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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

eine heimliche Liebe für mich im Herzen. Und nun erzählen Sie mir etwas von Ihrer Braut. Wann und wo lernten Sie sie kennen?“

„O, ich kenne sie schon seit ihrer Kindheit. Gwendolen ist ein prächtiges Mädchen, der Vater ist Geistlicher in Devonshire – und sie ist die zweite Tochter.“

„Und wann gedenken Sie zu heiraten?“

Cecil wurde aufs neue verlegen.

„Das, Cousine, wird von Ihnen abhängen!“

„Von mir?“ wiederholte Alix verwundert.

„Ich müßte, um Ihnen das zu erklären, von meinen Verhältnissen sprechen –“

„Darum bitte ich Sie! Möchten Sie sich zu diesem Behuf nicht endlich setzen?“

Der junge Engländer beantwortete diese Aufforderung mit einem ganz regelrechten Kompliment und ließ sich am äußersten Ende der Birkenbank nieder, so daß zwischen ihm und Alix ein beträchtlicher Raum frei blieb. Das junge Mädchen sah sich den wohlerzogenen jungen Herrn mit einem Lächeln an, das ein rückhaltloses Amüsement zur Schau trug – er sah das wohl, bezog es aber durchaus nicht auf seine Person.

„Als jüngerer Sohn,“ begann er, „werde ich, wie das in England so Sitte ist, gegen den älteren Bruder bedeutend verkürzt werden. Ihr Vater, Cousine, wußte das …. er sah aber auch, daß ich für das Fabrikwesen zugleich Neigung und Begabung hatte … ich darf sagen, wir haben gegenseitig Achtung voreinander empfunden. Weil er die nun hatte und sah, wie wenig günstig meine Aussichten in London waren, hat er sich Pläne gemacht und Zukunstsgedanken ausgesponnen, die mein Glück, zugleich aber auch das Gedeihen seiner Schöpfungen sowie das Lebensglück seiner einzigen Tochter in sich schlossen.“

„Ja,“ warf Alix mit Nachdruck ein, „Was Papa von seinem Standpunkt aus dafür hielt!“

„Ganz recht – was er dafür hielt! Er hat gedacht, ich würde seine Ideen und Pläne in seinem eigenen Sinne weiterführen –“

„Das würden Sie doch auch sicher thun!“

„Gewiß, wenn es in meine Macht gegeben wäre!“

„Aber das ist es doch! Ob Sie die Werke, die ganze Kolonie Josephsthal leiten wollen oder nicht, steht doch einzig bei Ihnen!“

Deutschlands merkwürdige Bäume: die Wendelinuseiche
bei Geisfeld.

„Einzig, keineswegs, Alexandra! Haben Sie die Bedingungen Ihres Vaters vergessen? Weigern Sie sich, so fällt mir die Schneidemühle zu, weigere ich mich, so bleibt Ihnen der Gesamtbesitz der Werke ungeschmälert, ich darf aber einen Verwalter nach eigener Wahl über die Kolonie setzen. Weigern wir uns beide – so –“

„So bleibt es bei der letzten Klausel; was ist da weiter zu sagen?“

„Es ist doch ein Nachsatz dabei! Ich darf den betreffenden Verwalter dann nicht frei nach eigener Wahl einsetzen, Sie müssen gleichfalls damit einverstanden sein!“

„So setze ich hierdurch Mr. Cecil Whitemore aus London zu meinem Verwalter ein, falls nämlich er keine Einwendungen dagegen erhebt!“

„Sie hätten nichts dagegen, Cousine, daß ich mich hier ganz ansässig mache, daß ich mir meine junge Frau hierher hole, daß ich meine ganze Zukunft und die meiner Familie auf die Josephsthaler Werke gründe?“

„Nicht das geringste, wie sollte ich denn? Im Gegenteil, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es thäten. Ich stehe der großen Verantwortung, die der Besitz so ausgedehnter Betriebswerke auferlegt, hilflos gegenüber. Sie wissen am besten, wie meine sogenannten Geschäftskenntnisse beschaffen sind. Auf gut Glück müßte ich mir einen fremden Verwalter engagieren, auf gut Glück ihm die Zukunft der Werke, aller der Arbeiter, die mir unterstellt sind, in die Hand geben! Von Ihnen erwartete mein Vater für diese Zukunft das Beste, Sie wünschte er an der Spitze seines Lebenswerkes, wenn er einmal nicht mehr da war, zu sehen, und ich sollte zaudern, Sie zu bitten: kommen Sie an die Stelle, die Ihnen bestimmt war?“

Alix hatte so lebhaft, so bewegt, zugleich so freimütig gesprochen, daß ihr Feuer sogar diesen korrekten Gentleman mit fortriß.

„Lassen Sie mich Ihre Hand küssen, Cousine, und Ihnen danken! Sie verstehen es, die Sache so zu drehen, als thäte ich Ihnen einen speziellen Dienst, während doch mir eine weit größere Gabe zuteil wird. Ich bin nicht ohne Selbstbewußtsein! Ich weiß sehr wohl, was ich leiste, und daß es nichts Geringes ist, wenn ich Ihnen gelobe: ich will Ihres Vaters Lebensaufgabe in seinem Sinne fortzuführen bestrebt sein, solange ich mir selbst und Ihnen genüge.“

„Abgemacht!“ erwiderte Alix freundlich und reichte ihm die Hand. „Auf gute Freundschaft! Aber nun kommen Sie, Vetter Cecil, es ist spät geworden, die Majorin und Françoise werden sich über die Ausdehnung unseres Gespräches absonderliche Gedanken machen.“

Cecil hatte sich gleichfalls erhoben, zögerte aber, als hätte er noch etwas auf dem Herzen.

„Nun?“ Sie war ein wenig ungeduldig.

„O – es ist nur – da wir doch, wie Sie sagten, gute Freunde sind – und da ich es nicht bin, den Sie gewählt haben –“

„So meinen Sie, es müsse ein andrer sein?“ unterbrach sie ihn lächelnd.

„Es ist,“ fuhr er unbeirrt fort, „weil ich Jemand weiß, der Ihnen sehr, sehr zugethan – nein, das ist ein viel zu zahmes Wort – der glückselig wäre, wenn Sie ihm Ihre Hand reichen wollten! Er hat mir nie ein Wort davon gesagt, aber ich weiß, was ich weiß! Und wenn ich für ihn ein gutes Wort bei Ihnen einlegen könnte, Cousine – Sie – Sie können mir doch darum nicht böse sein – “

Alix hatte sich jählings umgewendet und war dem Schloß zugegangen. Jetzt wandte sie dem Engländer, im Weitergehen, ihr stolzes, vom Mondlicht weißbeschienenes Antlitz zu.

„Wollen Sie sich nicht damit begnügen, Vetter Cecil, Ihr eigenes Schicksal zu lenken und die Angelegenheiten guter Freunde auf sich beruhen zu lassen? Zumal wenn Sie nicht beauftragt sind!“

„Das bin ich freilich nicht. Ich dachte nur – ich möchte fragen, ob er, den ich meine, den auch Sie meinen – ob er vielleicht es einmal wagen dürfte, seine Zaghaftigkeit zu überwinden und die entscheidende Frage zu thun.“

„Ich segne diese seine Zaghaftigkeit,“ fiel ihm das junge

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 692. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0692.jpg&oldid=- (Version vom 18.2.2023)