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hatten und das vom Südpol her bis in die Nähe der Südspitzen Amerikas und Afrikas reichen und in Neu-Guinea sich bis in die Nähe des Aequators erstrecken sollte.

Tasman drang 1642 im Indischen Ocean bis zum 49. Breitengrade südlich vor, Cook umkreiste 1773 den Pol und drang auf dieser seiner zweiten Reise im Januar 1774 bis 71° vor, ohne Land zu finden. Das Südland schien sich hinter unnahbaren Eisschranken zurückzuziehen, aber an seine Existenz wurde noch geglaubt. Unserm Jahrhundert blieb es vorbehalten, in den antarktischen Regionen Inseln und größere Küstenstriche zu entdecken. Es ist ein Zeitraum von 25 Jahren, von 1819 bis 1844, in dem die südpolare Forschung unter Beteiligung der Russen, Franzosen, Engländer und Nordamerikaner einen mächtigen Anlauf nahm, um dann wieder bis auf den heutigen Tag, also ein halbes Jahrhundert lang, fast völlig ins Stocken zu geraten. Es muß aber auch betont werden, daß die größten Expeditionen auf Staatskosten ausgerüstet waren, während die dazwischen hineinfallenden kleineren Erfolge dem Zufall zu danken waren, der die Walfischfänger und Robbenschläger entweder an die Gestade einer antarktischen Insel oder eines größeren Landes führte oder ihnen gestattete, in einem ausnahmsweise eisfreien Polarmeere einen Vorstoß bis zum 74. Grade südlich zu machen.

Diese erfolgreiche Epoche eröffnete 1819 die russische Expedition unter Bellingshausen, der zwar noch näher als Cook den Südpol umkreiste, aber doch den 70. Grad südlicher Breite nicht erreichte.

Indessen fand er am 22. Januar 1821 südlich vom Feuerlande das erste antarktische Land innerhalb des Polarkreises, die Insel Peters des Großen unter 68° 57' südlich und am 29. Januar etwas nördlicher das Alexandersland, das wohl mit dem später entdeckten Grahamslande zusammenhängt, ein vollständig in Eis und Schnee gehülltes Land, das keine Spur organischen Lebens mehr zeigte.

Zwei Jahre später gelang es dem englischen Walfischer Weddell, mit zwei kleinen Fahrzeugen weiter östlich vom Alexanderslande in einem vollständig freien Meere unter dem Meridian von 33° 20' westlich von Greenwich über den 74. Grad südlich gegen den Pol vorzudringen, also noch drei Grade weiter als Cook.

Ihm folgte Biscoe, der 1830 von England aus auch mit zwei kleinen Schiffen auf den Robbenschlag ausgeschickt war. Er entdeckte 1821 am Polarkreise, unter 50° östlich von Greenwich das Enderbysland und 1832 das Grahamsland und die davor liegenden Inseln nordöstlich vom Alexanderslande, die nach ihm benannt worden sind. Neben Enderbysland wurde im nächsten Jahre von Kemp das Kempsland gefunden. Und als 1839 Balleny, ebenfalls in der Nähe des Polarkreises, das Sabrinaland südlich von Westaustralien und die Ballenysinseln südlich von der Ostküste Australiens aufgefunden hatte, waren an so weit voneinander entlegenen Punkten, Inseln und Küstenstriche eines antarktischen Landes gesehen worden, daß eine lebhafte Phantasie sie mühelos zu einem Ganzen zusammenschließen und einen antarktischen Kontinent daraus von neuem schaffen konnte. Und in der That ist auch dieser hypothetische Titel jahrzehntelang auf den Karten zu lesen gewesen.

Den Abschluß dieser für die südpolare Forschung so günstigen Epoche bildeten drei große Expeditionen, die von Frankreich, den Vereinigten Staaten und England ausgerüstet waren. Zwar sollten die Schiffe der beiden ersten Staaten die antarktischen Gebiete zu enthüllen nicht als ihre Hauptaufgabe betrachten, somit also nur einige Sommermonate der südlichen Hemisphäre darauf verwenden; aber dessenungeachtet sind die Ergebnisse hervorragend. Das erste dieser beiden Geschwader wurde geführt von dem französischen Konteradmiral Dumont d’Urville, der im Februar 1838 das Nordende des Grahamslandes entdeckte, dem er den Namen Louis Philippsland gab, und der zwei Jahre später das Adelieland östlich von Ballenys Sabrinaland auffand. Das zweite Geschwader stand unter dem Kommando des nordamerikanischen Lieutenants Wilkes. Zwei seiner Schiffe, „Peacock“ und „Flying-Fish“, drangen 1839 in der Nähe jener Stelle, wo Cook über den 71. Grad südlicher Breite hinausgesegelt war, bis zum 70. Grade vor. Die beiden anderen Schiffe, „Vincennes“ und „Porpoise“, erreichten im folgenden Jahre Adelieland und fuhren nun, wie sie meinten, angesichts eines hohen mit einem Eisgürtel umschlossenen Gebirgslandes 1500 Meilen bis zum Terminationlande (95° östlich von Greenwich) hin, so daß sie die Ueberzeugung gewannen, einen Kontinent vor sich zu haben, und daß Wilkes für dieses „Wilkesland“ auch die Bezeichnung „Antarktischer Kontinent“ gebrauchte. Allein das südliche Eismeer bereitet durch seine Nebel und feststehenden Wolkenbänke oder durch seine Eisberge dem Schiffer so leicht Täuschungen, vor denen schon Cook gewarnt hat, daß man nicht eher von der Existenz einer Insel oder eines festen Landes überzeugt sein darf, als bis Gesteinsproben die Entdeckung erhärten. Und dieser Beweis fehlt der Wilkes’schen Entdeckung, die um so mehr in Frage gestellt ist, als der äußerste westliche Vorsprung seines Südlandes, das Terminationland, einige dreißig Jahre später von der englischen „Challenger“-Expedition in den Grund gesegelt ist, insofern man trotz des klarsten Wetters an der angegebenen Stelle kein Land erblicken und auch aus der Tiefe des Meeresbodens nicht auf die Nähe eines Landes schließen konnte. Endlich ist auch der Nachweis nicht erbracht, daß die von Balleny und Dumont d’Urville hier gesehenen Küsten ein zusammenhängendes Land bilden, das den Namen eines Kontinents verdiente. Ueber diese Frage entspann sich dann nach Abschluß jener Expeditionen ein längerer wissenschaftlicher Streit, der bis heute nicht gelöst werden konnte, weil jene Regionen in ihrer ganzen Ausdehnung nicht wieder besucht worden sind.

Nur die dritte, die englische Expedition unter Kapitän James Clarke Roß, der bereits 1831 den nördlichen Magnetpol entdeckt hatte, war ausschließlich zur Erforschung des antarktischen Gebietes ausgesandt. Ihr Leiter war mit der Schiffahrt im Eismeer völlig vertraut, widmete sich der ihm gestellten Aufgabe, sich soweit als möglich zum Zweck magnetischer Beobachtungen dem südlichen Magnetpol zu nähern, mit vollem Eifer und errang daher weit bedeutendere Erfolge als die französische und nordamerikanische Expedition. Ihn begleitete als Naturforscher der noch lebende Sir Joseph Hooker. Sein Geschwader bestand aus den beiden für Eismeerfahrten besonders geeigneten Schiffen „Erebus“ und „Terror“, denselben Fahrzeugen, auf denen wenige Jahre später die Franklinsche Nordpolarexpedition bis auf den letzten Mann zu Grunde gehen sollte. Kühn drang Roß im Januar 1841 südlich von Neuseeland durch den Packeisgürtel, vor dem seine Vorgänger zurückgewichen waren, hindurch und erreichte unter 69° südlich wieder ein freies Meer. Unter 71° südlich stieß er zuerst auf Land, verfolgte dasselbe bis 78° südlich und sah hinter einer 50 bis 60 m aufragenden Eismauer mächtige Vulkane sich bis zu einer Höhe von nahezu 4000 m erheben, von denen der höchste, der sich durch eine gewaltige Eruption als noch thätig erwies, den Namen Erebus, der andere den Namen Terror erhielt. Hier konnte keine Täuschung vorliegen: man hatte ein großes südliches Land gefunden und benannte es nach der jungen Königin Viktorialand. Hier wurde auch 1842 die höchste bis jetzt noch nicht wieder gewonnene Breite von 78° 91/2' erreicht. Im folgenden Jahre vervollständigte Roß die Entdeckung Dumont d’Urvilles, indem er nachwies, daß das Louis Philippsland eine Halbinsel des Grahamslandes sei. Die Lücken in den magnetischen Beobachtungen Roß’ suchte 1845 Lieutenant Moore auszufüllen, aber er kam wegen sehr ungünstiger Eisverhältnisse kaum über den südlichen Polarkreis hinaus.

In den späteren Zeiten sind nur einige zufällige Entdeckungen am Grahamslande gemacht, an die uns die Namen Dallmann und Larsen erinnern; aber eine wissenschaftliche Expedition ist seit den Tagen von James Roß nicht wieder nach dem Süden entsendet. In dieser Beziehung haben wir einen fünfzigjährigen Stillstand zu beklagen. So gering unsere Kenntnis auch noch von dem südlichen Polargebiete der Erde ist, so lassen sich doch schon einige allgemeine Vergleichungspunkte der arktischen und antarktischen Regionen aufstellen. Nach ungefährer Schätzung galt das unbekannte Gebiet am Südpol bisher für viermal so groß als das am Nordpol. Dies Verhältnis ist natürlich durch Nansens glückliche Nordfahrt wesentlich zu ungunsten der antarktischen Seite verschoben.

Um den Nordpol herrscht das Wasser vor, um den Südpol, wie es scheint, altes Festland. Innerhalb des nördlichen Polarkreises ist die vulkanische Thätigkeit erloschen, im Süden ist sie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0411.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)