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Kanne Wein für die bevorstehende lange Sitzung stärkt? Nicht glauben scheint rätlicher – sie sieht auch gerade so aus, als wüßte sie genau, was das für ein leichtfertiger, verliebter, flatterhafter Herr ist, aber sie hört seine Reden doch an und hält bei ihrer Arbeit inne, um eine lachende Antwort zu geben, gerade so herausfordernd listig, wie seine kecken Anspielungen sie verdienen. Feuer legen, daß ein Brand entsteht – Gott bewahre, daran denken sie beide nicht! Aber so ein bißchen mit dem Feuer spielen, das hat, meinen sie, nichts auf sich und sorglos schlagen sie die Mahnung des altbewährten Warnspruchs „Spielt nicht mit dem Feuer!“ in den Wind.

Therese Malten. (Mit Bildnis.) Am 15. Juni feierte Therese Malten, eine der hervorragendsten dramatischen Sängerinnen der Gegenwart, ihr 25jähriges Bühnenjubiläum, das vor allem an der Königlichen Hofoper in Dresden festlich begangen wurde. Therese Malten ist in Insterburg in Ostpreußen als Tochter eines preußischen Militärbeamten am 21. Juni 1855 geboren. Schon früh zeigte sich ihre musikalische Begabung: sie sang schon im vierten Jahre ihrer Mutter Arien und Lieder nach und machte im Klavierspiel, das sie bald darauf erlernte, so glänzende Fortschritte, daß man geneigt war, sie zu den Wunderkindern zu zählen.

Therese Malten als Isolde.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph W. Höffert in Dresden.

Ihre Eltern waren nach Berlin übergesiedelt; ein tüchtiger Opernsänger, Anton Woworsky, erkannte das vielversprechende Talent des Mädchens und riet, sie zur Sängerin ausbilden zu lassen. Professor Gustav Engel erteilte ihr Gesangsunterricht und der Hofschauspieler Kahle, ein Jünger Heinrich Laubes, war ihr Lehrmeister in der dramatischen Kunst. In ihrem achtzehnten Lebensjahre trat sie zuerst am Dresdener Hoftheater als Pamina in der „Zauberflöte“ auf; nach ebenso erfolgreichen Leistungen als Elsa in „Lohengrin“ und Agathe im „Freischütz“ wurde sie an dies hervorragende Kunstinstitut, dem sie noch heute angehört, fest engagiert. 1880 ward sie zur Kammersängerin ernannt; 188l sang sie an der Deutschen Oper in London den Fidelio und einige Wagnersche Rollen. Sonst ist sie nicht übers Meer gegangen, wie sie sich überhaupt von dem geschäftsmäßigen Herumgastieren fern gehalten hat. Nur eine zweite künstlerische Heimat hat sie gefunden: Bayreuth. Richard Wagner hatte sie im Jahre 1881 in Dresden singen hören und sogleich erkannt, daß sie eine künstlerische Kraft ersten Ranges für die großen Aufgaben siner Musikdramen sei. Er forderte sie sofort auf, im nächsten Sommer in Bayreuth die Kundry im „Parsifal“ zu siugen; sie kam dieser Einladung nach und schuf in dieser Kundry eine von genialer Inspiration zeugende dämonische Gestalt, welche den Dichterkomponisten selbst wie alle Hörer zur Begeisterung hinriß. Seitdem hat Richard Wagner in ihr die berufenste Trägerin seiner weiblichen Heldengestalten gesehen. Von gleich mächtiger Wirkung wie als Kundry ist sie als Brünhilde sowie als Isolde, in welch letzterer Rolle sie das obenstehende Bildnis darstellt. Aber auch die jugendlich dramatischen Partien der Wagnerschen Opern, eine Senta, Elisabeth, Eva, gehören zu ihren Musterleistungen. Mit dem Dichterkomponisten selbst blieb sie, solange er lebte, in brieflichem Verkehr, und er machte kein Hehl aus seiner Bewunderung für ihre Kunst. Außerdem zählen zu ihren Hauptrollen Fidelio, Rezia, Margarethe, Armida und Viviana in Goldmarks „Merlin“. Ihre Stimme ist gleich mächtig in der Höhe und Tiefe, ausgeglichen in allen Registern; vor allem aber sind Spiel und Gesang bei ihr zu künstlerischer Einheit verbunden und so entspricht sie dem Ideal der Wagnerschen Kunstanschauung. †     

Das Opfer. (Zu dem Bilde S. 425.) Kein Land der Erde bietet so merkwürdige Erscheinungen auf dem Gebiete des Religionswesens wie das märchenhafte Indien. Hier haben die Arier die milden Lehren von Brahma und Buddha ausgebildet, bis hierher drang der Islam erobernd vor, und bei zahlreichen Volksstämmen erhielt sich als ein Ueberrest der Religion der Naturvölker ein finsterer Dämonenkultus. Kein Wunder, daß in diesem so dichtbevölkerten Lande unter diesen Umständen eine Menge von Sekten entstand, in welchen die wunderbarsten Bräuche herrschen. Die Arier hatten schon frühzeitig in ihrer Götterverehrung auf das blutige Opfer verzichtet. An Stelle der Rosse, Kühe, Ziegen und der Tiere des Waldes traten bei den Brahmanen und Buddhisten mildere Opfergaben, die in Feldfrüchten und Blumen bestehen. Aber hier und dort haben sich dennoch Gewohnheiten aus barbarischer Vorzeit erhalten. So verehrt man z. B. in Bengalen und Südindien die Göttin Parvati durch einen blutdürstigen Dienst. Sie wird in den Tempeln bald in abscheulicher Gestalt, bald in anmutigeren Formen dargestellt, und in vielen Gegenden gilt sie als die Göttin der pestartigen Krankheiten. Zu ihrer Sühnung sind blutige Opfer nötig, und von ihr wird in alten Büchern berichtet, das Opfer eines Menschen oder eines Raubtieres besänftige sie für tausend Jahre. An solche Ueberlieferungen hat R. Ernst gedacht, als er sein stimmungsvolles Bild schuf, das wir heute im Holzschnitt wiedergeben. Die Leute, die hier in dem geheimnisvollen Tempel ihr Opfer darbringen, huldigen noch zum Teil dem Dämonenglauben und meinen, daß in dem Tiger Dämonen stecken oder böse Menschen die Tigergestalt annehmen. So gewinnt ihr Opfer noch eine tiefere Bedeutung. Neben dem Weihrauchbecken kniet der Priester, durch dessen Gebete das Opfer erst die volle Wirkung erreicht. Dem Künstler ist es trefflich gelungen, die Gegensätze, die in den Glaubensbekenntnissen der Indier so häufig verborgen sind, zum Ausdruck zu bringen. Neben dem Buche mit den heiligen milden Lehren, neben duftigen Blumengaben und dem inbrünstig betenden Priester gemahnt die Schar der Männer, die das wilde Tier des Waldes in die stille Tempelhalle tragen, an die Thatsache, daß hier Millionen von Menschen noch in den Banden des tiefsten Aberglaubens seufzen. *     

Wasserpartie (Zu dem Bilde S. 429.) Was kann es Lustigeres geben als eine Kahnfahrt am hellen Sommertag zwischen grünen Ufern, während droben im Himmelsblau die weißen Wölkchen ziehen! Sonnenschein ringsum, Sonnenschein auch auf den Gesichtern der jungen Mädchen, die sich des Kahnes bemächtigt haben und ohne männlichen Schutz auf gut Glück den See befahren wollen. Weit entfernt kann aber dieser Schutz doch nicht sein, das sieht man an dem schelmischen Lachen des ruderführenden hübschen Kobolds, der scheinbaren Entrüstung der geneckten Freundin am anderen Ende und dem lächelnden, fragend verheißungsvollen Blick der aufrecht stehenden Schönen, die sich über beide hinweg nach dem Ufer zurückwendet. Noch sind sie ihm nahe genug – ein kühner Sprung und dem Boot wird der Steuermann nicht fehlen! Ob das ganz ohne Protest der weiblichen Besatzung geschehen wird, scheint freilich zweifelhaft, aber so viel dürfte gewiß sein, daß das Schifflein schließlich unter verdoppelter Lustigkeit dahinfliegen und erst nach einer gründlichen Erforschung des ganzen hübschen Sees wieder zum Lande lenken wird!

Heitere Jagdgeschichten. (Zu dem Bilde S. 449.) Eine gutgelaunte Jägerschar ist es, die nach beendeter Jagd unterwegs Rast hält und die Zeit durch lustige Unterhaltung sich verkürzt. Heute hat sie einen Neuling in ihrer Mitte, den behäbigen starken Herrn, der auf der niedrigen Bank sitzt und dem Beschauer den Rücken zukehrt. Er ist ein Liebhaber, jedoch kein Kenner des edlen Weidwerks und wird darum von den Fachleuten ein wenig gefoppt. Sein Gegenüber, der lustige Rat der Gesellschaft, giebt gerade ein Jagderlebnis zum besten. Was er da vorträgt, ist das beste Jägerlatein, das aber der behäbige Herr für bare Münze nimmt. Die Jäger merken den Scherz, und ihre Augen heften sich auf den Laien, und je unglaublichere Dinge der Erzähler vorbringt, desto mehr Freude spüren sie an dem gläubigen Neuling. Das Spiel wird fortgesetzt: der ersten Geschichte werden andere noch unglaublichere folgen, bis dem Gefoppten die Augen aufgehen und unter fröhlichem Lachen der Aufbruch erfolgt. *     

Koloriertes Schmecken. Als „synoptische Symptome“ hat Lombroso Erscheinungen bezeichnet, die nach seinen Untersuchungen bei einer großen Anzahl von Menschen auftreten. Es ist dies die Eigenschaft, beim Hören eines bestimmten Tones zugleich eine bestimmte Farbe zu sehen, mit andern Worten: koloriert zu hören. Diesen Zusammenhang giebt es aber nicht allein zwischen Gehör- und Gesichtsempfindungen, sondern, nach einer Veröffentlichung in einer Wiener wissenschaftlichen Zeitschrift zu schließen, auch zwischen Geschmacksempfindung einer- und Gesichtsempfindung anderseits. Die Person, von der in dem betreffenden Aufsatz die Rede ist, sieht beim Schmecken einer sauren Substanz eine blaue Farbe, eine rote oder gelbe dagegen beim Schmecken von etwas Bitterem. Kommen ihr dagegen die betreffenden Farben zu Gesicht, so hat sie regelmäßig die entsprechenden Geschmacksempfindungen. Folgerichtig muß man diese Erscheinung als koloriertes Schmecken bezeichnen. Vielleicht ist auch sie, gleich dem kolorierten Hören, weiter verbreitet und es bedarf nur näherer Beobachtuugen, um das festzustellen.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0452.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2021)