Seite:Die Gartenlaube (1898) 0312.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Bier. Im ganzen kommt nichts Rechtes heraus. Der eine will, sobald er pflügen kann, auf den überschwemmten Acker Raps säen, die meisten lassen ihn als Brache liegen bis zur Wintersaat. Dem Altwitzer Grafen sind sämtliche Grummetfeimen verschwemmt.

Anton sitzt dabei und raucht seine Cigarre. Irgend einer neckt ihn, meint, er könne es mit ansehen, er habe ja seine sichere Einnahme da unten her vom Harz, er sei auch wohl nur so traurig, weil er Strohwitwer geworden sei.

Das ist das Signal zu einem allgemeinen Erkundigen nach Frau Mohrmann. Möglich, daß die Wahrheit nicht bekannt wurde, möglich, daß man glaubt, die schöne Frau sei zur Stärkung ihrer Nerven in die Schweiz gereist, am wahrscheinlichsten aber ist es eine ganz lasterhafte Neugier, dem Grund dieser plötzlichen Abreise auf die Spur zu kommen.

Anton sitzt wie in einem Kreuzfeuer, das er scheinbar ruhig aushält; innerlich schüttelt er sich vor Zorn, und sobald es thunlich ist, steht er auf, um sein Pferd zu bestellen.

„Seien Sie doch kein Frosch, sie wartet ja doch nicht daheim!“ ruft ihm einer nach; der Landrat von Logow ist’s mit dem berühmten Mundwerk. Anton thut, als hört er es nicht, und da das Pferd noch nicht vorgeführt ist, bestellt er dem Kellner, er gehe langsam voraus, der Hausknecht möge ihm den Gaul nachbringen. Wie er vor dem Wartauer Schloß eine halbe Stunde später absteigt, kommt ihm der Diener entgegen mit den Worten: „Herr Buchenberg ist angekommen.“

Von einer bösen Ahnung erfaßt, begrüßt Anton den Leiter der Flußspatwerke; das ernste Gesicht des Mannes weissagt nichts Gutes, und bei einer Cigarre und einem Glas Rheinwein, der eilig gebracht wird, sagt Buchenberg: „Keine guten Nachrichten, lieber Anton. Da ist mir meuchlings eine Gesellschaft Engländer in die Flanke gefahren, ihr Mutungsgesuch befindet sich bereits in den Händen des Bergamtes; es betrifft ein großes ausgedehntes Gebiet am Südharz. Dasselbe Unternehmen, das ich dir vor zwei Jahren so dringend anempfahl, weil die Bedingungen für die Versendung des gewonnenen Materials ungleich günstiger sind als die unsrigen, denn der Wasserweg ist stets der billigste und die Saale liegt dem fraglichen Terrain nicht gar fern.“

Buchenberg hat recht, und Anton beißt sich auf die Lippen; er war in der Versammlung der eifrigste Gegner des Projekts gewesen, weil er die zu große Ausdehnung des Unternehmens, die neuen Betriebskosten scheute und – wer konnte auch damals vermuten, daß so bald noch andere den Schatz entdecken würden, der dort im Boden ruht? Außerdem, damals steckte er schon in Verlegenheiten durch seine luxuriöse Einrichtung des Schlosses, den kostspieligen Haushalt. Er hatte also Buchenberg auf günstigere Zeiten vertröstet, die freilich ausblieben. „Und was soll nun werden?“ fragt er gepreßt.

„Das will ich eben mit dir besprechen, mit dir und Sybel. Zunächst schlage ich vor, wir berufen eine Versammlung der Besitzer der Kuxe. Du und Sybel als die beiden Hauptbeteiligten, ihr müßt darauf bestehen, daß ein billigerer Transportweg geschaffen werde; die Abfuhr des Materials mit Geschirren bis zu dem meilenweit entfernten Bahnhof ist zu kostspielig und wir können, wie gesagt, nur konkurrieren mit dem neuen Unternehmen, wenn wir billiger liefern, als es bis jetzt geschehen.“

„Das sehe ich ein!“ sagt Anton, „aber – – “

„Und dazu bietet sich jetzt eine treffliche Gelegenheit,“ unterbricht der andere.

„Wieso?“ fragt Anton und sieht mit gerunzelter Stirn an Buchenberg vorbei. „Ich habe drei Mißernten gehabt, jetzt die Wasserkatastrophe, und wenn’s nun auch mit dem Gewerke rückwärts geht, dann –“

„Mensch, laß mich doch ausreden!“ ruft Buchenberg. „Also höre: In etwa vier Wochen wird die Klingelbahn durch den Unterharz dem Verkehr übergeben, ein kleiner Bahnhof derselben an der Burgwiese liegt uns nicht allzu fern, liegt überhaupt günstig, und darum bauen wir eine Schmalspurbahn von der Grube bis zu dem genannten Bahnhof. Es werden so gegen acht Kilometer sein, und zwar etwa sechs und ein halb Kilometer durch fiskalischen Wald und Heide und anderthalb Kilometer durch Wiesen und Triften des Rittergutes Broderode. Mit dem Fiskus werden wir einig; ich habe bereits den Regierungsrat von Zedwitz darüber gesprochen, der sehr für die Anlage ist im Interesse der ärmlichen Bewohner, denen wir Arbeit geben; und der Besitzer des Rittergutes ist selbst Kuxinhaber und wird uns nur zu gern gefällig sein. Allerdings kostet die Sache Geld, denn wir würden auch zwei Brücken bauen müssen, und zwar eine ziemlich lange durch den Bruch; aber die Geschichte bringt’s wieder ein, reichlich wieder ein, auch ist unser Reservefonds nicht ganz unerheblich, und endlich – wir könnten eine Anzahl neuer Aktien ausgeben, die wir jetzt über Pari an den Markt zu bringen alle Aussicht haben.“

„Ich Zöge mich doch am liebsten ganz zurück und verkaufte meinen Anteil,“ bemerkt Anton verstimmt.

„Natürlich! Zünde dir dein eigenes Haus an – ob wir mit kaput gehen, das braucht dich nicht zu kümmern. Sobald du die Prioritäten auf den Markt schmeißt, sind wir schon angezweifelt, und eines Tages ist der Kladderadatsch da! Das Gegenteil soll geschehen; du und Sybel, ihr müßt einen großen Teil der neuen kaufen zum Parikurs, das könnt ihr verlangen; je weniger im Handel, desto besser – verstanden? Ihr seid die am meisten Gefährdeten, geht die Sache schief; ihr müßt sie halten, sonst ist eines schönen Tages der Krach da und ihr habt gar nichts.“

In diesem Augenblick meldet der Diener, daß das Abendessen serviert sei, und die Herren gehen hinüber. Sie sitzen allein am gedeckten Tisch, Anton grübelnd und rechnend, Buchenberg redend, einen Grund nach dem andern anführend, um zu beweisen, daß sein Vorschlag das einzig Richtige sei, das Werk auf der Höhe und konkurrenzfähig zu halten.

„Gut,“ sagt Anton endlich, „ich werde mit dir fahren morgen früh.“

„Nein, nein!“ ruft Buchenberg, den Mund noch voll Taubenpastete, „morgen ist zu spät, heute noch! Morgen in aller Frühe müssen wir Sybel bearbeiten, ehe der alte Freund hinausfährt nach seiner Fabrik; dann werden die Aktionäre telegraphisch zusammengetrommelt. Jede Stunde ist von Wichtigkeit, laß nur anspannen; der Zug geht um zehn Uhr, wir haben noch eine Stunde Zeit.“

Anton klingelt und bestellt den Wagen.

„Apropos,“ fragt Buchenberg, „wo ist denn deine Gattin – doch nicht krank?“

„Verreist,“ antwortet Anton kurz.

„Ach so? Na, es ist die Saison dafür – warum bist du denn nicht mit? So ’n schönes junges Weib läßt der Philister allein in der Welt umher kutschieren! Bist du gar nicht eifersüchtig?“

„Nicht im mindesten,“ sagt Anton kühl, indem er sich erhebt.

„Na prosit, sie soll leben!“ Buchenberg hält das Glas hoch und wundert sich über die laue Art, mit der Anton anstößt. „Höre, wenn ich bedenke, wie du früher warst,“ fährt er fort, „als Student, und dann noch später, als ich dich im Inspektorhause da drüben besuchte – Mensch, was ist eigentlich aus dir geworden? Johann der muntere Seifensieder ist ja in seinem schwermütigen Stadium ein Waisenknabe gegen dich! Ich sehe dich noch drüben neben deiner ersten Frau –. Na, Herrgott, nimm’s mir nicht übel, Anton, ich rühre vielleicht an delikate Geschichten – komm’, gieb mir die Hand, es war nicht böse gemeint!“

„Ich weiß ja, Bester! Du entschuldigst mich nun aber einen Augenblick; ich will nur sagen droben, daß ich verreise; Heine muß es auch wissen. Bitte, bediene dich, iß den Nachtisch, und hier liegen die Cigarren; ich bin so rasch als möglich wieder bei dir.“

Eine halbe Stunde später fahren die Herren nach Leipzig. Als Anton nach zwei Tagen zurückkommt, sieht er noch finsterer aus als vorher. Der Bau der schmalspurigen Bahn ist beschlossen und Anton hat eine bedeutende Anzahl neuer Aktien gezeichnet. Der Kostenanschlag, den ein Sachverständiger in aller Eile gemacht hat, um überhaupt eine Ahnung zu gewinnen, was der Bau kosten wird, übersteigt die Befürchtungen bei weitem, ist aber trotzdem genehmigt worden. Die Aussichten auf Gewinn sind für die Aktionäre vorläufig verzweifelt schlechte, trotzdem hoffen sie, bis auf Anton, der überhaupt an nichts Gutes mehr glaubt, das Gewerk auf der Höhe zu erhalten. Das Kapital zum Ankauf neuer Aktien hat Anton als dritte Hypothek auf Wartau eintragen lassen; er weiß nur eins – daß er alles thun muß zur Rettung des Gewerkes.

(Fortsetzung folgt.)

0

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0312.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)