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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Summe möge er, sobald er könne, schicken. Bin ich im Besitz derselben, so reiche ich hier sofort meine Kündigung ein und betreibe die einleitenden Schritte für meine Uebersiedelung nach Frankfurt. Das Nähere besprechen wir noch!“

„Ja – gut – schön!“ brachte der alte Mann stotternd hervor, und seiner wieder ratlos gewordenen Miene war es nicht anzumerken, daß er in seinem Innern wirklich alles gut und schön fand. „Aber nun, Raimund – Jungchen – – was wird deine – deine Cousine, die Baroneß meine ich, deine Prinzipalin zu diesem Entschluß und zu deiner Kündigung sagen?“

„Vermutlich mancherlei, Vater. Sie wird meinen Entschluß gutheißen und meine Kündigung verstehen, wenn sie imstande ist, sich einigermaßen in meine Lage zu versetzen; und das traue ich ihr zu –“

„Und die Trennung von hier – von – von – allem fiele dir gar nicht schwer?“

„Von der Kolonie Josephsthal? Da ich dich, mein bestes Eigentum, mit mir nehme? So viel für die ganze Kolonie!“ Raimund that, als ob er eine Flaumfeder von seinem Rockärmel bliese.

„Ich meinte ja nur, ob dir denn die Trennung von Alexandra von Hofmann nicht schwer fällt?“

„Davon reden wir lieber ein andermal – oder – oder – vielleicht auch gar nicht. Es giebt Dinge, Vater – genug davon! Laß uns nur erst den Brief nach Wien schreiben und die erste Anzahlung in Händen haben, damit ich hier kündigen kann! Und jetzt werde ich leider schon wieder zurück müssen, Papa!“ Raimund, die Hände in den Taschen seines hellen Sakko, wiegte sich ungeduldig auf den Hacken hin und her.

„Jetzt? Mitten in dem Unwetter?“

„Ach, das ist ja nur ein Sprühregen! Sieh, die Sonne will schon mit Gewalt hindurch!“

Ein wunderhübsches Schauspiel! Während es noch vom Himmel feinen, staubartigen Regen herab schüttete, bekamen die losen Wolkenmassen, die dort über den Ulmen hingen, helle Ränder, ließen endgültig die Sonne durch und woben eine buntleuchtende Strahlenbrücke, die über die ganze Stadt reichte, so weit der Blick trug …. den schönsten Regenbogen, dessen zartgetöntes Abbild sich westwärts in die Wolken malte.

Vater und Sohn hatten schweigend das farbige Wunder entstehen sehen und waren jetzt in stummes Anschauen verloren. Der ältere Hagedorn sah verklärten Auges zum Himmel empor, wo es zwischen den Wolkenfetzen blau und verheißungsvoll zu schimmern begann. Konnte dies nicht ein Bild ihrer Zukunft sein? Kam nun endlich, nach Sturm und Regen und Ungemach, die Sonne in ihr Leben?

„Also wirklich schon fort, Raimund?“ Er fühlte seines Sohnes Hand auf seiner Schulter.

„Ja, Vater, es ist Zeit für mich. Ich will da mitten in den Regenbogen hineinfahren – dort, wo er hinter den Bäumen die Erde berührt – siehst du’s?“

„Schalksnarr, der du bist! Hör’ nur das eine noch!“ Der alte Herr faßte einen Rockknopf des Sohnes und hielt ihn daran fest. „Du sagtest vorhin, wenn du dich um eine neue Stelle bemüht hättest, das würde ausgesehen haben, als fürchtetest du dich davor, hier zu bleiben, als wolltest du die Flucht ergreifen. Darf ich fragen, wovor?“

Raimund sah mit einem sehr zweifelhaften Gesicht auf seinen Vater nieder und wollte sacht dessen Hand von seinem Rockknopf losringen, aber der Alte hielt fest.

„Vor wem wolltest du fliehen?“ fragte er eindringlich.

„Hab’ ich das wirklich gesagt?“ gab Raimund in unsicherem Ton zurück.

„Wahr und wahrhaftig!“

„Dann ist’s erst recht Zeit, daß ich gehe! Zerbrich dir nicht weiter den Kopf, Vater, und laß los! Aus dem Rockknopf drehst du’s doch nicht heraus! Also du schreibst nach Wien und läßt mich’s wissen, sobald die Antwort da ist – per Telephon.“

„Und wie wird es mit meinem versprochenen Besuch bei Baroneß Hofmann?“

„Ja, dazu mußt du doch zunächst zwei gesunde Füße haben!“

„Freilich, das muß ich!“ Hagedorn senior seufzte.

„Wird alles werden, immer Kopf hoch, und hübsch die Einreibung brauchen, die Doktor Petri das letzte Mal verschrieben hat, die half ja! Gute Besserung, Väterchen! Hübsch stillgesessen! Mich brauchst du doch am Ende nicht hinauszukomplimentieren!“

Ein freundliches Nicken, ein Händedruck, ein Lächeln, noch lag ein Abglanz von Verlegenheit auf dem hübschen sorglosen Gesicht – die Treppe knarrte unter dem raschen Tritt – die Hausthür kreischte unten in ihren Angeln – – der alte Mann am Fenster bog sich vor ….

Da war er .... grüßte noch einmal mit Hut und Hand nach oben, faßte die Lenkstange, saß auf – und nun, wie der Pfeil von der Sehne fliegt, sauste das Zweirad blitzend und funkelnd dahin .... gerade mitten in den Regenbogen hinein! (Fortsetzung folgt.)     


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Eine Wanderung durch das oldenburgische Moorgebiet.

Von Franz Poppe. Mit Illustrationen von G. Bakenkus und R. Rucktäschel.

Von den nordwestdeutschen Mooren, die gegen Norden tief in Jütland, gegen Westen in Holland hineinreichen, haben Mittel- und Süddeutsche selten eine richtige Vorstellung. Als öde und tot sind bei ihnen die Moore verschrieen. Man denkt bei dem Wort an Sumpf und Morast, und kennt nicht die Poesie der Heide, die sich auf dem Boden des nordischen Torfmoors entfaltet. Unser Moorland hat sogar seine sehr malerischen Seiten. Wie käme es sonst, daß sich im Moore zu Worpswede bei Bremen eine Kolonie von Malern angesiedelt hat, deren Stimmungsbilder aus der dortigen Gegend allgemeinen Beifall gefunden haben? Auch Gerhard Bakenhus, nach dessen Bildern und Zeichnungen einige Illustrationen dieses Artikels ausgeführt sind, haust Winter und Sommer, tagaus tagein im Moorland, um dessen eigentümliche Schönheit ausschließlich auf sich wirken zu lassen und Naturstudien zu entwerfen. In der That verlohnt es sich wohl, eine Wanderung durch das Hochmoor zu machen. Freilich ist sie nur für rüstige Fußgänger zu empfehlen; denn Fahrgelegenheit treffen wir im Hochmoor nicht an; der Boden vermag oft kaum unsere eigene Last zu tragen.

Am besten gehen wir von der Stadt Oldenburg aus gen Westen. Das Herzogtum Oldenburg ist ein mit Mooren reich gesegnetes Land; das Hochmoor umfaßt mindestens 70000 ha. Durch die hübschen Gartenstraßen der großherzoglichen Residenz mit ihren schmucken Villen gelangen wir bald in ländliche Bezirke. Noch marschieren wir auf gebahntem Sandwege, und trotz des Morgennebels, der die ganze Landschaft einhüllt, bemerken wir frischgrüne Saatfelder und stattliche Eichen. Allmählich wird aber die Gegend niedriger, Birken und Föhren treten an die Stelle der Eichen. In den Gräben zur Seite des Weges fällt uns kaffeebraun gefärbtes Wasser auf. Der Boden nimmt nach und nach eine schwarzbraune Färbung an und ist stellenweise mit brauner Heide bewachsen. Dies zeigt uns, daß wir bereits in die Region des Moores eingezogen sind. Wenn der frische Morgenwind den dichten Nebelschleier zeitweilig ein wenig lüftet, so überschauen wir niedrige, feuchte Wiesen, mit Binsen und Sumpfgräsern bewachsen, auch bemerken wir hin und wieder dunkle Buchweizenäcker, die jetzt im Frühling noch nicht bestellt sind. Krähen ziehen in schwerem Fluge krächzend durch den Nebel und scheue Rebhühner schnellen schwirrend empor.

Ein durch aufgefahrenen gelblichweißen Kiessand gebahnter Seitenweg führt uns von der Landstraße ins Moor, das zunächst noch Leeg- d. h. niedriges Moor ist. Wäre ein solcher fester Weg nicht hergestellt, so würden Pferde und Wagen im Morast versinken, und der Torf, den man aus dem erhärteten Moorboden gewinnt und der überall in schwarzen, runden Haufen umhersteht, könnte nicht weggefahren werden. Hier und dort fällt uns auch eine aus schräg gegeneinander gestellten, mit Moorschollen bedeckten Sparren errichtete Hütte auf, in der die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0696.jpg&oldid=- (Version vom 20.2.2023)