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Kleine Mitteilungen.

W. O. von Horn. Am 15. August 1898 war der Säkulartag eines der beliebtesten deutschen Volksschriftsteller, Wilhelm Oertels, der unter dem Autornamen „W. O. von Horn“ noch heute in weitesten Kreisen bekannt und beliebt ist. Oertel wurde in dem Dorfe Horn auf dem Hunsrück geboren, und ähnlich wie Hoffmann von Fallersleben hat er von seinem Geburtsort den Namen entlehnt, mit dem er sich in die Litteratur eingeführt hat. In einem Pfarrhause, in welchem schon mehrere Vorfahren das geistliche Amt versahen, hatte er das Licht der Welt erblickt; seine erste Bildung erhielt er durch den Vater. Die Beteiligung an den munteren Spielen der Altersgenossen wurde ihm durch einen Unfall erschwert, der ihm schon im Säuglingsalter zugestoßen war. Seine Mutter stillte ihn selbst; der ältere Bruder war schwer erkrankt; ganz plötzlich wurde die Mutter, die, den Säugling an der Brust, halb eingeschlummert war, durch die Todeskunde aufgeschreckt. Die Folge davon war, daß das Kind halbseitig gelähmt ward, Oertel zeitlebens sich eines Stockes bedienen mußte. Die Erinnerungen seiner Kinderzeit befruchteten später seine Phantasie. In dem Rheinstädtchen Bacharach, wo sein Vater eine Pfarrstelle erhalten hatte, entwickelte sich seine Vogelliebhaberei, der er zeitlebens treu blieb, und seine Vorliebe für historische Forschungen, zu denen die benachbarten Burgen die erste Anregung gaben. Ebenso ließ er sich gern von alten Leuten, die er, wie es in den Rheinlanden heißt, „heimlich“ machte, allerlei Erlebnisse erzählen. Sein Vater war 1812 von Bacharach als Pfarrer nach Manubach versetzt worden, einem kleinen Dorfe in einem Seitenthale des Rheins. Der junge Oertel besuchte die Heidelberger Universität, wo er Jean Paul und Jung-Stilling persönlich kennen lernte, auch eifriges Mitglied der Burschenschaft war. Dann wurde er Pfarrverweser in Manubach; nach dem Tode seines Vaters, 1822, rückte er in die Pfarrstelle selbst ein. Er fand hier Muße zu schriftstellerischer Bethätigung, für die der Knabe schon in dramatischen Versuchen Talent gezeigt; er schrieb außer verschiedenen Aufsätzen Erzählungen, und eine derselben wurde vom „Frankfurter Journal“ angenommen; andere folgten, eine ganze Serie „historisch-romantischer Erzählungen“ unter dem Schriftstellernamen F. W. Lips, die 1833, in drei Bändchen gesammelt, erschienen. Nach einer längeren Pause in seinem litterarischen Schaffen schlug er jene Richtung ein, die ihm einen weitverbreiteten Ruf verschaffen sollte. Die schlechten rheinischen Volkskalender brachten ihn auf den Gedanken, dem Volk eine bessere Speise zu bieten, so gründete er im Jahre 1846 die „Spinnstube“, welche durch die köstlichen Illustrationen des genialen Ludwig Richter auch äußerlich eine anmutende Gestalt erhielt. Von 1849 ab gab er seine sämtlichen gedruckten Erzählungen in 13 Bänden heraus. Aus der „Spinnstube“ selbst erschienen „Des alten Schmiedjakobs Geschichten“ (1850 bis 1853) in selbständiger Ausgabe. Horn war jetzt sehr schöpferisch, arbeitete besonders in den Abend- und Nachtstunden, da die Superintendentenstelle in Sobernheim im Nahethale, die er 1835 erhalten, seine amtliche Thätigkeit sehr in Anspruch nahm. Auch für unsere „Gartenlaube“ lieferte er in den fünfziger Jahren Beiträge. Er berührte sich mit dem Schweizer Jeremias Gotthelf in der Wahl seiner volkstümlichen Stoffe, wie seine Schriften „Lehrgeld oder Meister Conrads Erfahrungen im Jungen-, Gesellen- und Meisterstande“ und „Franz Kerndörfer, eine Geschichte aus dem lieben Handwerkerstande und für ihn“ beweisen. Sein „Notpfennig“ war eine Sammlung von Lehren der Lebensweisheit, die er aus den Werken unserer Klassiker schöpfte. Ein neues Volksblatt, die „Maje“, dessen Titel er dem rheinländischen Sprachgebrauch entnahm, der damit die gemütlichen Zusammenkünfte der Freunde und Nachbarn bezeichnete, gab er 1858 bis 1865 heraus; die von ihm selbst beigesteuerten Erzählungen sammelte er in den 8 Bänden „Aus der Maje“. Außerdem erwähnen wir seine Schrift „Der Rhein, Geschichte und Sagen seiner Burgen“ (4. Aufl. 1893). Im Jahre 1863 legte Oertel sein Pfarramt nieder: es kündigten sich ernste Krankheitssymptome bei ihm an. Er verlebte die letzten Jahre in einer Villa in Wiesbaden, wo er am 14. Oktober 1867 starb. In der „Universalbibliothek für die Jugend“ ist eine Auswahl seiner Erzählungen in Vorbereitung. †      

Die deutsche Tiefseeexpedition. Am 1. August ist von Hamburg aus der Dampfer „Valdivia“ in ferne Meere hinausgezogen. Neben Seeleuten, die ihn glücklich durch Wind und Wogen führen sollen, besteht seine Besatzung aus einem Stabe von Naturforschern und seine Ausrüstung in wissenschaftlichen Apparaten. Der Dampfer kreuzt unter deutscher Flagge, um friedliche Eroberungen zu machen, unser Wissen vom Meere zu erweitern, die Geheimnisse seiner Tiefen zu enthüllen.

Wiederholt haben wir in früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“ unseren Lesern von der Tiefseeforschung berichtet. Bisher haben die Skandinavier, Engländer, Franzosen und Amerikaner das meiste auf diesem Gebiete geleistet. Nunmehr tritt auch Deutschland dieser wichtigen Aufgabe näher. Der deutsche Reichstag hat für eine Tiefseeexpedition die Summe von 300 000 Mark bewilligt, und unter Führung des Kapitäns Adalbert Krech hat das deutsche Forscherschiff seine weite Reise angetreten. Nach einem kurzen Aufenthalte in den englischen Gewässern wird es sich nach der Küste von Westafrika wenden und namentlich das Meer bei Kamerun und an der Mündung des Kongo durchforschen. Von Kapstadt aus wird die „Valdivia“ einen Vorstoß in das antarktische Gebiet machen, den Indischen Ocean befahren, über Sumatra, Ceylon und die Seychellen sich an die Küste von Deutsch-Ostafrika wenden und über das Rote Meer nach Deutschland zurückkehren.

In erster Linie will die Expedition zoologische Aufgaben lösen. Unter anderem werden ihre Naturforscher zu ermitteln suchen, auf welche Weise die Tiere der Tiefsee Licht erzeugen. Die Oceanographie wird gleichfalls berücksichtigt. Zahlreiche Tiefseelotungen sollen ausgeführt werden, und man wird die Wärme und den Salzgehalt des Meerwassers in verschiedenen Tiefen bestimmen. Schließlich soll noch die Erforschung der Bakterien auf dem Meeresgrunde mit besonderem Eifer vorgenommen werden.

Der Plan zu dieser deutschen Tiefseeexpedition ist von Professor Dr. Karl Chun ausgegangen; er ist auch zum wissenschaftlichen Leiter derselben berufen worden und wird in seinen Arbeiten von zehn Naturforschern unterstützt.

Karl Chun wurde am 1. Oktober 1852 zu Höchst a. M. geboren. In Leipzig und in Göttingen studierte er Naturwissenschaften und wandte sich bald ausschließlich der Zoologie zu. Im Jahre 1878 ging er nach Neapel, wo er sich in der berühmten Zoologischen Station von Dr. Anton Dohrn dem Studium der Meerestiere widmete; diesem Zweig der Zoologie blieb er auch mit rühmlichem Erfolg in späteren Jahren treu. Nachdem Chun sich in Leipzig habilitiert hatte, wirkte er dort als Assistent Leuckarts, erhielt im Jahre 1883 den Ruf als außerordentlicher Professor nach Königsberg und wurde 1890 Professor an der Universität Breslau. Im Anfang dieses Jahres wurde er als Nachfolger Leuckarts an die Universität Leipzig berufen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 580_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0580_d.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2023)