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Die Ausstellung nationaler Frauenarbeiten im Haag.

Von den holländischen Frauen wurde während des verflossenen Sommers im Haag eine Ausstellung veranstaltet, die auch in den Frauenkreisen Deutschlands ein lebhaftes Interesse erweckt hat. Sie zeigte einerseits, was die Frau im Kulturleben geleistet hat, und suchte anderseits über die neuen Bahnen, auf welchen das Los der Frauen gebessert werden soll, Aufklärung zu verbreiten. Das letztere Ziel war das bedeutsamere, und treffend hob Frau Goekoop die Tendenz der Ausstellung hervor, indem sie in der Eröffnungsrede sagte: „Wir haben nicht für uns selbst gearbeitet, sondern für die Zukunft, für die Frauen, die nun noch kleine Mädchen sind, denn vornehmlich das junge kommende Geschlecht wird die Früchte unseres Strebens pflücken.“

Und weil der Grundgedanke der ganzen Ausstellung dem Bestreben galt, den Frauen der Zukunft ein sicheres, besseres Los zu schaffen, so sollte es ein Kindermund sein, welcher das wichtigste Wort des Tages aussprach und die Ausstellung für eröffnet erklärte! Das war nun zum mindesten sehr ungewöhnlich, verfehlte aber seine Wirkung auf die Anwesenden keineswegs.

Ungewöhnlich war noch manches bei dieser Ausstellung, so auch der Umstand, daß sie am Eröffnungstage, dem 9. Juli, vollständig fertig war, was man nur wenigen Ausstellungen nachrühmen kann.

Die historische Abteilung sollte beweisen, welche Rolle die Frau zu allen Zeiten in der Volksentwicklung gespielt hat. Bilder und Schriften berühmter niederländischer Frauen, aber auch Handarbeiten und Kunstwerke zeugten von dem Geist und Streben der „guten alten Zeit“. Ein prächtiges Bild stellte die „Weiber von Weinsberg“ dar, welche nach Erlaubnis Kaiser Konrads III die belagerte Stadt verlassen und das Liebste mitnehmen dürfen, was sie besitzen: da tragen die Frauen ihre Männer, die Mädchen ihre Brüder mit Aufbietung aller Kräfte zur Stadt hinaus.

Neben den Leistungen aus alter Zeit waren ferner Kunstwerke zu schauen, welche die Frauen der Gegenwart geschaffen haben. Sehr gut war zunächst die Malerei vertreten. Nur die ersten niederländischen Künstlerinnen waren zur Beteiligung aufgefordert worden, von denen viele auch in Deutschland nicht unbekannt sind.

Auch Musik und Schauspiel fehlten nicht. Cornelie van Oostersee hat eine Kantate für Frauenchor, die am Eröffnungstage zur Aufführung kam, komponiert. Der Text von Mevrouw Sneyder van Wissenkerke erzählt in Versen, wie die Frauen bisher im Dunkel lebten, bis das Licht sich durchringt und sie anfangs blendet, so daß sie ängstlich fragen: „Ist Licht Glück?“ Aber eine höhere Stimme gebietet ihnen, dem Licht zu folgen, bergan zu dem Wunderschloß, in welchem der ewige, von keinem Auge gesehene Schatz bewahrt wird: „der Menschheit erfülltes Ideal“.

Hendrika van Tussenbroek hat ihre Landsleute gleichfalls mit einer Komposition überrascht. Es ist eine Kinderoperette, ein liebenswürdiges Werk, das man kurz vor Eröffnung der Ausstellung aufführte. Als dritte Komponistin zeichnete sich Catharina van Rennes durch ihre Oranje-Nassau-Kantate aus, die als Morgengruß der jungen Königin Wilhelmina von 1700 Kindern gesungen wurde.

Aber verlassen wir die schönen Künste und wenden uns dem Kern der Ausstellung, der Arbeit, zu! Versinnbildlicht wurde diese durch eine plastische Figur, ein Weib, das einen Karren mit Steinen schob, ferner durch das Bild einer Frau, gebückt unter einer schweren Last daherschleichend. Lange Tabellen an den Wänden und auf Tischen erzählten von den Hungerlöhnen, dem Elend der Großstadtarbeiterin, lange Listen meldeten die Vereine, welche bemüht sind, die Last dieser Unglücklichen zu erleichtern.

Den Arbeiterinnen, denen wir im Industriesaal begegneten, sah man allerdings weder die „Hungerlöhne“ noch die schweren Lasten an, sie waren, dank der Fürsorge der Ausstellerinnen, hübsch gekleidet, sahen gesund aus und arbeiteten ohne Hast, aber mit sichtlichem Vergnügen. Dort saßen die einen vor den Webstühlen, und mit Hilfe der treuen Maschinen ließen sie leichte, flatternde Bänder oder schwere, kostbare Teppiche entstehen; hier arbeiteten andere an Setz- und Druckmaschinen, Dampfwasch- und Bügelmaschinen; auf einem anderen Platz wurden in wenigen Minuten Hunderte von Strohhülsen für Flaschen fabriziert. Ueberall reges Leben und reges Interesse des Publikums.

Eine dichte Menge war beständig um die Diamantschleifer!n geschart, aber auch die Schuhmacherinnen fanden ihr Publikum. Bijouterie, Passementrie, Typographie, Maschinenstickerei – alle die von Frauen ausgeübten Erwerbszweige waren vertreten, die meisten in vollem Betriebe. Viel Aufmerksamkeit fanden auch die frischen sauberen Bäuerinnen, welche Butter, Käse und Honig bereiteten. Das Post- und Telegraphenbureau wurde eifrig benutzt, es war, wie die beiden Restaurattonen, von denen die eine nur vegetarische Küche führte, durch Frauen geleitet.

Hochinteressant war die Abteilung für Pharmacie (ein Beruf, in welchem 1200 niederländische Frauen thätig sind, von denen viele das Provisorexamen glänzend bestanden haben!) und nicht minder die Abteilungen für Hygieine, Krankenpflege, Wohnungseinrichtung und Reformkleidung. – Der Buchhandel sollte – wie überhaupt die Rubrik „Handel“ – nur durch statistische Tabellen vertreten sein, wurde aber schließlich doch durch zwei dieses Fach selbständig betreibende Damen praktisch vergegenwärtigt. Auch ein Lesesaal und ein Preßbureau fehlten nicht.

Noch möchten wir von „Insulinde“ berichten, einem Stück tropischen Lebens unter dem blassen nordischen Himmel! Ein ganzes Dorf (Kampong) ist da aus den Häuschen der verschiedenen Kolonien, wie Java, Sumatra und Borneo, zusammengestellt, mit Reisscheunen, Brunnen, Gräbern etc. Unter hohen Palmen und tropischen Bäumen schreiten die Eingeborenes dieser Länder, schöne, schlanke Gestalten in bunten, fremdartigen Gewändern. Wir belauschen die Frauen, wie sie diese weben und bemalen, wie sie in ihren Hütten den Haushalt besorgen und ganz unglaubliche Gerichte bereiten.

Während der Ausstellung fand im Haag ein Frauenkongreß statt, auf dem zahlreiche Vorträge gehalten und wichtige Fragen besprochen wurden. Durch eine für die Dauer der Ausstellung geschaffene Zeitung „Vrouwenarbeid“ wurde der Inhalt der Vorträge auch denjenigen übermittelt, die an dem Kongreß persönlich nicht teilnehmen konnten.

Möchten die Samenkörner, welche Ausstellung und Kongreß in so reichlichem Maße ausstreuten, in den Herzen der Menschen reiche Früchte tragen! Anna v. den Eken.     


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Wie Träume entstehen.

In unserer Zeit haben die Träume an Bedeutung verloren. Die Aufklärung hat in weiteste Volksschichten die Ueberzeugung getragen, daß Träume uns keinen Einblick in die übersinnliche Welt gewähren, daß es ein müßiges Unterfangen ist, aus ihren wechselvollen Gebilden die Zukunft wahrsagen zu wollen. Die Zunft der Traumdeuter ist allerdings noch lange nicht ausgestorben, aber ihre Gemeinde schmilzt immer mehr zusammen. An Stelle des Traumglaubens ist die Traumforschung getreten; denn das Interesse an den Träumen ist keineswegs erloschen. Wer hat nicht im Leben ihre Macht gespürt? Wen hat nicht ein Traum einmal aufs innigste beglückt und das andere Mal im Tiefinnersten erschüttert? Und über den Schlaf hinaus reicht die Wirkung. So mancher bleibt den ganzen Tag über verstimmt – wegen eines sinnlosen Traumes. Kein Wunder, daß man sich eifrig bemüht, das Wesen dieser rätselhaften Erscheinung zu ergründen! Von einer zuverlässigen Lösung dieser Frage sind wir leider noch sehr weit entfernt. Die strenge Wissenschaft, die sich mit Annahmen und Vermutungen nicht begnügt, sondern mit Thatsachen rechnet, hat bis jetzt nur vermocht, einige Bausteine zu einer künftigen Lehre von den Träumen zusammenzutragen. Das wenige, was man erkundet hat, ist aber schon darum wichtig, weil wir daraus ersehen, daß in das Träumen keine übernatürlichen Kräfte hineinspielen, daß vielmehr das träumende Gehirn nach denselben Gesetzen arbeitet wie das wachende.

Unter anderem haben wir tiefere Einblicke in die Ursachen der Träume gewonnen.

Zahlreiche Beobachtungen haben gelehrt, daß die meisten Träume durch äußere oder innere Reize veranlaßt werden, die auf den Schlafenden einwirken. Bemerkenswert ist, daß dabei eine gewisse Gesetzmäßigkeit sich geltend macht. Dieselben oder ähnliche Reize rufen bei verschiedenen Menschen gleichartige Träume hervor.

Zuerst hat man diese Erkenntnis bei der Prüfung einer sehr häufig vorkommenden und sehr belästigenden Traumart gewonnen. Jeder kennt aus eigener Erfahrung das Alpdrücken; ein Tier, eine feindliche Person oder irgend eine schwere Last wälzt sich allmählich auf den Träumenden und ängstigt ihn, bis er oft unter stöhnendem Laut erwacht. Börner, der durch das Alpdrücken oft gepeinigt wurde, stellte durch Versuche fest, wie es zustande kommt.

Der Alptraum stellt sich ein, wenn aus irgend einem Grunde die Atmung des Schlafenden behindert wird. Man kann ihn darum künstlich erzeugen, indem man dem ruhig Schlummernden irgend einen Gegenstand, z. B. eine wollene Decke, über Mund und Nase breitet. Dann bemerkt man, daß die Atemzüge der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0726.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2023)