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Kleine Mitteilungen.


Die evangelische Erlöserkirche in Jerusalem. Als am 7. November 1869 Kronprinz Friedrich Wilhelm, der nachmalige Kaiser Friedrich III, in Jerusalem weilte, ergriff er Besitz von einem Bauplatze, den der Sultan seinem Vater, dem Könige Wilhelm, geschenkt hatte. Der Platz war ein Ruinenfeld, das in unmittelbarer Nähe der Heiligen Grabeskirche und der mit hohem viereckigen Minaret gezierten Moschee Djami el-Omari lag. Muristau, d. h. Herberge oder Spital nannten ihn die Türken, denn an dieser Stätte wurde nach dem glücklichen Erfolg des ersten Kreuzzuges ein prächtiges Hospiz des Johanniterordens errichtet, und neben ihm entstand die Kirche und das Kloster Maria latina mit einem Hospital für erkrankte Pilgerinnen. Als Saladin am 2. Oktober 1187 Jerusalem wieder eroberte, schonte er das Johanniter-Pilgerhospiz und überwies einen Teil der Gebäude den Türken zur Benutzung als Irrenhaus. Im Laufe der Zeiten fielen jedoch die großen Bauten in Trümmer. Als nun das Gelände in preußischen Besitz übergegangen war, entstand der Plan, die Kirche Maria latina wieder aufzubauen und als eine evangelische deutsche Kirche in Jerusalem einzurichten. Bereits im Jahre 1871 wurde Baurat F. Adler mit der Ausmessung der inzwischen ausgegrabenen Baulichkeiten und der Einreichung eines Entwurfes und Kostenanschlags vom Kaiser Wilhelm I beauftragt. Der Ausführung des Planes stellten sich jedoch Schwierigkeiten entgegen; zu jener Zeit bestand noch auf Grund älterer Verträge ein englisch-preußisches Bistum auf dem Berge Zion; erst nachdem diese Verträge im Jahre 1888 gelöst wurden, konnte eine freiere Entfaltung der deutschen evangelischen Organisation und Missionsthätigkeit in Jerusalem angebahnt werden. Kaiser Wilhelm II nahm die alten Pläne wieder auf, und am 31. Oktober 1893 konnte die Grundsteinlegung zu der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem stattfinden. Heute ist der Bau, dem die alte Kirche Maria latina zum Vorbild gedient hat, im großen und ganzen fertiggestellt; am 31. Oktober, dem Jahrestage des Reformationsfestes, ist sie im Beisein des deutschen Kaiserpaares feierlich eingeweiht worden. Die Erlöserkirche wird von einer Kuppel und einem 45,5 m hohen Glockenturme überragt.

Die Beverthalsperre bei Hückeswagen. Es giebt nur wenige Thäler, die so bevölkert und gewerbreich sind wie das Wupperthal, und wenige Flüsse, die von den Menschen derart zur Arbeit herangezogen worden sind wie die Wupper. Nach Hunderten zählen die Mühlen, Schleif- und Hammerwerke, die der geschäftig dahineilende Fluß auf seinem vielgewundenen Laufe von den Höhen des Sauerlandes bis zum Rhein in Betrieb setzt. Die Wupper ist aber gleich anderen durch Gebirgsbäche gespeisten Flüssen eine launische Arbeiterin. Je nach den Niederschlägen, die in ihrem Gebiet stattfinden, steigt und sinkt ihr Wasser, und die regelmäßige Ausnutzung ihrer Wasserkraft wird bald durch Ueberschwemmungen, bald durch einen niedrigen Wasserstand gestört. Um nun diesem Uebelstande vorzubeugen, hat man beschlossen, im Wupperthale große Stauweiher anzulegen. In ihnen soll das überschüssige Wasser gesammelt und in Zeiten der Dürre dem Flusse wieder zugeführt werden. Dadurch wird man sowohl plötzliche Ueberschwemmungen zum großen Teil verhüten, wie auch den regelmäßigen Betrieb der am Flußlaufe errichteten Werke sichern können. Zu diesem Zwecke hat sich im Jahre 1895 die „Wupperthalsperrengenossenschaft“ gebildet. Sie hat sich die Aufgabe gestellt, eine Thalsperre bei Hückeswagen im Beverthale mit einem Wasserbecken von 3,5 Millionen Kubikmetern Fassungsvermögen, eine zweite Sperre im Lingserthal mit 2,6 Millionen Kubikmetern Inhalt und außerdem zwei kleinere Ausgleichsweiher bei Beyenburg und Buchenhofen anzulegen. Die Mauer, die das Beverthal durchquert, hat eine Länge von 240 m und eine Höhe von 24,9 m; ihre Breite am Fundament beträgt 16,7 m und an der Krone 3,42 m. Die Arbeiten an den anderen Sammelbecken schreiten gegenwärtig unter Oberleitung des Professors Jutze und des Baumeisters Alb. Schmidt rüstig fort, und die gesamte Anlage, die zu den größten Wasserbauwerken Deutschlands zählt, wird voraussichtlich schon im Sommer des nächsten Jahres fertiggestellt werden.

Die Tanreks im Zoologischen Garten in Frankfurt a. M. In unterirdischen Höhlen und Gängen auf der Tropeninsel Madagaskar wohnt das etwa 1/4 m lange Tier. Es ist der Borstenigel oder Tanrek. Selbst dort, in den verborgensten Winkeln der Howainsel, war der lichtscheue Gesell vor der alles durchdringenden Forschung nicht sicher; die Wissenschaft zerrt ihn aus seinem Maulwurfsdasein hervor, und heute präsentiert sich der sonderbare Dickkopf im Zoologischen Garten zu Frankfurt a. M. den neugierigen Blicken der schaulustigen Welt.

Kann er sehen, oder nicht? Diese Frage läßt sich nicht bestimmt entscheiden. Schon an sich ist die Lidspalte recht mangelhaft und trotzdem kneift das Tierchen sie noch ängstlich zu, sichtlich unangenehm berührt durch das Tageslicht. Auch die Ohren sind klein und im dichten Pelz verborgen. Maul und Nase aber sind wohl entwickelt. Der etwas gekrümmte Unterkiefer sowohl wie die Kieferfläche des Rüssels sind dicht besetzt mit äußerst spitzen, stachelartigen Zähnen, und bei einem Angriff weiß der sonst so blöde dreinschauende Wühler recht wohl Gebrauch davon zu machen.

Der Kopf allein ist etwa halb so groß wie der ganze Körper; die Füßchen sind zum Graben geschickt und der Schwanz fehlt, da er einem Grabtier nichts nützen würde. Das Merkwürdigste ist das Kleid des Tanreks, und diesem verdankt er auch seinen deutschen Namen „Borstenigel“. Die oberflächliche Bedeckung bildet ein dichtes, gelbbraunes Haar. Ueber dies hinaus ragen vereinzelte lange Wimperhaare hervor, und tief im Pelz verborgen sitzen wiederum ganz kurze stachelartige Borsten.

Der Tanrek frißt in der Gefangenschaft – und ebenso in seiner Heimat – Regenwürmer. Es ist erstaunlich, daß es möglich war, die Tiere lebend von Madagaskar bis hierher zu bringen, denn diese Kost ist auf einer wochenlangen Seereise schwer zu beschaffen. Wie aber der Ameisenbär in der Gefangenschaft anstatt mit Ameisen mit Mehlbrei und Hackfleisch erhalten wird, so dürfte sich auch für den Tanrek eine Interimskost gefunden haben.

Stationszeiger. Seit Jahren steht auf dem Wunschzettel unseres reisenden Publikums eine Vorrichtung, die es ermöglicht, im Innern des fahrenden Zuges stets den Namen der nächsten Haltestelle ersehen zu können. Der Gedanke ist in London verwirklicht. Auf der City- und Süd-London-Untergrundbahn findet sich an jeder Wagenthür die gewünschte Vorrichtung. Sie besteht in einem in der Mitte der Thürfüllung angebrachten Blechschieber, welcher durch den Schaffner derart verstellt wird, daß in einem schmalen Schlitz stets der Name der nächsten Station sichtbar wird. Ueber diesem Schlitz befindet sich die Aufschrift: „Next Station“. So ist der Reisende jederzeit imstande, sich darüber zu vergewissern, wo er sich befindet.

Es würde sich diese Einrichtung auf unseren Zügen mit durchgehenden Wagen gleichfalls unschwer durchführen lassen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 772_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0772_d.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2021)