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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Motiven der deutschen Renaissance, mit frommen Sprüchen plattdeutscher Mundart etc. versehen. Die aus Ziegelsteinen gemauerten Flächen sind durch Anwendung roter Steine mit weißen Fugen in verschiedenen Mustern zusammengestellt, bisweilen sind die Figuren eines Hexenbesens oder einer Windmühle darin eingefügt. Das obere Stockwerk ist gegen das untere vorgekragt, hübsch geschnitzte Konsolen stützen es. Die Fenster der alten Häuser sind sämtlich klein; wo sich größere finden, sind sie nachträglich vergrößert worden.

Bisweilen liegt zwischen Straße und Haus ein kleiner Blumenvorgarten, der auch andere als die zu Handelszwecken angebauten Blumen aufweist, darunter mehrere uralte Lieblingsblumen des Landvolks, die sog. Bauernrose, die Strohblume etc. Immer aber befindet sich neben dem Hause ein durch eine dichte, niedere Hecke abgeschlossener Gemüse- und Blumengarten, dessen Beete säuberlich mit Buchsbaum umsäumt sind. Neben der Blankendör steht gar oft auch ein Aufwaschapparat mit einem originell geformten Geschirrtrockenständer (vgl. die obere Abbildung S. 529).

Es ist ein Jammer, wenn man sieht, wie auch hier immer mehr städtische Einflüsse den alten Bauernhaustypus verdrängen und an die Stelle seiner zur Umgebung so prächtig stimmenden ernsten Schönheit die Reizlosigkeit weißgestrichener, schiefergedeckter „moderner“ Häuser tritt, die mit unverstandenen, antik oder schweizerisch sein sollenden Schnörkeleien verunziert sind!

Noch andere merkwürdige Bauten giebt’s in „Veerlann“. Da sind zunächst ein paar eigentümliche, turmartige Kornspeicher aus dem 17. Jahrhundert erhalten, sodann treffen wir merkwürdige, in ihren Umrissen an siamesische Pagoden erinnernde Heuberge mit hoch oder niedrig zu stellendem Dache – endlich sind auch die vier alten Kirchen schon äußerlich ganz interessant. Der aus Holz erbaute Glockenturm, der nur niedrig ist, steht für sich neben dem eigentlichen, aus Natursteinen erbauten, mit hohem Ziegeldach gedeckten Gotteshause; stets umgiebt den Bau ein schön gehaltener Friedhof, auf den in Kurslak ein schmuckes, eigenartiges Eingangsthor führt.

Noch eines besonderen Hauses muß gedacht werden, des „Zollenspieker“, eines alten, ziegelgedeckten, festen Hauses an der Elbe, das, unter hohen alten Bäumen gelegen, einen beliebten Ausflugspunkt der Hamburger bildet. Es ist historisch von Interesse, einmal, weil hier, wo auch die alte Straße Lüneburg–Hamburg die Elbe überschritt, von Hamburg und Lübeck der sog. Eßlinger Elbzoll erhoben wurde, zweitens, weil hier 1620 Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg einen Einfall ins Land machte, aus dem er erst nach vier Wochen durch Hamburgische Truppen vertrieben werden konnte. –

Und nun wollen wir einmal ein Vierländer Haus besuchen!

Wir treten durch die Blankendör ein – „Vadder Claas“ giebt gern seine Erlaubnis, und „Mudder“ auch. Zu unserer Rechten liegen die „grote Deel“ und die Ställe. Zu unserer Linken steht im Hintergrund an der die Wohnräume verbindenden Wand der große deutsche Herd. Verschließbar ist er durch eine mit ausgesägtem Zierwerk schön verzierte Thür, an deren Innenseite allerlei Küchengeräte hängen. Links und rechts von ihm befindet sich je eine in die Wohnräume führende Thür.

Die „Diele“, von der ein Teil auf der unteren Abbildung S. 529 dargestellt ist, zeigt noch allerlei Bemerkenswertes: mächtige Schränke aus der Renaissance- und Rokokozeit, die jedem Museum zur Zierde gereichen würden, alte Truhen, Geschirrschränke mit altem Steinzeug und Messinggeschirr, einen Tisch mit Kugelfüßen, bunte Scheiben im Fenster – ein Vorgeschmack dessen, was unser im Staatszimmer harrt. Nebenbei bemerkt, ist die anderweitige Ausstattung der Diele mit aufgehäuften Körben voller Früchte, mit Speckseiten, Schinken und Würsten, die von der Decke herabhängen, auch nicht ohne Reiz.

Nun aber – „Vadder Claas“ hat uns schon so lange genötigt – treten wir in „de Stuv“ ein, „Mudder“ nennt sie noch mit dem älteren Worte „Döns“. – „Ah!“ entringt es sich dem Munde des Fremden – „das eine Bauernstube?!“

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[H. Haase]
Inneres der Kirche in Altengamme.

Die Wände (vgl. obenstehende Abbildung) sind teils mit blaubemalten Kacheln belegt, zum größeren Teil aber, wie auch die Thür, getäfelt und zwar in Holzintarsia, wozu noch schöne Profilierungen, Gesimse, Holzschnitzereien u. dgl. kommen. Sterne, Blumen und Vögel bilden die Motive der in die blitzenden dunklen Holzflächen eingelegten Ornamente. Auch die Decke ist bisweilen holzgetäfelt oder aber mit Rokokostuck geschmückt. Neben der Thür ist ein Glasschrank mit altem Porzellan angebracht, daneben steht eine hohe, intarsiageschmückte Standuhr; weiterhin blicken wir in einen Alkoven, der saubere, mit schön gestickten Kissenüberzügen geschmückte Betten sehen läßt. Ein mächtiger, schöngeformter, von der Diele aus heizbarer blaubemalter Kachelofen, auf dem allerlei biblische Motive dargestellt sind, steht an der Herdwand. An der Fensterwand zieht sich eine Bank mit originellen Seitenlehnen hin; davor steht ein schöner Tisch mit Kugelfüßen. Die Fenster selbst

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0530.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2022)