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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

beherrschen. Nun war ich aber in Afrika, im Land meiner alten kindischen Sehnsucht, und noch keineswegs afrikamüde.

Das wäre nicht leicht gewesen unter den Sykomoren, die den Weg von Kairo nach Schubra überdachen. In der Nähe der Stadt, wenn man die Geleise der nach Alexandrien führenden Bahn überschritten hat, haben wir uns durch ein buntes, lustiges Gewimmel von wunderlichen Menschen und Tieren zu kämpfen. Hier sehen wir Ketten von Kamelen, die in behaglich schwingendem Gang und sich mürrisch räuspernd nach den Steinbrüchen des Mokattam ziehen, wandelnde grüne Berge von Klee, unter denen die emsigen Füßchen der Esel kaum zu sehen sind. Dort begegnen wir Rudeln halbverschleierter, aber trotz dieser mangelhaften Hülle lachender und kreischender Fellahweiber, die Eier, Ziegenbutter, Melonen und Orangen kunstvoll auf dem Kopfe wiegen; dazwischen erscheint ein stattlicher Dorfschech, hoch zu Roß, ein grünbeturbanter, würdiger Imam, auf weißem Esel, von zwei Saisen (Dienern) mit sorgsamer Verehrung geleitet. Dann rollt unter lautem Geschrei: „Platz, Platz, ihr Gläubigen! Links! Rechts, ihr Hundesöhne!“ eine schwerfällige Haremskutsche hinter dem prachtvollen Arabergespann, eine Herde Ziegen mitten entzweispaltend. Ein lautes, farbiges Gedränge; das lebendige Blut, das der alten Khalifenstadt aus dem unerschöpflichen Delta zuströmt!

Fellahpflug. Dampfpflug.
Das Pflügen der Baumwollfelder in Unterägypten.
Nach einem Aquarell von M. Eyth.

Nach einer Viertelstunde wird die Masse lichter, die Umgebung stiller. Ter reizende Palast, den Said Pascha für die viceköniglichen Gäste hatte erbauen lassen, liegt hinter uns. Rechts zwischen den riesigen Baumstämmen der Allee hindurch erblickt man halbzerfallene Häuser in verwilderten Gärten, in denen Aloe, Kaktusbirnstauden und stumpige Dattelpalmen sich zu wirrem Gestrüpp verschlingen; links das weite Nilthal, das sich nach dem Delta hin grün und sonnig ausbreitet: denn die Schubraallee ist gleichzeitig der Damm, der das Überschwemmungsgebiet des Stroms begrenzt.

Die Pumpstation von Schubra bei Kairo.
Nach einem Aquarell von M. Eyth.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0505.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2019)