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vorrücken. Sie debütierte in Wien als Gast am 30. Mai 1873 als Helene in Scribes „Feenhände“. Dr. August Förster hatte sie damals auf einer Kunstreise in Berlin, wo sie am Nationaltheater spielte, „entdeckt“. Bei jenem Gastspiel war Fräulein Hohenfels wenig über neunzehn Jahre alt. Sie kam, wenn unsere Quellen nicht trügen, am 16. April 1854 in Florenz zur Welt und hatte nur eine kurze theatralische Praxis hinter sich. Das Fräulein war nämlich bis zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges in einem Pariser Kloster erzogen worden; ihre Muttersprache war die französische, dann wurde sie in ein Pensionat bei Stuttgart gebracht, wo sie deutsch lernte.

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Esther in Grillparzers „Esther“.       Ophelia im „Hamlet“.       Puck im „Sommernachtstraum“.
Junker Georg im „Götz von Berlichingen“.   Phöbe im „Meister von Palmyra“.     
Stella Hohenfels.

Von hier ging Stella nach Leipzig, nahm dort dramatischen Unterricht, und nach wenigen Wochen fand sie schon ein Engagement in Berlin. Als Käthchen von Heilbronn erregte sie Aufsehen, obwohl sie der deutschen Sprache noch nicht ganz mächtig war. Da lernte Förster sie kennen, der sie nach Wien zu Dingelstedt brachte. Nach dem erwähnten Debüt spielte Fräulein Hohenfels ein zweites Mal am 5. Juni 1873 die Desdemona im „Othello“. Am 1. September 1873 wurde sie zunächst auf drei Jahre am Burgtheater engagiert, aber erst am 15. Juni 1882 erhielt sie das Dekret als Hofschauspielerin und am 1. September 1887 das Engagement auf Lebenszeit. Vor etwa fünfundzwanzig Jahren wirkte am Burgtheater eine Reihe glänzender weiblicher Talente: neben der Wolter und Gabillon die berühmte Auguste Baudius (als Frau Wilbrandt von der Bühne abgegangen, neuerdings wieder am Burgtheater engagiert), Wessely, Janisch, Buska, Helene Hartmann …. Das Fach der Naiven und Sentimentalen, das in den letzten Jahren nur sehr wenig hervorragende Vertreterinnen hatte, war damals reichlich vertreten. Dieser Umstand war für Stella Hohenfels nicht in jeder Hinsicht günstig. Während der ersten Jahre ihres Engagements mußte sie sich mit dem begnügen, was die anderen Kolleginnen übrig ließen. Es wurden ihr überhaupt jahrelang sprödere Rollen zugewiesen; man hielt ihre Begabung beschränkt auf das Fach der „Knabenmädchen“, weil sie den Junker Georg so glänzend gespielt hatte, und traute ihr anfangs keine anderen oder größeren Aufgaben zu. Die Schule, welche Stella Hohenfels in diesen Jahren der Dingelstedtschen Direktion durchmachte, entbehrte daher gewiß nicht der Strenge, war reich an Prüfungen, aber sie hatte doch das Gute zur Folge, daß sie die Künstlerin zwang, auch Aufgaben gerecht zu werden, die sie nicht sofort anzogen, oder Rollen zu einer guten Wirkung zu verhelfen, die ohne ein gutes Spiel verloren gewesen wären.

Seit dem 29. Juni 1889 ist Stella Hohenfels mit dem geistvollen Dichter und Professor der Aesthetik an der Wiener Universität Alfred Freiherrn von Berger vermählt. Die Ehe ist kinderlos, aber darum nicht minder glücklich in ihrer Art. Naturgemäß kann das Zusammenleben einer Schauspielerin mit einem litterarisch hochstehenden Manne nicht ohne vorteilhafte Rückwirkung auf ihre Kunst bleiben, wie es die Ehen Hebbels mit Christine Enghaus, Wilbrandts mit Auguste Baudius bewiesen.

Ueber das Privatleben der Künstlerin ist sehr wenig in die Oeffentlichkeit gedrungen. Sie lebt nicht in großer Geselligkeit und läßt sich außer dem Theater selten einmal sehen. Urlaub und Ferien benutzt sie nicht zu Gastspielen, sondern zu Studienreisen nach Italien und Paris, wo sie sich immer neue Anregung für ihre Kunst holt. M. Necker.

Friedrich der Große im Schloß zu Lissa. (Zu dem Bilde S. 600 und 601.) Das ausgezeichnete Gemälde von Adolf Menzel, welches wir im Holzschnitt wiedergeben, ist bereits im Jahre 1858 entstanden, hat aber erst neuerdings das Atelier des Meisters verlassen. Es nimmt in der Friedrichsgalerie des berühmten Malers einen hervorragenden

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 611. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0611.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2022)