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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Richtung von Nordwest nach Südost. Während nämlich das Moor oder Moos nach und nach höher an den Bäumen hinauswuchs und immermehr Feuchtigkeit ansammelte, mußten die Stämme allmählich verdorren, bis sie von den in Norddeutschland vorherrschenden nordwestlichen Winden in der angegebenen Richtung hingestreckt wurden. Im Plattdeutschen heißen sie „Keenstubben“ (Kienholz); sie brennen getrocknet wie Teer. Treten wir heran an die durch den Torfabstich gebildete hohe Moorwand! Die oberen Lagen haben die unteren zusammengepreßt, so daß die Masse unten dicht und dunkel, fast verkohlt und schwarz, nach oben zu immer loser und Heller wird, in der Mitte bräunlich, oben aber weißlich aussieht. Wieviele Jahrhunderte mögen vergangen sein, bis sich diese gewaltigen Torflager bildeten! Je dunkler derTorf ist,ein desto besseres Brennmaterial giebt er ab. Die helleren Moorschichten werden zu Torfstreu verarbeitet, die bekanntlich zurDesinsektionund zur Verpackung von Früchten, Eiern etc. verwandt wird.

Als angenehme Unterbrechung der tiefen Stille dringt jetztschellengeläute an unser Ohr. Es rührt von einer Herde jener kleinen, schnellfüßigen, mit haariger Wolle bedeckten Schafe her, die man „Heidschnucken“ nennt. Sie begnügen sich mit Heidekraut und dürftigen’ Gräsern. Gehütet und bewacht werden sie von dem treuen Schäfer und seinem klugen Spitzhunde.

Jener wandert Tag für Tag, Sommer und Winter, mit ihnen durch die weite Heide, still Wie diese, in sich gekehrt, fast beständig strickend, gegen die Unbilden der Witterung in einen grauen Mantel aus Heidschnuckenwolle („Heiken“) gehüllt (s. die Abbildung S. 697).

Das Moorbrennen.
Nach einer Originalzeichnung von G. Bakenhus.

Setzen wir jetzt unsere Wanderung fort. Der Boden wird nach und nach wieder höher; wir steigen unmerklich zum Plateau des Hochmoores hinan. Es erstreckt sich von der Hunte westlich bis an die Eins in Ostsriesland und darüber hinaus und umfaßt, soweit es zu Oldenburg gehört, mindestens 40 Quadratmeilen. Auf dem sandigen, stellenweis lehmigen Urboden lagert die Moorschicht in verschiedener Mächtigkeit von 1/3 bis 12 m und mehr. So weit wir sehen, nichts als schwarzes Moor und nur Moor. Stundenweit dehnt es sich aus nach allen Richtungen. Nur am äußersten Rande des Horizontes gewahren wir in verschwimmenden Umrissen meilenweit entfernte Gebüsche und Dörfer. Kein Haus, kein wildwachsender Baum, kein Strauch, nur kümmerliches Heidekraut, hin und wieder Binsen und harte Gräser, auch manchmal eine Fläche, die von allem Pflanzenwuchse entblößt ist, so daß uns das nackte braune Moor mumienhaft anschaut. Kein Singvogel mag hier nisten. Nur der klagende Rus des Moorhuhns dringt durch die totenstille Oede.

„Was für ein dicker, schwarzer Rauch wälzt sich jetzt drüben empor?“ Das Moorbrennen hat bereits begonnen. Wir werden diesen Vorgang gleich in der Nähe betrachten. Durch das Brennen wird die Oberfläche für den Buchweizenbau vorbereitet, nachdem sie der „Moorker“ im Herbst und Winter durch kleine Gräben,sogenannte „Gruppen“, entwässert und den Boden zerhackt und aufgelockert hat. Sind die Schollen genügend abgetrocknet, so beginnt im Frühlinge das Moorbrennen. Die Schollen werden angezündet und gegen den Wind auf dem Ackerboden umhergeworfen, damit die auseinander fallenden Stücke sich überall entflammen. Jetzt sehen wir den Moorbrenner vor uns. Er hat schwere, dicke Holzschuhe an und eine langgestielte, alte, durchlöcherte Pfannkuchtnpfanne in der Hand, mit welcher er die glimmenden, schmauchenden Moorklöße gegen den Wind wirft (vgl. die nebenstehende Abbildung). So steht er häufig mitten im dicken Rauch. Nicht bloß Männer, sondern auch Frauen und Kinder verrichten dies mühsame Geschäft, das ihnen wegen des die Augen beißenden Rauches manche Thräne kostet. Aber „die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten“, falls der Buchweizen gerät.

Der von unsern Mooren zur Zeit des Brennens aufsteigende Qualm bildet eine ungeheuere Rauchwolke, die sich dann über weite Länderstrecken verbreitet, über Holland, das mittlere und südliche Deutschland, bis in die Schweiz hinein, wo sie „Höhenrauch“ genannt wird. Der Moorrauch ist somit eine wahre Landplage, weil er uns die schönsten, sonnigsten Tage des Frühlings verdirbt. Welch einen brandigen Geruch verbreitet er! Die Sonne vermag ihn kaum zu durchbrechen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0698.jpg&oldid=- (Version vom 12.11.2023)