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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Haaren leuchtete es wie Johanniswürmchen. Das waren purlautere Diamanten. Mit ihren feinen Fingern strich sie leise über die Saiten einer goldenen Zither und sang:

Dandaradei! Dandaradei!
Wo weilst du, mein liebster Knabe?
Dandaradei! Dandaradei!
Weißt du nicht, daß ich mich nach dir sehne?
Dandaradei! o komm! o komm!
Dandaradei!

Furchtlos näherte sich der Saltner der Sängerin.

„Wer bist denn du?“

„Ich bin die blühende Rose aus dem Kranz der Saligen Fräulein. Fürchtest du dich?“

„O na,“ sagte der Saltner. „Ja wenn d’ a schiache (häßliche) Hex g’wes’n wärst, zelm könnt’s sein. Aber vor so was Schöns fürchten, thät mi närrisch teuch’n.“

„Komm, setze dich an meine Seite, ich will dir die schönsten Lieder spielen.“

Der Saltner wußte nicht, wie ihm geschah. Er mußte der Einladung Folge leisten, und alsbald saß er an ihrer Seite.

Solche Melodien hatte er freilich nie gehört, wie sie das Salige Fräulein spielte. Es zog wie ein lieblicher Traum durch seine Seele und alsbald sank sein Kopf schlafmüde in den Schoß der Hexe.

Durch einen fürchterlichen Schrei wurde er aus dem Schlummer geweckt. Das Salige Fräulein war verschwunden und wo sie gesessen, lag rotglühend das Kreuzeisen, welches sie dem träumenden Burschen entwenden wollte.

Das Kreuzeisen war aber rotglühend geworden, eine solche Zauberkraft hatte es, und die Thaler Kundi hatte am anderen Tag eine häßlich verbrannte Hand. Von einem Pfannenstiel sagte sie. Der Saltner aber wußte das besser. –

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Meraner Saltner.
Nach einer Aufnahme des Photographen H. Breßlmaier in Meran.

In manchen Bezirken darf der Saltner nie in einem Hause schlafen, sondern es sind sogenannte „Saltnerhütten“ errichtet, in welchen eine Bürde Stroh, eine Wolldecke und ein mit Heu gefüllter Sack das Lager bilden. Der Saltner soll nie die ganze Nacht durchschlafen, sondern seinen ganzen Bezirk abwandern und nur hier und da in einer der Hütten eine Stunde der Ruhe pflegen.

In einer alten Saltnerordnung, die ich besitze, und welche aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen dürfte, wird folgende Bestimmung erlassen, deren Zweck war, die Wachsamkeit des Saltners zu kontrollieren: „Ain jede Herrschaft soll ain knecht oder zween dray nächt vor dem wymat (wimmen, Weinernte) hinaus den saltner schiken und sollen bay jeder hütt drai zimlich schrey tun und ist kain saltner bei der hütt sollen sie sain pettgewandt nehmen und beim Wirt trauf trinken zimblich.“

Diese Worte dürften einer Saltnerordnung des Schlosses Schöna bei Meran aus der Zeit um das Jahr 1500 entnommen sein.

Es geschieht noch heute nicht selten, daß kecke Burschen dem schlafenden Saltner Hut und Hellebarde stehlen und beim Wirt gegen einige Liter Wein versetzen. Der Saltner findet dann an einer auffallenden Stelle einen Zettel mit der Inschrift:

„Saltner haun haun![1]
Die Kästn[2] sein braun,
Die Weimer[3] sein süaß,
Beim … Wirt haben mir versoffen Huat und Spiaß.“

Der arme Teufel muß dann eben schauen, wie er seine Sachen wieder bekommt. Dafür aber nimmt er Rache. Er treibt allerlei Schabernack, wenn er Burschen findet, welche „Gaßlen“ oder „Fensterln“ laufen. Wenn er meint, jene herausgefunden zu haben, welche ihm „Huat und Spiaß versoffen“, dann ruht er nicht eher, bis er weiß, mit welchem Diandl die Betreffenden Liebschaften unterhalten.

Dann ruft er heimlich alle Freunde zusammen und vor den Fenstern der Diandlen wie vor jenen der Burschen werden aus Sägespänen auf dem Boden große Herzen gezeichnet und diese mit einem etwa zehn Centimeter breiten Streifen Sägespäne den ganzen Weg entlang, oft eine Stunde weit, verbunden, zum Gaudium der ganzen Gemeinde – aber nicht immer zum Vorteile der zu bewachenden Weingärten.

Wenn das Winzern beginnt, so steckt sich der Saltner einen Wetzstein in die Tasche und geht herum, die Rebmesser zu schärfen, mit den Bauerndiandlen zu scherzen und herzhafte Züge aus dem „Bitterich“ (Kürbisflasche) zu machen, denn beim Winzern muß Wein zu beliebigem Zuspruch genügend da sein.

Ist die Wein- und die Kastanienernte vorbei, dann versammeln sich die Bauern der gemeinsamen Hut „zur Roatung“ (Abrechnung) beim Dorfwirt. Der Saltner hat sich seiner Amtstracht entledigt, fein sauber rasiert, was er während der Dienstzeit nicht thun darf, und aus dem Fenster der Gaststube steckt er eine Stange; daran hängt, mit roten Bändern geschmückt, „die Rungel“, zum Zeichen, daß in diesem Hause „Saltner Tinzltag“ (Ehrentag, Tanztag) sei. Es wird ein ordentlicher Schmaus, bestehend aus Kalbsbraten mit Zwetschgen und Schweinebraten mit Kraut, gehalten, die Bauern zahlen je nach der Größe ihrer Grundstücke dem Saltner „’s Huatgeld“ aus, und für den jungen Burschen beginnt wieder das Alltagsleben, allerdings nicht so einförmig, wie in manchen Ländern das Leben eines Bauernknechtes ist.

Jedes kirchliche und weltliche Fest in den verschiedenen Thälern Südtirols bringt eine Menge oft sehr origineller Bräuche mit sich, welche heute alle noch eingehalten werden. Dann haben die jungen Leute allerlei „Kurzweil“ und sind unerschöpflich im Ersinnen lustiger Streiche.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0684.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2023)
  1. haun haun! = verhöhnender Zuruf.
  2. Kastanien.
  3. Trauben.