympathische Gesichtchen mit den großen rehbraunen Augen in ein zerlumptes Tuch eingehüllt, ging mit diesen Worten von Tisch zu Tisch und bot mit den kleinen vom Frost geröteten Händchen ihre seltsame Ware aus. Wie ein Silberglöckchen drang seine Stimme durch den wüsten Wirtshauslärm. Manche von den Gästen griffen mechanisch in die Tasche und gaben der winzigen Verkäuferin eine kleine Münze, um sie los zu werden; andere ließen sie hart an oder hielten ihr moralische Strafpredigten über ihren frühzeitigen Müßiggang, wobei sie nicht verabsäumten, dem Kinde einzuschärfen, daß seine Eltern gewiß höchst liederliche und verkommene Menschen sein müßten, wenn sie es gestatteten, daß ihr Kind schon in diesem zarten Alter das Leben eines Taugenichtses führe. Wenn sie dann in ihrer Rede innehielten und in das unschuldige, für Frohsinn und Heiterkeit geschaffene Gesichtchen blickten, dessen Züge aber einen frühreifen Ernst zeigten, in dessen Augen ein rührend hilfloser flehender Ausdruck schimmerte, da konnten sie doch nicht weiter in ihren landläufigen Phrasen und sie blickten der Kleinen mitleidig nach, nachdem sie ihr eine Gabe gereicht. Die ganz Entrüsteten aber blieben zugeknöpft und erklärten, wie bei so vielen Gelegenheiten, wo es sich um ihre werkthätige Hilfe handelte, solchen Unfug „prinzipiell“ nicht unterstützen zu wollen.

An einem der Nachbartische war es darüber sogar zu einem lebhaften Meinungsaustausch gekommen. Eine blonde junge Frau hatte Mitleid mit dem Kinde gefühlt und ihm einen größeren Betrag als üblich geschenkt. Ihr Tischnachbar verzog das Gesicht zu einem höhnischen Lächeln und sagte: „Da sieht man wieder das ‚goldene Wiener Herz‘. Es giebt keinen Unfug und keine Bettelindustrie, von der es sich nicht rühren läßt. Und doch ist es von allgemeinem Interesse, diesem Bettlerunwesen mit Strenge entgegenzutreten, auf die Gefahr hin, hier und da einmal auch einen wirklich Dürftigen abzuweisen.“

„Da bin ich wieder ganz anderer Ansicht,“ entgegnete die Dame. „Ich weise lieber keinen zurück, der mich um eine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 794. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0794.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)
  1. Kleine Zettel mit einer gedruckten Weissagung und drei Nummern.