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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

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In der Porzellanfabrik.

Von F. Luthmer. Mit Illustrationen von C. H. Kuechler.

Auch die Erfindungen spiegeln ihre Zeit wider. Die großen Erfolge der heutigen Naturwissenschaft, welche uns lehrten, durch Dampf und Elektricität Raum und Zeit zu besiegen – wie weltumgestaltend wirken sie, verglichen mit der Erfindung, welche in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Augen der Welt auf sich zog. Und doch begrüßte man in der Erfindung des Hartporzellans, die um 1730 dem sächsischen „Alchimisten“ Böttger gelungen war, eine wichtige Förderung des Nationalwohlstandes. Galt es doch als sicher, daß die für jene Zeit beträchtlichen Summen, die für das vielbegehrte Töpfergut bisher nach Ostasien gewandert waren, nunmehr dem Vaterlande zu gute kommen würden; Grund genug, daß kunstsinnige Fürsten und erwerbseifrige Industriegesellschaften allerorten Fabriken bauten, um die neue Erfindung auszubeuten.

Nicht unbestritten ist dem Deutschen Böttger der Ruhm seiner Erfindung geblieben. Man hat sich bemüht, nachzuweisen, daß lange vor ihm schon in Europa Porzellan erzeugt worden sei. Einige Verwirrung hat in diese Untersuchungen die in alten fürstlichen Inventarien schon seit dem 14. Jahrhundert vorkommende Erwähnung gewisser „Vasa porcellanea“ gebracht. Jetzt dürfte ziemlich feststehen, daß sich diese Bezeichnung auf die in Silber und Gold gefaßten Prunkgefäße aus der Schale der porcella, einer Seemuschel, beziehen, vielleicht auch auf einzelne wirkliche Gefäße aus Hartporzellan, die auf dem Handelswege von China ins Abendland verschlagen waren und die man hier nach der Aehnlichkeit ihres Stoffes mit demjenigen der erwähnten Muschel auf den Namen derselben taufte. An Versuchen, derartige chinesische Originalgefäße nachzubilden, hat es im Abendlande schon früher nicht gefehlt. Doch stellen sich die sogenannten Medici- Porzellane, welche um 1580 in Florenz hergestellt wurden, sowie derjenige Stoff, welcher gegen Ende des 17. Jahrhunderts in St. Cloud erzeugt wurde, als eine wesentlich andere, bei niedrigerer Temperatur schmelzbare Masse, als sogenanntes Weich- oder Frittenporzellan dar. Um den grundsätzlichen Unterschied derselben von dem eigentlichen Hartporzellan, der Erfindung Böttgers, zu verstehen, ist es notwendig, auf die Natur der letzteren einen kurzen Blick zu werfen, dem sich eine Schilderung des heutigen Ganges der Porzellanfabrikation anschließen möge.

In der Massenmühle.

Der unterscheidende Bestandteil des Hartporzellans ist das Kaolin, ein Thon, der aus der Verwitterung thonerdehaltiger Silikate entsteht und in Deutschland an verschiedenen Stellen in den Ablagerungsebenen am Fuß der Urgebirge vorkommt. Neben diesem an sich unschmelzbaren Bestandteil enthält das Porzellan einen zweiten, das Flußmittel, meist im Verhältnis von 70 zu 30. Als Flußmittel, welches für sich unbildsam ist, verwendet man meist Feldspat, auch Kiesel, Feuerstein, Porzellanscherben u. ähnl. Die Flußmittel schmelzen mit dem Kaolin zu einer glasartigen, aber undurchsichtigen Masse zusammen; indem sie die Thonteilchen beim Schmelzen umhüllen und miteinander verbinden, machen sie das Schmelzprodukt kompakt, klingend, glashart und bis zu einem gewissen Grade durchscheinend.

Wenn wir eine Porzellanfabrik besuchen, um uns an der Hand eines kundigen Führers in die Herstellung dieses einst so teuer geschätzten, heute so alltäglichen Gebrauchsmaterials einweihen zu lassen, so werden wir zunächst in diejenige Abteilung geführt, in welcher die Zubereitung der Materialien vor sich geht. Wir erstaunen über die Sorgfalt, mit welcher dieselbe vorgenommen wird. Der Thon, der entweder an Ort und Stelle gegraben oder von auswärts bezogen wird, muß, um von allen fremden Beimengungen befreit und absolut gleichmäßig zu werden, dem Prozeß des „Schlemmens“ unterzogen werden. Man löst die feingemahlene Erde in reichlichem Wasser auf, füllt den milchartigen Brei in offene Fässer oder Bottiche und läßt die fremden Bestandteile zu Boden sinken, worauf man die gereinigte Masse durch Hähne, die in verschiedener Höhe angebracht sind, abläßt. Neben dieser älteren Methode wendet man in größeren Betrieben zu demselben Zweck die Schlemmgruben an, eine Reihe flacher Bassins in verschiedener Höhenlage, in deren oberstes die unreine Flüssigkeit eingefüllt wird, um nach Senkung der fremden Stoffe in das nächstfolgende Bassin abgelassen zu werden, bis dem untersten die reine, zum Verarbeiten geeignete Thonerde entnommen werden kann.

Das Flußmittel, das in Form von Steinbrocken zur Verfügung steht, wird zunächst durch Rösten brüchig gemacht, alsdann in einem Stampfwerk zu Pulver zerkleinert. Ist nun Thon und Fluß in dem oben angegebenen Verhältnis gemengt, so läßt man die Masse, mit Regenwasser angefeuchtet, einige Wochen liegen, damit sie verwittert. Es tritt eine Art Gärung ein, welche die Masse so fein werden läßt, daß sie sich wie Seife anfühlt. In früherer Zeit wendete man zur Verfeinerung der Masse das Sieben an. Ein an seinem unteren Rande mit Taffet oder feinem Leinen bezogenes Sieb wurde auf zwei Lattenstücken über die oberste Oeffnung eines aufrechtstehenden Fasses gestellt. Mit einem Handkübel füllte man

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0752.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2022)