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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

der Tod ein unter den Linden und Kastanien des alten Schlosses.

Der Vater legte sich nieder zur letzten Ruhe. Und nunmehr teilten die Brüder sich so in das Erbe, daß der ältere zu Külz noch Jarchelin, der jüngere zu Kniephof noch das durch den Verkauf der größeren Hälfte sehr verkleinerte Schönhausen bekam. Jener nannte sich von da an „von Bismarck-Külz“, dieser „von Bismarckschönhausen“. Als Besitzer des letzteren Guts, wo Otto auch seinen Wohnsitz nahm, gelangte er jetzt zur Würde eines Deichhauptmanns des Kreises Jerichow, welches Amt ihn an die Spitze der Deichgenossenschaft stellte, deren Aufgabe in dortiger Gegend der Schutz des flachen Landes gegen Überschwemmung durch Anlage und Erhaltung von Deichen und Dämmen ist. Gleichzeitig wurde er zum Abgeordneten in den sächsischen Provinziallandtag zu Merseburg gewählt, in welcher Eigenschaft er 1847 Mitglied des Bereinigten preußischen Landtags in Berlin wurde. Hier that er sich bald hervor als leidenschaftlicher Verfechter konservativer Grundsätze, vor allem der Anhänglichkeit an das angestammte Königshaus.

Otto v. Bismarck und seine Gemahlin im Jahre 1849.

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Auf Schönhausen führte Otto von Bismarck dann auch seine ge^ liebte Johanna heim. Am 28. Juli 1847 fand zu Reinfeld die Vern mählung mit der damals ^jährigen Braut statt. Die Ehe, welche hier geschlossen ward, sollte eine durchaus glückliche werden. In gleichem Maße wußte die junge Frau dem geliebten Galten Verständnis und Selbstbescheidung entgegenzubringen. Auf manche bisher geübte Lebensgewohnheit des heißblütigen Gatten machte sich ihr Einfluß aufs wohlthätigste geltend. „Ich habe den Segen gefunden, der mit einer Gattin, die nur Gott gesucht, in unser Haus einzieht,“ so pries er später das gewonnene Glück. Und dankbaren Herzens sagte er in anderer Stunde von seiner Johanna: „Sie ahnen nicht, was diese Frau aus mir gemacht hat!“ Als das junge Paar auf seiner Hochzeitsreise nach Venedig kam, traf es dort zufällig mit dem König Friedrich WilhelmIV zusammen. DerMonarch, welcher sich des tapferen Verteidigers des Königtums auf dem eben geschlossenen „Vereinigten Landtag“

wohl erinnerte, befahl Bismarck alsbald zu Tisch. Die damals geführten Tischgespräche mit dem König haben auf die spätere Gestaltung von Bismarcks Schicksal vielleicht einen tieferen Einfluß gehabt, als vorläufig äußerlich zu Tage trat. Jedenfalls hat Johanna von Bismarck schon auf der Hochzeitsreise Gelegenheit gehabt, sich daran zu gewöhnen, daß ihr Gatte zunächst seinem König und dann erst seiner Frau gehörte.

Lehr- und Wanderjahre des Staatsmanns.

Mit dem Augenblick, da der „Deichhauptmann von Jerichow“ Otto von Bismarck im Jahre 1847 als Stellvertreter des vom sächsischen Provinziallandtage gewählten Abgeordneten v. Brauchitsch in den Vereinigten Landtag zu Berlin eintrat, lenkte sein Leben ein in den ruhelosen Strom der Politik, durch dessen Wogen er später das ihm anvertraute Staatsschiff als zielbewußter Pilot so meisterhaft zu steuern wußte. Die Versammlungssäle des ersten und zweiten „Vereinigten Landtags“, der preußischen Abgeordnetenkammer, des Erfurter Unionsparlaments waren die ersten Stationen auf dieser sturmbewegten Fahrt; sie führte ihn nach Frankfurt an den Bundestag, in die preußischen Gesandtschaftshotels zu Petersburg und Paris und schließlich in die Räume des preußischen Ministerpräsidenten und des deutschen Reichskanzleramts. Auf ihr drang er rastlos vor von Sieg zu Sieg, wurde er der machtvollste Staatsmann Europas zum Heile des Vaterlands, bis nach dreiundvierzig Jahren die Fahrt ein jähes Ende nahm und er widerwillig einlenkte in den Hafen der ihm aufgezwungenen Ruhe. Diese ganze Zeit, die gleichbedeutend ist mit der Erstarkung Preußens zur führenden Macht in Deutschland, mit Deutschlands Einigung unter dieses erstarkten Preußens Führung, mit dem inneren Ausbau des Deutschen Reichs – diese ganze Zeit hat dem, der ihr einen wesentlichen Teil ihres politischen Gehalts gab, nicht viel Spielraum gelassen, sich der behaglichen Ruhe und Freiheit des Privatmanns zu erfreuen. Wer sein Leben nach solchen Stunden durchsucht, der findet ihrer allerdings, wenn auch wenige, und sie sind von ihm selbst am köstlichsten beschrieben in seinen eigenen Briefen an Frau, Schwester, Freunde und Kollegen.

Otto v. Bismarck
als Buntestagsgesandter.
Nach dem Gemälde von Jakob Becker.

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Mitten unter den Wirren des Revolutionsjahres 1848, am 21. August, wurde Bismarck zu Schönhausen das erste Kind, seine Tochter Marie Elisabeth Johanna, geboren, und am 28. Dezember 1849 folgte dieser ein Sohn, in der Taufe Nikolaus Heinrich Ferdinand Herbert genannt, ein Berliner Kind, denn der Vater hatte in dem Winter 1849/50 seine Familie von Schönhausen nach Berlin kommen lassen. Nach Schluß des Erfurter Unionsparlaments (29. April 1850) hatte der vielbeschäftigte Abgeordnete einmal wieder Muße, sich ein paar Wochen lang in Schönhausen um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Dann sollte eine Reise nach Angermünde ins Seebad sich anschließen, um „Mariechens“ willen, welcher die Seeluft gut thun sollte. Aus diesen Tagen stammt das spaßhafte Bild eines sorgenbelasteten Familienvaters, das Bismarck seiner Schwester in einem Glückwunschbrief zu ihrem Geburtstag entwirft.

„Einen feierlichen Geburtstagsbrief“ – so heißt es da – „schreibe ich Dir zu Deinem, wie mich dünkt, 24sten (ich sage es nicht weiter) Geburtstag. Du bist nun wirklich majorenn, oder würdest es doch sein, wenn Du nicht das Unglück hättest, dem weiblichen Geschlechte anzugehören, dessen Glieder nach Ansicht der Juristen selbst dann nicht, wenn sie Mütter der dicksten Hänse sind, aus der Minderjährigkeit heraustreten. Warum dies trotz seiner anscheinenden Ungerechtigkeit eine sehr weise Einrichtung sei, werde ich Dir auseinandersetzen, wenn ich Dich, hoffentlich in etwa 14 Tagen, à portée de voix humaine[1] vor mir habe. Johanna, welche augenblicklich noch in den Armen des Lieutenants Morpheus ruht, wird Dir geschrieben haben, was mir bevorsteht. Der Junge in Dur brüllend, das Mädchen in Moll, zwei singende Kindermädchen, zwischen nassen Windeln und Milchflaschen ich als liebender Familienvater. Ich habe mich lange gesträubt, aber da alle Mütter und Tanten darüber einig waren, daß nur Seewasser

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0563.jpg&oldid=- (Version vom 8.12.2022)
  1. Auf Stimmweite.