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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


„So erzählen Sie schlecht, aber erzählen Sie doch … Was thut er? Hat er Pferde und Hunde? Wie ist er angezogen? was bekommt er zu essen?“

„Hat er Ihnen denn das alles nicht geschrieben? So oft ich ihn in seiner Wohnung finde, finde ich ihn schreibend, und jedesmal sagt er: ‚Ich schreibe nach Hause‘.“

„Das ist etwas ganz andres, was er schreibt und was einer erzählen kann, der bei ihm war … Also, Herr Bornholm! ... Also!“ …

Ihr Drängen langweilte ihn, er verbarg es nicht. Die Antworten, die er auf ihre Fragen gab, wurden immer karger, jeden Satz ließ er sich mühsam erpressen. Sie hielt lange stand, ihre Ausdauer, ihre Geduld bewährten sich. Endlich aber waren sie doch erschöpft. Die sanften, schutzflehenden, um Liebe werbenden Augen der armen Kleinen sprühten Zornesfunken, ihre bleichen Wangen flammten, sie bäumte sich auf und stieß in unbezwinglicher Empörung die Worte hervor:

„Sie sind bös’! Ich glaube, daß Sie ein böser Mensch sind, der andern alles zuwider thut.“

Levin Bornholm, der Klotz, beantwortete ihre heftige Anklage mit einem unpassenden: „Je nun.“ Der Angriff, den er erfahren hatte, machte ihm keinen Eindruck. Er sah Elika nicht einmal aufmerksamer an als früher, und als er sich wieder zu sprechen bequemte, sprach er zu Luise: „Sie haben nicht nur keine Angst vor nassen Füßen, Sie haben auch keine vor übler Nachrede.“

Luise machte große Augen zu dieser unerwarteten Apostrophe: „Da irren Sie. Ueble Nachrede wäre mir sehr unangenehm.“

„Und trotzdem setzen Sie sich ihr aus?“

„Wodurch?“

„Dadurch, daß Sie hierher kommen, zu mir, den die öffentliche Meinung verfemt.“

„Not bricht Eisen – ich bitte abermals um Verzeihung, Herr Bornholm,“ sagte sie und sah ihn dabei mit einem sehr lieben Lächeln an.

Ihm war, als offenbare sich ihm eine Seele voll lauterer Heiterkeit, und eine verdrießliche Regung ergriff ihn. Wie beschränkt und gedankenlos muß man sein, um heiter sein zu können, überhaupt – und nun gar Die! Ist arm wie ein Digger und steht allein wie die Chamberssäule … „Haben Sie je von der Chamberssäule gehört?“ sprach er plötzlich und mußte selbst lachen über das Unmotivierte der Frage, mit der er da hereinplatzte.

„Ich nicht,“ erwiderte Luise; er kam ihr jetzt entschieden etwas verrückt vor.

„Aber ich!“ Elika hatte sich allmählich von ihrem Zornesanfall erholt und mischte sich ins Gespräch: „Sie steht am Finkefluß und ist ein Monolith und das allerletzte Ueberbleibsel von einem Gebirge.“

„Richtig, kleine Person. Hat Joseph Ihnen das geschrieben?“

„Nein, ich hab’s gelesen. Joseph hat zuletzt von der Regenzeit geschrieben. Die kommt ja bald, nicht wahr, Herr Bornholm?“ Warte, dachte sie, jetzt erwisch’ ich dich, jetzt wirst du mir doch erzählen! „Die Regenzeit muß traurig sein. Was thut Joseph während der Regenzeit, Herr Bornholm?“

Er nannte sie im stillen eine schlaue Katze und antwortete obenhin: „Nun, allerlei.“

„Ich glaube,“ führ sie fort, „daß er die seltenen Pflanzen trocknen wird, die er auf der ‚Landpartie‘ mit Ihnen, die eine große Reise war, gesammelt hat, Orchideen und Stackhousien und solche Sachen, und ich glaube, daß er auch kleine Tiere und Vögel ausstopfen wird, was sehr grauslich ist. Finden Sie nicht auch, Herr Bornholm?“

„Wie man’s nimmt. Ein Squatter hat vom ‚Grauslichen‘ andere Begriffe als Sie.“

„So ist er ein Squatter? Er ist doch kein Squatter. Das sind Sie, und er ist nur bei Ihnen in der Home-station.“

„Sehen Sie, Sie wissen alles. Wozu fragen Sie?“

Nun genug! Sie wollte ihn nicht mehr fragen, gar nicht mehr, es lohnte nicht der Mühe. Die Antworten, die er gab, waren zu einsilbig und läppisch. Sie wünschte sich fort von Valahora, auf zehn Meilen, auf hundert Meilen.

Wie eine kleine Mumie hatte sie dagelegen und zog nun mühsam einen Arm nach dem andern aus seiner festen Umhüllung. Ihr weißes Hälschen kam zum Vorschein, schmal und zart wie das eines siebenjährigen Kindes. „Der Plaid kratzt mich,“ sagte sie, „er ist so grob.“

„Wie sein Eigentümer, meint die ‚arme Kleine‘,“ ergänzte Bornholm, richtete die Worte aber nicht an sie, sondern an Luise.

„Gehen wir, Tante,“ sprach Elika und ihrer starken Willenskraft gelang’s, ihrer Stimme einen reinen und sichern Klang zu geben. „Das Gewitter ist vorbei und der Regen macht mir nichts. Bitte, rufe Bartolomäus, er soll mir meine Schuhe bringen.“

Levin stand auf. „Das besorg’ ich.“ Er sah zum Fürchten streng und unwirsch aus und ging mit großen Schritten der Thür zu, und sogar der Anblick seines breiten Rückens hatte etwas Bedrohliches.

Bartolomäus kam herein, das Kleid Elikas und ihre Strümpfe auf dem Arm; in der Hand ihre Schuhe, die er Luisen entgegenhielt: „Anziehn kann nicht, sind sie naß,“ verfügte er.

Nach einigem Protestieren mußte das Kind sich bequemen, wohleingepackt in dem groben Plaid, von ihrem alten getreuen Eckart nach Hause getragen zu werden.

Die Karawane überschritt schon den Hof, als Bornholm aus dem Gang auf die offene Treppe trat. Er hatte sich doch noch verabschieden wollen bei Fräulein von Kosel. Sie war recht sympathisch, trotz ihrer lächerlich verzärtelnden Affenliebe für das kleine Ungetüm von Nichte.

Aber die Gäste hatten Eile, sein Haus zu verlassen, sie schlugen ein rasches Tempo an. Zuerst Bartolomäus mit seiner leichten, sorglich getragenen Bürde. Der bissige Kettenhund in eine Wartefrau verwandelt – sehr lächerlich! – dann Luise, dann die Jungen Jedéns und Dvas, bellend, jappend, sich zeitweise überkugelnd.

Das Gewitter vergrollte langsam, der Regen hatte aufgehört. Luise erhob den Kopf und sah zum Himmel empor, an dem sich einzelne helle Streifen zeigten. Dann, schon im Begriff, um die Ecke der Hofmauer zu biegen, blickte sie zurück, bemerkte Bornholm und nickte ihm freundlich grüßend zu.

„Keine Schönheit und auch nicht mehr ganz jung. Ungefährliche Nachbarschaft. Aber danken hättest du dürfen für ihren Gruß, australischer Rüpel,“ sagte sich Levin.

(Fortsetzung folgt.)




Die Bronze in der plastischen Kunst.

Von Dr. G. Klaussen.
Mit Illustrationen nach photographischen Aufnahmen von W. Titzenthaler in Berlin.

Unter den Rohstoffen, die zur Herstellung der Werke plastischer Kunst sich eignen, nimmt der Marmor unstreitig den ersten Platz ein. Seiner Verwendung sind jedoch Grenzen gezogen. Die verschiedenen Marmorarten zeigen sich gegen Einflüsse der Witterung mehr oder weniger empfindlich, und namentlich in dem rauheren Klima nördlicher Länder müssen Denkmäler aus Marmor während des Winters mit Schutzhüllen aus Holz umgeben werden, damit sie vor einem allzuraschen Verderben geschützt sind. So ist der Bildhauer bei uns auf einen Ersatz angewiesen, den am besten der Bronzeguß liefert. Freilich kann dieses Metall, das allzu oft in noch nicht ergründetem Eigensinn die erwünschte Patinierung verweigert, an ästhetischer Wirkung sich mit der leuchtenden Schönheit des lebendig gewachsenen Steins nicht messen. Aber es bietet wenigstens den Vorzug, daß das eherne Kunstwerk das ganze Jahr hindurch dem Auge des Beschauers erhalten bleiben kann. Da sich ferner die Verwendung des Marmors bei Monumenten, die über eine gewisse Größe hinausgehen, von selbst verbietet, so ist der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0364.jpg&oldid=- (Version vom 12.2.2021)