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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Halbheft 19.   1898.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahresabonnement (1. Januar bis 31. Dezember) 7 Mark. Zu beziehen in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.


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Königin Wilhelmina der Niederlande.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph Kameke im Verlag von Gebr. Abrahams im Haag.

Schloß Josephsthal.
Roman von Marie Bernhard.
(4. Fortsetzung.)


10.

„Die Post, gnädiges Fräulein!“

„Es ist gut, James. Legen Sie sie dorthin.“

Der Diener will auf leisen Sohlen das Zimmer verlassen.

„Noch eins, James!“

„Baroneß befehlen?“

„Ich hatte bestimmt, mir ,Primrose’ zu satteln, und dem Groom sagen lassen, er solle sich bereit halten. Sie können das Absatteln bestellen und der Groom braucht nicht zu kommen. Ich habe mich anders besonnen. Mir ist das Wetter zu schlecht. Statt dessen ….. wie ist es doch, wann sind die Herren von den technischen Bureaus frei?“

„Um ein Uhr, gnädiges Fräulein.“

„Jetzt haben wir gleich halb. Das möchte gehen. Telephonieren Sie, ob Herr Oberingenieur Harnack sich baldmöglich zu mir bemühen möchte, und bringen Sie mir die Antwort!“

„Sehr wohl, Baroneß!“

Alix ist in einem Zimmer, das sie sich nach ihrem eigenen Geschmack hat herrichten lassen. Es ist ein großer, achteckiger Raum, dem die bis zur halben Wandhöhe hinaufreichende dunkle Eichenvertäfelung einen wohnlichen Charakter giebt. Tuchportieren von warmer, weinroter Farbe verhüllen die Thüren und ebensolche Vorhänge sind von den Fenstern mit mattgoldenen Spangen zurückgenommen. Vom getäfelten Fußboden ist nichts zu sehen, ein schöner hochfloriger roter Teppich deckt ihn ganz und gar. In den tiefen Fensternischen sind gedunkelte Eichensitze angebracht mit Greifenköpfen an den Armlehnen und mit roten Polstern belegt – vor dem wuchtigen eichenen Arbeitstisch steht ein prächtiger Lutherstuhl, und ihm gegenüber, wo die Wandtäfelung abschneidet, hängt ein lebensgroßes Brustbild in Oel, von einem vertieften Rahmen in dunklem Holz gefaßt: Alix’ Mutter!

Alix hatte viel von ihr: den Schnitt der Züge, die mandelförmigen Augen, die schöne Gestalt. Nur das Haar war anders und das Kolorit – bei der Mutter ein mattes Weiß,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0581.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)