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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Am Moorkanal.
Nach einer Originalzeichnung von R. Rucktäschel.

Wie eine blutrote Scheibe steht sie am Himmel, und alle Gegenstände, Berg und Wald, erscheinen in gelbrötlicher Färbung. In jüngster Zeit sucht man das Moorbrennen durch Kunstdüngung mit Kalk, Kainit, Chilisalpeter etc. überflüssig zu machen; ob es ganz gelingen wird, steht dahin.

Durch das Moorbrennen wird eine Zersetzung des Bodens bewirkt und demselben die überflüssige Humussäure, die das Wachstum hindert, entzogen. Ist das Feuer erloschen, so wird der Buchweizen gesät und eingehackt oder eingeeggt. Weil häufig der weiche, zitternde Moorboden kein Zugvieh tragen kann, so spannen sich Mann und Frau vor die Eggen und verrichten einmütig die schwere Arbeit des Ziehens.

Bald gehen die Körner auf und zaubern ein frisches, zartes Grün ins schwarze Moor. Und später die zierliche Buchweizenblüte, wie zart, weiß und rot, gleich einer verschämten Maid, sieht sie aus! Nun kommen auch die Bienenzüchter oder Imker gezogen und stellen in langer Reihe ihre Völker auf, die summend dem duftenden Buchweizenfelde zufliegen.

Wie ist alles so still ringsum! Die Luft zittert und flimmert im warmen Sonnenschein; man hört nichts als das Gesumme der Bienen und vielleicht das Trillern einer Lerche, hoch in blauer Luft. Der Imker wandelt bedächtig vor seinen Bienenkörben auf und ab, bläst blaue Rauchwolken aus seiner kurzen, braunen Pfeife („Dävke“) gen Himmel und träumt von seinen Honigernten.

„Kein Klang der aufgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit“

so schließt das Gedicht Theodor Storms, welches diese Stimmungswelt schildert.

Auch die Buchweizenernte im September (vgl. untenstehende Abbildung) ist nicht ohne Poesie. Männer, Frauen und Kinder ziehen alsdann ins Moor und dreschen auf dem festgeklopften Boden den Buchweizen aus. Die Flegel blitzen und tanzen in der Sonne, die Körner springen, das Stroh fliegt und der Schlag der Drescher tönt dumpf übers stille Moor. An diesem Tage bricht auch der ernste Moorbewohner sein gewohntes Schweigen. Kaffee und Bier lösen die Zunge, und Lachen, Singen und Jauchzen ertönen.

Buchweizenernte.
Nach einer Originalzeichnung von R. Rucktäschel.

Auf unserer Wanderung sind wir jetzt an einen Kanal gelangt, der mitten durchs Hochmoor gegraben ist. Er heißt „Hunte-Ems-Kanal“ und verbindet in einer Länge von 41 km die Hunte, welche in die Weser mündet, mit der Ems. Nun entwickelt sich ein neues, interessantes Bild. Indem wir unsern Weg am Kanal fortsetzen, gewahren wir bald zu beiden Seiten Kolonistenwohnungen, die einen sehr freundlichen Anblick gewähren und im Innern zwar einfach, aber doch wohnlich eingerichtet sind. Wir haben eine Fehn- oder Moorkolonie vor uns. Es giebt mehrere solcher Kolonien am Kanal: Moslesfehn, Elisabethund Jdafehn. Sie haben die Bestimmung, das Moor zu kultivieren. Dies geschieht durch das Abgraben der hohen Moorschicht bis auf den sandigen Untergrund. Jene wird zu Torf verarbeitet, dieser in fruchtbare Aecker, Gärten und Wiesen umgewandelt. Beides kann aber nur geschehen mit Hilfe eines schiffbaren Kanals; denn der Torf muß nach entfernten Dörfern und Städten ausgeführt und statt seiner muß Dünger etc. eingeführt werden. Die Kanäle sind mithin die pulsierenden Lebensadern der Moore; ohne sie ist und bleibt das Moor tot. Sowie aber ein Kanal durchs Moor gelegt wird, erwacht neues Leben in den Fehnkolonien, die – nachdem wir stundenlang über öde Heide und braunes Moor gewandert sind – einen überraschenden Anblick gewähren.

Der breite, unabsehbar lange Kanal ist bedeckt mit Booten, Kähnen und kleinen Seeschiffen. An den Ufern entlang, 20 bis 30 Schritt voneinander entfernt, stehen reinliche, freundliche Häuser aus roten Ziegelsteinen, umgeben von sorgsam gepflegten Blumengärten, grünen Gemüseund Obstgärten.

Hier erheben sich Mühlen, dort steigen Zugbrücken in die Höhe.

Hier dehnen sich Quais und Stapelplätze für Torf, und dort erblicken wir das rege Leben und Treiben einer Schiffsbauerei. Entfernen wir uns vom Kanal, so wogen bald Getreidefelder zu unseren Füßen, oder kleereiche Wiesen breiten sich aus, auf denen schöne, glänzende Kühe weiden.

Weiterhin treffen wir wieder dasLand im Urzustände: halb oder ganz ausgegebenes Moor, oder noch wild daliegendes Heideland. Wo der Torf bis auf den Untergrund abgegraben ist, da erhebt sich die steile, brauue Moorwand oft bis zu 10 und mehr Metern

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0699.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2022)