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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

und stieg rasch bis zum Knie der Reiter empor. Die fröstelten anfangs etwas unbehaglich. Aber bald gewöhnte man sich an die feuchte Straße, auf der man, vor sich nur den Pferdehals, rechts und links und überall weithin unter sich nur das strömende Wasser, beim Niederblicken fast schwindlig wurde.

Dann tauchten die triefenden Pferdeleiber wieder an das Sonnenlicht empor. Durch gurgelnden gras- und buschbewachsenen Schlamm ging es nun, das Haff, das hier zu tief wurde, zur Rechten lassend, landeinwärts in die Wirrnis von Sumpf und Sand. Wieder stiegen die Rosse plätschernd von dem Ufer hernieder, aber diesmal war es lauwarmer Morast, der sie umgab, eine trübe, reglose Flut, über deren Schilf und schmutzig schillerndem Spiegel zu Tausenden die Stechmücken summten.

Im Kampf mit diesen kleinen Blutsaugern schlug man sich langsam vorwärts, durch Buschwerk und Dünen von dem freien Hauch des Meeres geschieden, unter sich das faulig dünstende Schlammwasser, durch das die Steigbügel und die Beine darin plätschernd schleiften. Eine Rinderherde belebte allein die ausgestorbene Gegend. Mitten aus dem Sumpf hoben sich die gehörnten Schädel stumpfsinnig empor.

Am anderen Ende der Tümpel konnte man endlich auf leidlichem Geröllpfad galoppieren. Blitzschnell flog die Landschaft vorbei, rechts die tiefe Bläue des Meeres, links das stumpfe Braun der Klippen. Die Gegend belebte sich allmählich. Düster blickende bezopfte Rifkabylen schlichen, die Flinte in der Hand, den bepackten Esel vor sich, lautlos an den Hängen dahin; vom Markte kommende Berberhirten, beritten und von frei laufenden Maultieren umgeben, halbnackte braune Fischer am Strande wurden immer häufiger, und in der Ferne stieg, eine malerisch über die Klippen hingegossene Masse von alten Mauern, flachen Dächern und vereinzelt nickenden Palmen, die Feste Ceuta empor.

Sie rückte rasch näher, denn der Weg verbesserte sich zusehends. Da war schon der erste spanische Soldat, als Vorposten der Kultur, dann ein Holzschuppen mit Bänken, auf denen ein ganzer Haufen von Rothosen sich träge sonnte, rings von den Höhen ragten die Wachttürme, die Bollwerke Spaniens im Marokkanerkrieg und jetzt noch ein Schutzgürtel gegen den unabhängigen und selbst dem Kaiser von Marokko nicht unterworfenen Stamm der Adorrakabylen, der in den Schluchten des hochaufgetürmten Dschib-El-Musagebirges als Nachkomme der alten Rifpiraten haust.

Aber die wilden braunen Kerle am Wege begannen sich zu verlieren. Statt ihrer knieten da und dort spanische Soldatenweiber an den Rinnsalen und klopften auf Steinen ihre Wäsche, weiße Kinder stimmten, neben den Pferden mit erhobenen Händen laufend, ihr „cinque Centimos, Señor!“, die unerträgliche spanische Bettlerweise, an, und der holperige Saumpfad verwandelte sich plötzlich in eine breite, baumbepflanzte Chaussee, die in vielen Windungen hinab zu den Festungswerken führte.

Dort wurden von der Wache die Pässe abgenommen. Scheinbar endlos ging es dahin über Zugbrücken und durch Tunnels, in denen die Hufe der Rosse widerhallten, längs der Wallgräben und über weite, mit Pyramiden von rostigen Kanonenkugeln geschmückte Kasernenhöfe bis in die eigentliche Stadt.

Die europäischen Straßen und Läden, die europäisch gekleidete Menschheit, der Trommelwirbel des Militärs, der Anblick der massenhaften, an der Festung bauenden Strafgefangenen mit ihrem Völkergemisch von Weißhäuten, Chinesen und vielen Negern erschreckte die aus dem Innern kommenden Pferde. Zitternd und scheuend tanzten sie über das Pflaster, bald auf die Spiegelscheiben einer Kramhandlung zu, bald gegen einen Laternenpfahl und andere unbekannte Dinge, bis endlich das Gasthaus am Hafen erreicht war.

Einige Dampfer, ein paar spanische Torpedoboote, ein englisches Kohlenschiff und das Kurierfahrzeug der Regierung schaukelten auf der offenen, stark bewegten Reede. Stundenweit rauschten weiter hinaus die Wellen. Dahinter aber stieg im Mittagsglanz ein unwahrscheinlicher, düster ragender Bergkoloß gebieterisch am Horizont empor. In violetten, verschwommenen Tönen von dem tiefblauen Himmel abgegrenzt, stand der Felsen von Gibraltar wie die Verkörperung der Macht an dieser Grenzscheide zweier Welten, an der Pforte zweier Meere da. Die beiden Männer sahen ihn sich an, gähnten und traten in die Fonda.

(Fortsetzung folgt.)     


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Der Meraner Saltner.

Von Karl Wolf in Meran.

In erster Linie ist es allerdings der Burggräfler Bauer selbst, welcher bei andauerndem Sommerregen besorgt durch die Laubengänge der Weinberge schreitet. Die Trauben fangen an unter der sogenannten Rostkrankheit zu leiden, und so herrliche Aussichten der Frühling für die Ernte bot, der nun herrschende Regen scheint sie zerstören zu wollen.

Aber es ist noch jemand da, der über das Regenwetter murrt und brummt, der „Saltner“.

Der „Saltner“, wie in der Meraner Umgebung der Weinhüter, oder besser gesagt, der Flurwächter genannt wird, ist eine so merkwürdige Erscheinung, daß er wirklich der Beachtung wert ist.

Ich habe in den verschiedenen Gemeindeämtern ringsum von Meran Saltnerordnnngen selbst noch aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gefunden, und beim Durchsehen dieser Dokumente wurde ich belehrt, daß das alte „Reglement“ für die Saltner in den Grundzügen sich bis auf die Gegenwart erhalten hat. Dies ist ein Zeichen, mit welcher Zähigkeit der Burggräfler Bauer an seinen alten Sitten festhält.

Um so bewunderungswürdiger ist es, als im Winter Meran als Centrum des Fremdenverkehrs angesehen werden kann, als sich viele fremde Gäste im Laufe der Zeit hier angekauft haben und mitten unter den Bauern leben. Diese fremden Leute bringen viel fremde Sitten in das Land. Und dennoch hat sich die alte, schöne Tiroler Nationaltracht gerade im Burggrafenamte erhalten und ebenso treu die alten Sitten und Gebräuche.

In letzterer Beziehung haben erst heuer Mitglieder der deutschen Südmark bittere Erfahrungen gemacht, als sie versuchen wollten, die Sonnenwendfeier bei uns einzuführen. Hier hat man am ersten Sonntag in der Fastenzeit die sogenannten „Holapfandfeuer“ veranstaltet, aber die Bauern zogen mit Knitteln bewaffnet gegen „den neumodischen Brauch“ aus.

Schon in seiner Erscheinung ist der Saltner ebenso originell wie auffallend. Die Tracht und Ausrüstung ist dieselbe, wie ich sie auf einem alten Bilde mit der Jahreszahl 1735 im Schlosse Lebenberg gesehen habe. Ein gewöhnlicher breitkrempiger Bauernhut wird so zusammengebogen, daß er aussieht wie ein Dreispitz. Dann wird dieser Hut über und über mit Hahnen- und Nachteulenfedern besteckt. Vorgezogen werden die Federn des schwarzen Haushahnes, da dieselben eine ganz besondere Kraft gegen alle Ränke und Anschläge der Hexen besitzen sollen. Vorne am Hut werden sehr häufig zwei Eichhörnchenbälge als Symbol der Gewandtheit befestigt, und von den Ecken baumeln zwei Fuchsschwänze hernieder als Symbol der Schlauheit. Sonst werden wie gewöhnlich die rote Weste, die kurzen ledernen Hosen, welche das Knie freilassen, und weiße Strümpfe sowie der mit Pfauenfederstreifen gestickte breite Lendengurt, „die Bind“, getragen. Anstatt der braunen Lodenjoppe kommt nun aber ein Lederkoller, dessen Unterärmel mit schmalen Riemen an der Schulter befestigt sind. Auf der Brust des Saltners hängen an feinen Kettchen große Eberzähne, welche als Pfeifchen hergerichtet zu Warnungssignalen verwendet werden. Starke, lederne Gamaschen schützen die Unterschenkel. In der Seitentasche der Hosen trägt der Saltner das breite, halbmondförmige Rebmesser; eine Hellebarde, oft ein wahres Museumsstück, ist seine unmittelbare Waffe, während er die hinter der „Bind“ steckende Pistole nur zu Schreck- oder Warnungsschüssen benutzt.

Die Saltner bewachen die Weinberge einer bestimmten Anzahl von Höfen und ein solcher Bezirk wird „die Hut“ genannt. Jeder Hof ist Eigentümer irgend eines Stückes der

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