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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

die Heldengestalt des Max Piccolomini im Herzen, sich waffenfroh um den „Marschall Vorwärts“ scharte, ging Schillers Dichterprophetie aufs herrlichste in Erfüllung.

Eine feine Ironie Goethes war es, daß er an dem Eröffnungsabend dem Prolog und dem „Lager“ ein schwaches Schauspiel von Kotzebue, „Die Corsen“, vorausgehen ließ, dessen konventionelle Theatereffekte in grellem Kontrast zu Schillers Dichtungen standen. Der glänzende Erfolg, den diese in dem dichtbesetzten Haus davontrugen, ist von allen bezeugt, die über den denkwürdigen Abend berichtet haben. Goethe selbst bedachte in einem Briefe, den er in Cottas „Allgemeiner Zeitung“ veröffentlichte, die Schauspieler mit hohem Lob wegen der ausdruckvollen Natürlichkeit, mit der sie die Verse gesprochen hatten. Besonders rühmte er Vohs, der den Prolog in der Kürassieruniform vortrug, in welcher er später in den „Piccolomini“ als Max zu erscheinen hatte. Im „Lager“ spielte Beck den Bauer, seine Frau die Marketenderin, Weyrauch den Wachtmeister, Leißring den ersten, Becker den zweiten Jäger, Genast den Kapuziner, Haide den Kürassier. Am Schluß hob Goethes Bericht besonders hervor, daß die Kostüme nach Abbildungen zugeschnitten waren, die aus damaliger Zeit herstammten.

Als ein künstlerisches Gedenkblatt an den bedeutungsvollen Theaterabend ist der alte Kupferstich auf uns gekommen, der sich auf S. 653 verkleinert wiedergegeben findet. Er stellt das heitere Wiedersehen des langen Peters aus Itzehoe mit der Gustel aus Blasewitz dar und läßt im Hintergrunde bereits den Kapuziner erscheinen, der gleich in den übermütigen Lagerlärm mit seinem höhnischen „Heisa, juchheia!“ hereinplatzen wird. Die Mitteilung des interessanten Kunstblatts verdankt die „Gartenlaube“ auf Befragen dem Direktor des Großherzoglichen Museums in Weimar, Dr. C. Ruland. Der kolorierte Stich stammt von dem Weimarer Kupferstecher C. Müller und ist nach einem Aquarell des Malers Georg Melchior Kraus ausgeführt worden, der im November 1806 in Weimar verstarb. Kraus war wie Goethe ein geborener Frankfurter; er bildete sich unter H. Tischbein, besuchte darauf 1761 Paris, wo Greuze und Boucher auf ihn einwirkten. 1774 traf er in Ems mit Goethe zusammen, der Interesse an seinen Aufnahmen der Lahngegenden fand. Durch Goethes Vermittelung kam er 1776 nach Weimar, wo er in Diensten Karl Augusts die Zeichenakademie gründete. Ruland hat nicht den geringsten Zweifel, daß Kraus die Scene auf unserem Bild so dargestellt hat, wie sie auf der Weimarischen Bühne eingerichtet war. Der Müllersche Stich wurde, wie Ruland weiter mitteilt, populär: er findet sich noch heute eingerahmt und verräuchert in manchem alten Hause. Das Bühnenbild des Dichters aber ersteht immer aufs neue auf unseren Theatern in jugendlicher Frische und wirkt auf die heutige Generation noch mit derselben Kraft wie auf die Zuschauer vor hundert Jahren. J. F.


Schloß Josephsthal.
Roman von Marie Bernhard.

 (6. Fortsetzung.)


14.
„Kolonie Josephsthal, im Mai 189..     

Ach, Maria, daß ich die Feder in die Hand nehmen muß, wenn ich zu Dir will, anstatt mich neben Dich zu setzen, Deine liebe Hand festzuhalten und in Deine guten, geliebten Augen zu blicken, die alles verstehen, das Ausgesprochene und – das Unausgesprochene!

Dennoch ist’s ein Trost für mich, zu wissen, daß für mich solch ein liebender, geliebter und verständnisvoller Mensch auf der Welt lebt, daß ich ihn habe, wenn ich auch nicht bei ihm sein darf. Du schreibst so glücklich, so dankerfüllt, daß Gott Dir Deine Else gelassen, die dicht, ganz dicht am Rand des Grabes geschwebt – da will ich mit Dir mich freuen und danken und nicht an mich und meine egoistischen Wünsche denken.

Du willst so vieles wissen, Maria, und Du hast auch ein Recht dazu! Systematisch vorgehen – das kann ich nicht, aber so schreiben, ganz so, als redete ich mit Dir, ja, das kann ich und das will ich auch.

Zunächst das eine Hauptsächliche: das Geheimnis, den Tod meines Vaters betreffend. Nein, Liebste, es ist kein Licht hineingekommen, und wer weiß, ob es jemals geschieht! Ich für meine Person bezweifle es! Korty, Du weißt, der Geheimpolizist, hat wohl vor kurzer Zeit, wie mir Ueberweg sagte, eine Spur gehabt und sie eifrig verfolgt, aber umsonst. Auch Ueberweg ist jetzt der Ansicht, daß wir schwerlich des Mörders habhaft werden würden. – – –

Von Frau von Sperber möchtest Du Näheres wissen – ich kann nur Gutes von ihr berichten. Eine Freundin, eine Vertraute, wie Du es mir bist, wird und kann sie mir niemals werden, aber den Posten, den sie übernommen hat, füllt sie zu voller Zufriedenheit aus; sie ist eine liebenswürdige und gebildete Dame mit feinen, verbindlichen Formen und hat mich offenbar ebenso gern wie ich sie. Wie gut sie zu repräsentieren versteht, das habe ich vor einigen Tagen bei der ersten Gelegenheit, die sich dazu bot, erfahren. Eine Dame aus der Nachbarschaft, Gräfin Versing, stattete mir mit ihren beiden Söhnen, Offizieren, die des öfteren auf Urlaub bei ihr sind, einen Besuch ab. Ich nahm den Besuch an, ließ drei von den Direktoren mit ihren Gattinnen – der vierte ist Witwer – samt den Ingenieuren, Justizrat Ueberweg und meinem Vetter Raimund Hagedorn dazu bitten – daß Cecil dabei war, versteht sich von selbst. Es war höchste Zeit, die Beamten einmal einzuladen. Ich hatte, da es ein sehr warmer Tag war, im Gartensaal servieren lassen. Für die verschiedenen Elemente den richtigen Ton zu finden, war nicht ganz leicht, aber die Majorin traf ihn vorzüglich, und ich hoffe, ich habe mich gleichfalls passend benommen. Die erste Gesellschaft ohne meine Maria! Wie ich an Dich dachte, immer mit dem Zusatz: würde sie das gut heißen? –

Die Gräfin ist zu mir von wahrhaft beängstigender Freundlichkeit, die ihre ganz bestimmten Gründe hat. Sie scheint sehr adelsstolz zu sein; mein nagelneuer Adel und meine Fabrikherrlichkeit können ihr nicht imponieren, desto mehr thut dies wohl – mein Geld. Sie wünschte ganz und gar Beschlag auf mich zu legen, aber die Herren Beamten samt Gemahlinnen haben auch ihren Stolz und wollen sich um alles in der Welt nicht vernachlässigt oder zurückgesetzt vorkommen – da hieß es lavieren! Frau von Sperber umschiffte diese Klippen mit Takt und Geschick, sie wurde Allen gerecht, und ich meine, die Gesellschaft hat bei jedem einen guten Eindruck hinterlassen. Die Herren Grafen von Versing, Wolfram und Eginhard, sind flotte, schneidige Gardeoffiziere, die mit vollen Segeln ins Zeug gingen, mir den Hof zu machen. Mit Cecil verkehrten sie in einer ganz achtungsvollen Manier, der „reiche Engländer“ flößte ihnen einigen Respekt ein – über Hagedorn wollten sie einfach zur Tagesordnung übergehen, aber das gelang ihnen nicht. Ohne eine Spur von Absichtlichkeit, ohne hervorzutreten in irgend einer Weise, wußte er sich zur Geltung zu bringen und seine Stellung als Gast meines Hauses und mein Vetter – ich stelle ihn stets als solchen vor – so zu behaupten, daß ich meine innerliche Freude daran hatte. Die Herren Grafen änderten ihren Ton und ihr Benehmen, aber Raimund, dessen Erscheinung man überhaupt nicht übersehen kann, war ihnen offenbar äußerst unbequem.

Wir hatten auch Musik an meinem Gesellschaftsabend. Die Frau des einen der Direktoren singt recht hübsch, sie ist noch jung, ich glaube, sechs- oder siebenundzwanzig Jahre, hat im Berliner Konservatorium ihre Studien gemacht und Konzertsängerin werden wollen, es dann aber doch vorgezogen, sich zu verheiraten. Mein Vetter Hagedorn begleitete so wunderschön, daß man ihn von allen Seiten bestürmte, etwas vorzutragen, zumal seine musikalische Begabung hier in der Kolonie Josephsthal kein Geheimnis geblieben ist. Er ließ sich aber nicht erweichen – erst als ich kam und ihn bat, gab er nach, noch dazu ungern, wie ich überzeugt bin. Er spielte die Berceuse von Chopin und eine sehr reizvolle Tarantella, ich glaube, sie war von Liszt; zu

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0667.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)