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Künstlerateliers, in welchen hochbezahlte Meister farbenprächtige Blumenstücke, stimmungsvolle Landschaften oder Kopien berühmter Gemälde auf dem Porzellan darstellen.

Werfen wir nach dieser Darlegung des technischen Verfahrens bei der Porzellanbereitung noch einen kurzen Blick auf die Geschichte dieser Fabrikation in Deutschland. Der Erfinder des Porzellans, Johann Friedrich Böttger, der als Alchimist in kursächsischen Diensten stand, gelangte nur auf Umwegen zu der Herstellung des weißen Hartporzellans. Im Jahre 1711 trat er zuerst mit Gefäßen an die Oeffentlichkeit, welche, aus rotbraunem oder schwärzlichem glasharten Steingut verfertigt, sich als Nachahmungen der unter dem Namen Bukhara-Theekannen bekannten ostasiatischen Erzeugnisse darstellten. Erst 1730 bezog er zum erstenmal die Leipziger Messe mit Gefäßen aus weißem Hartporzellan. Der große pekuniäre Erfolg der neuen Fabrikation, von deren Schwierigkeiten man außerhalb der eingeweihten Kreise keine Ahnung hatte, ließ bald nach Böttgers Erfindung eine Menge Fabriken entstehen, welche als Leiter entlaufene Dresdener „Acranisten“ (von arcanum, Geheimnis, also Eingeweihte) mit schwerem Gelde zu gewinnen suchten und sich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit derselben meist betrogen sahen. So entstand 1718 die Fabrik zu Wien, unter dem aus Meißen gekommenen Samuel Stenzel. Mit manchen Mißerfolgen kämpfend, fristete sie sich bis 1744 hin, in welchem Jahre sie von Maria Theresia zur Staatsmanufaktur erhoben und größerer Blüte entgegengeführt wurde. 1744 wurde in Braunschweig die Fürstenberger Fabrik gegründet, zwei Jahre später diejenige zu Höchst a. M., der zuerst der Meißner Löwenfink vorstand. Auch diese Fabrik, über deren Schicksale wir durch eine ausgezeichnete Monographie von E. Zais unterrichtet sind, hatte Jahre schweren Ringens mit Mißerfolg und Geldmangel durchzumachen, bis das Kurfürstentum Mainz sich derselben annahm. Die Periode größten Ruhmes der Höchster Fabrik war diejenige, in welcher der bedeutende Bildhauer Melchior die Modelle für die daselbst erzeugten Figuren machte, die noch heute im Kunsthandel sich der höchsten Wertschätzung erfreuen.

Die Berliner Fabrik wurde 1751 als Privatunternehmung des Kaufmanns Wegeli gegründet; 1763 wurde sie für 225000 Thaler von Friedrich dem Großen, der sich schon als Kronprinz für dieselbe interessiert hatte, in ein Staatsinstitut umgewandelt, als welches sie nach mannigfachen Schicksalen noch heute in erhöhtem Glanz besteht. Da der „Scherben“ der Berliner Manufaktur stets als der vorzüglichste galt, so hatte sie zu allen Zeiten ihres Bestehens das unbestrittene Uebergewicht für alle Gefäße zu chemischen und andern technischen Zwecken. In ihrer künstlerischen Entwicklung machte sie alle Stilwandlungen durch, bis ihr in neuester Zeit durch eine Anzahl jüngerer Künstler ein Aufschwung in ganz modernem Sinne beschieden war, der seinen höchsten Triumph auf der Ausstellung zu Chicago feierte.

Ein Jahr nach der Berliner Fabrik, 1751, wurde die zu Frankenthal in Rheinbayern gegründet. Der erste Meister dieser Fabrik war der aus Straßburg stammende Kunsttöpfer Hannong; ihr Hauptförderer der als Schutzherr der Kunst bekannte Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz.

Eine große Zahl anderer Fabriken entstand noch in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, wie Ludwigsburg, Nymphenburg, Kassel, Fulda, Rudolstadt, Gotha, Gera – ihre Geschichte bietet fast überall das gleiche, wenig erfreuliche Bild: Streitigkeiten mit den „Arcanisten“, welche ihre Versprechungen nicht zu halten vermochten, unzulängliche Einrichtungen, in deren Folge zahlreiche Fehlbrände den Betrieb unrentabel machen; endlich letzte Hilfe vor dem Bankerott durch das Eingreifen des Landesherrn.

Für die stilistische Entwicklung des deutschen Porzellans ist die Meißner Fabrik am meisten maßgebend, deren erste Periode unter Böttger wir oben bereits verfolgt haben. Nach Böttgers Tode 1720 kam ein tüchtiger Maler Namens Herold an die Spitze der Fabrik; während seiner Thätigkeit sind zwei stilistische Richtungen zu unterscheiden: eine ältere, welche versuchte, die chinesischen und japanischen Vorbilder täuschend nachzuahmen, und eine jüngere, die sich von diesem Geschmack ziemlich befreite und den Uebergang zum Barockstil bildete. Dieser charakterisiert sich durch seine Vorliebe für das Derbe und Schwülstige, wodurch freilich die schlichte Grazie der älteren Formen verloren ging, aber auch oft eine wundervoll malerische und kraftvolle Wirkung erzielt wurde.

Das Jahr 1740 brachte durch einen Maler Keltner den Rokokostil zur Geltung, der zwar keine neuen konstruktiven Elemente kannte, sondern seine Gefäßformen vielfach den von dieser Formengruppe beherrschten Silbergefäßen entlehnte; die Hauptrolle spielte bei ihm eine willkürliche aber äußerst anmutige Ornamentik. Die Bemalung hielt sich in hellen, gebrochenen Farben und nahm auch chinesische Motive in ihr System auf. Später jedoch begann man, die Gefäße mit plastischen Ornamenten zu belegen. Und von da

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0755.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2022)